Wohl kaum ein Thema ist in den letzten Jahren so intensiv wettbewerbsrechtlich abgemahnt worden, wie fehlerhafte oder fehlende Widerrufs- oder Rückgabebelehrungen. Zum 11. Juni 2010 tritt das Gesetz zur Neuordnung der Vorschriften zum Widerrufs- und Rückgaberecht in Kraft. Welche Folgen hat dies auf eine abgegebene Unterlassungserklärung?
RA Johannes Richard aus Rostock analysiert für Sie die Situation.
Im Rahmen einer wettbewerbsrechtlichen Abmahnung wird immer eine strafbewehrte Unterlassungserklärung gefordert. Folge ist, dass, wenn der Abgemahnte gegen die Unterlassungserklärung verstößt, er an den ursprünglichen Abmahner eine Vertragsstrafe zahlen muss. Dies gilt in der Regel auch dann, wenn sich die Rechtslage geändert hat und ein Verhalten, das früher wettbewerbswidrig war, auf Grund einer Rechtsänderung plötzlich erlaubt ist.
Wurde nach einer Abmahnung keine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgegeben, liegen zum Teil einstweilige Verfügungen oder Urteile vor, die unter Androhung eines Ordnungsgeldes etwas untersagen, was ebenfalls ab dem 11.06.2010 im Bereich des Widerrufsrechtes erlaubt sein kann.
Hier finden Sie eine Übersicht über die Neuerungen im Widerrufs- und Rückgaberecht.
Wenn sich die Rechtslage ändert mit der Folge, dass ein in der Vergangenheit wettbewerbswidriges Verhalten plötzlich zulässig wird, besteht die Möglichkeit, eine Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung zu kündigen. Der Unterlassungsschuldner hat bei einer Rechtsänderung ein Kündigungsrecht aus wichtigem Grund (so z.B. die BGH-Entscheidung "Altunterwerfung I"). Wichtig ist, dass die Kündigung immer nur mit Wirkung für die Zukunft gilt und nicht rückwirkend erklärt werden kann.
Sollte es somit im Rahmen der neuen Widerrufsbelehrung zum 11.06.2010 Probleme mit in der Vergangenheit abgegebener Unterlassungserklärungen geben, muss die Kündigung erfolgen, bevor die neue Widerrufsbelehrung verwendet wird. Anderenfalls können unabhängig von der Änderung der Rechtslage Vertragsstrafenansprüche geltend gemacht werden.
Mit der Kündigung sollte auch nicht zu lange gewartet werden, da nach Ansicht des Bundesgerichtshofes die Kündigung eines Unterlassungsvertrages aus wichtigem Grund wirksam nur in einer angemessenen Frist erfolgen kann (BGH-Entscheidung "Altunterwerfung II").
Wird die Kündigung versäumt, hat der Abgemahnte zwar die Möglichkeit, dem Abmahner, der plötzlich eine Vertragsstrafe haben will, den Einwand des Rechtsmissbrauches entgegenzuhalten. Inwieweit dieser Einwand jedoch durchdringt, ist eine Frage des Einzelfalls. Eine vor einer Kündigung verwirkte und bezahlte Vertragsstrafe ist im Übrigen nicht zurückzuzahlen.
Nicht immer ist die Kündigung einer Unterlassungserklärung der richtige Weg, um auf das neue Widerrufsrecht zu reagieren. Häufig wurden einer wettbewerbsrechtlichen Abmahnung vorformulierte Unterlassungserklärungen beigefügt, die zum eigentlichen Verstoß nicht passten. Wer bspw. abgemahnt wurde, weil er im Rahmen der Widerrufsbelehrung mit der Formulierung "Die Frist beginnt frühestens mit Erhalt dieser Belehrung." informierte, darf dies auch ab dem 11.06.2010 nicht tun.
Oftmals haben die Abmahner jedoch eine Unterlassungserklärung beigefügt, die genau dieses sogenannte Verletzungsmuster nicht enthielt sondern vielmehr eine Verpflichtung, auf die Erfüllung der Informationspflichten im Rahmen der Widerrufsbelehrung nach BGB-InfoV hinzuweisen. Auch hier wäre eine Verwirkung einer Vertragsstrafe denkbar, da es ab dem 11.06.2010 die für das Widerrufsrecht relevanten Normen in der BGB-Informationspflichtenverordnung nicht mehr geben wird sondern diese Normen durch das EGBGB ersetzt werden.
In diesem Fall muss die abgegebene Unterlassungserklärung angepasst werden.
Ist auf Grund einer Abmahnung eine einstweilige Verfügung erwirkt worden, kann eine Aufhebung wegen veränderter Umstände gemäß § 927 ZPO beantragt werden. Dies ist nach Ansicht des Bundesgerichtshofes (BGH-Entscheidung "Mescher weis") auch dann möglich, wenn nach der einstweiligen Verfügung eine sogenannte Abschlusserklärung abgegeben wurde.
Im Rahmen einer Abschlusserklärung wird auf Rechtsmittel verzichtet und die einstweilige Verfügung einem Hauptsacheurteil gleichgestellt. Hierzu gehört in der Regel auch der Verzicht auf die Aufhebung der einstweiligen Verfügung wegen veränderter Umstände. Bei einer Gesetzesänderung gilt dies jedoch nicht.
Zum Teil werden Unterlassungsansprüche auch im Rahmen einer Hauptsacheklage geltend gemacht. Das Verfahren endet dann mit einem Urteil. Hier ist es möglich, den Unterlassungstitel im Rahmen der Vollstreckungsabwehrklage gemäß § 767 ZPO für unzulässig zu erklären. Soweit sich das Urteil nur auf einen aufzuhebenden Punkt bezieht, ist es ferner möglich, die Herausgabe des vollstreckbaren Titels zu verlangen.
Gerade bei eBay, zum Teil jedoch auch bei Internetshops, wurde abgemahnt, dass mit einer Frist von zwei Wochen belehrt wurde und nicht mit der Frist von einem Monat. Zukünftig kann jedoch sowohl bei eBay wie auch erst recht im Internetshop mit einer Frist von 14 Tagen über das Widerrufsrecht belehrt werden, wenn gewährleistet ist, dass der Verbraucher die Widerrufsbelehrung in Textform (E-Mail) spätestens am Tag nach Vertragsschluss erhält.
In diesem Zusammenhang nicht unüblich sind im Übrigen auch Abmahnungen, die sich auf eine Widerrufsfrist von 30 Tagen beziehen. Wer in der Vergangenheit auf Grund der Dauer des Widerrufsrechtes abgemahnt wurde, sollte auf jeden Fall alte Unterlassungserklärungen, einstweilige Verfügungen oder Urteile überprüfen.
Nach der Rechtslage bis zum 11.06.2010 ist die Verwendung eines Rückgaberechtes nur dann möglich, wenn dieses vor Vertragsschluss in Textform geschieht. Inwieweit nach der Rechtslage bis zum 10.06.2010 bspw. bei eBay auch eine Rückgabebelehrung verwendet werden kann, ist nicht abschließend geklärt.
Durch die neuen Regelungen zum 11.06.2010 entfällt die Voraussetzung, dass dem Verbraucher das Rückgaberecht in Textform vor Vertragsschluss eingeräumt wird, mit der Folge, dass auch bei eBay eine Rückgabebelehrung verwendet werden kann. Wenn auf Grund der Verwendung einer Rückgabebelehrung abgemahnt wurde und die Verwendung einer Rückgabebelehrung durch den Shopbetreiber zukünftig beabsichtigt ist, bietet sich auch hier eine Überprüfung alter Abmahnungen an.
Theoretisch kann durch die neue Rechtslage ab dem 11.06.2010 zukünftig auch bei eBay ein Wertersatz für eine bestimmungsgemäße Ingebrauchnahme geltend gemacht werden. Gerade bei eBay war dies ein beliebtes Abmahnthema.
Nach meiner Auffassung ändert sich trotz des Wortlautes der neuen Widerrufsbelehrung daran jedoch auch ab dem 11.06.2010 nichts: Der Europäische Gerichtshof hat mit Urteil vom 03.09.2009, Az.: C 489/07 die Wertersatzregelungen im Falle der Ausübung des Widerrufsrechtes als nicht EU-Rechtskonform erklärt. Folge ist, dass nach unserer Auffassung auch weiterhin ein Wertersatz für eine bestimmungsgemäße Ingebrauchnahme nicht geltend gemacht werden kann. Obwohl die Bundesregierung schon seit fast einem halben Jahr Kenntnis von diesem Urteil hat, wird erst jetzt reagiert. Es liegt ein Referentenentwurf zum "Gesetz zur Anpassung der Vorschriften über den Wertersatz beim Widerruf von Fernabsatzverträgen" vor, mit dem auf das EuGH-Urteil reagiert wird und auch die neue Widerrufsbelehrung wiederum eine Änderung erfahren wird. Wann das Gesetz in Kraft tritt, lässt sich zurzeit noch nicht abschätzen.
Folge ist jedenfalls, dass nach unserer Auffassung auch nach dem 11.06.2010 ein Wertersatz für eine bestimmungsgemäße Ingebrauchnahme nicht geltend gemacht werden kann. Bei Abmahnungen zu diesem Thema kann nach meiner Auffassung auch eine Unterlassungserklärung nicht gekündigt werden.
Recht häufig werden Abmahnungen vorformulierte Unterlassungserklärungen beigefügt. Da es bei vielen wettbewerbsrechtlichen Abmahnungen im Internet in erster Linie um Anwaltsgebühren geht, haben die abmahnenden Rechtsanwälte auf die Formulierungen der Unterlassungserklärungen oftmals nicht viel Sorgfalt verwandt.
Durchaus üblich sind daher Unterlassungserklärungen, die auch von den Abgemahnten unterschrieben wurden mit Formulierungen "... ohne in gesetzlich geforderter Form über das Widerrufsrecht zu belehren." oder "... den Verbraucher nicht ordnungsgemäß über das Bestehen eines Widerrufsrechtes zu informieren."
In diesem Fall muss die Unterlassungserklärung ausgelegt werden und zwar unter Berücksichtigung der damaligen Abmahnung. Wenn diese Formulierung verwandt wurde, um bspw. gegen eine falsche Widerrufsfrist vorzugehen, wäre auch hier eine Kündigung möglich.
Aus der Beratungspraxis ergeben sich zum Teil ungewöhnliche Probleme bei der Kündigung von Unterlassungserklärungen:
Einige Abmahner sind nicht mehr existent oder unbekannt verzogen. Auch die Insolvenz eines damals abmahnenden Unternehmens kann zum Problem werden. Auch denkbar ist der Umstand, dass zwischenzeitlich der Abmahner sich in eine GmbH oder eine andere juristische Person umgewandelt hat. Hier ist zum Teil ein erheblicher Recherche-Aufwand notwendig, um die Kündigung der Unterlassungserklärung, die eine sogenannte empfangsbedürftige Willenserklärung ist, dem Adressaten zukommen zu lassen.
Vor dem Hintergrund, dass die Kündigung einer Unterlassungserklärung oder die Aufhebung einer einstweiligen Verfügung oder das Vorgehen gegen ein Urteil immer nur für die Zukunft wirkt, läuft abgemahnten Internethändlern langsam die Zeit davon. Der dringende Rat ist, sich jetzt und sofort darum zu kümmern, ob und was in der Vergangenheit in Bezug auf das Widerrufsrecht oder Rückgaberecht abgemahnt wurde, damit eine Reaktion noch vor dem 11.06.2010 gewährleistet ist.
RA Johannes Richard
Rechtsanwalt Johannes Richard ist Fachanwalt für Gewerblichen Rechtsschutz. Er betreut in der Kanzlei Langhoff, Dr. Schaarschmidt & Kollegen (www.internetrecht-rostock.de) die rechtliche Gestaltung von Internetshops und berät bei wettbewerbsrechtlichen Abmahnungen im Internet.
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