Abmahnungen sollen eigentlich für einen fairen Wettbewerb sorgen, werden aber oft aus missbräuchlichen Gründen ausgesprochen. Die SPD-Fraktion im Deutschen Bundestag hat aus diesem Grund eine Kleine Anfrage an die Bundesregierung gestellt und will wissen, was die Regierung gegen Abmahnmissbrauch tun will.
Lesen Sie hier mehr zu dieser Anfrage.
Update: Die Antwort der Bundesregierung liegt nun vor.
Die anfragenden Mitglieder der SPD-Fraktion sehen drei Faktoren, welche ursächlich für den Missbrauch von Abmahnungen im Onlinehandel sind:
- Online gilt es eine Vielzahl an kleinteiligen und verschachtelten Vorschriften zu beachten. Damit ist die Zahl möglicher Verstöße enorm hoch.
- Verstöße lassen sich im Internet aufgrund einfach Zugriffmöglichkeit leicht aufspüren.
- Der “fliegende Gerichtsstand”.
Dann verweist die SPD auf die Begrenzung von Abmahnkosten im Urheberrecht auf 100 Euro, wenn es sich um eine erstmalige Abmahnung in einem einfachen Fall handelt.
Auslöser der Kleinen Anfrage (Drucksache 17/1447) vom 21.04.2010 an die Bundesregierung ist unter anderem auch eine Studie aus dem Januar 2009.
Fragen an die Bundesregierung
Anschließend stellen die Abgeordneten der Bundesregierung 12 Fragen, die wir Ihnen hier auflisten wollen:
- Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über die durchschnittliche Anzahl von Abmahnungen sowie die finanziellen Folgen für die einzelnen Unternehmer im Online-Handel, die durch die hier als Abmahnmissbrauch beschriebene Praxis verursacht werden?
- Aufgrund welcher Verstöße werden nach Erkenntnis der Bundesregierung die Unternehmen abgemahnt?
- Welche Auswirkungen haben die abgemahnten Verstöße auf den Wettbewerb und auf die Durchsetzung von Verbraucherrechten?
- Sieht die Bundesregierung alternative Möglichkeiten, die abgemahnten Wettbewerbsverstöße zu beseitigen?
- Welche Aufgaben haben aus Sicht der Bundesregierung die Betreiber von virtuellen Marktplätzen an der Bekämpfung von Wettbewerbsverstößen?
- Plant die Bundesregierung zur Lösung dieser Problematik gesetzgeberisch tätig zu werden, und wenn ja, wie sieht der Zeitplan der Bundesregierung aus?
- Welche konkreten Gesetzesvorschläge gibt es bzw. sind in Planung (etwa Ausweitung der Deckelung des Ersatzes der erstattungsfähigen Abmahnkosten bei erstmaligem Verstoß auf das Wettbewerbsrecht; Senkung des Streitwerts bei Erstabmahnungen; Begrenzung des Kreises der Abmahnberechtigten)?
- Plant die Bundesregierung eine auf einzelne Gesetze, etwa das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, beschränkte Lösung oder schwebt ihr eine allgemeine Lösung vor (die z. B. auch den Bereich geistiger und gewerblicher Schutzrechte umfasst)?
- Gibt es schon erste Ergebnisse der Überlegungen des Bundesministeriums der Justiz, das sich schon in der letzten Legislaturperiode mit dem Abmahnmissbrauch beschäftigt hat, und wie lauten diese?
- Gibt es Überlegungen, den „fliegenden Gerichtsstand“ einzuschränken? Sieht die Bundesregierung in einer Abschaffung des fliegenden Gerichtstands zumindest auch eine Möglichkeit zur Entschärfung des Abmahnmissbrauchs, indem der Abmahnende sich nicht mehr ein Gericht aussuchen kann, das die ihm günstige Rechtsauffassung teilt?
- Wie sehen die ersten Erfahrungen mit dem neuen § 97a UrhG aus, der in bestimmten Fällen die ersatzfähigen Aufwendungen auf 100 Euro beschränkt?
Inwieweit haben sich die Begriffe „erstmalige Abmahnung“, „einfach gelagerte Fälle“ und „unerhebliche Rechtsverletzung“ dieser Norm in der Praxis nach Auffassung der Bundesregierung bewährt? - Ist die Bundesregierung der Ansicht, dass eine Bekämpfung des Abmahnmissbrauchs auf EU-Ebene erfolgen muss?
Ist der Abmahnmissbrauch bisher Gegenstand der Verhandlungen über eine EU-Verbraucherrechterichtlinie gewesen?
Wenn ja, wie hat sich die Bundesregierung hierzu positioniert?
Wenn nein, plant die Bundesregierung diesbezügliche Initiativen und ggf. welche?
Am 06.05.2010 antwortete die Bundesregierung auf die Fragen der SPD Fraktion. Grundsätzlich habe sich das System der Abmahnung bewährt, so die Regierung. Lesen Sie hier, ob und welche Änderungen die Regierung plant.
Lesen Sie hier mehr zum Thema Rechtsmissbrauch:
- Lesetipp: “Die Rechtsmissbräuchlichkeit von Abmahnungen”
- „Ich wollte, das Land besäße weniger Rechtsanwälte und mehr Ingenieure“
- Achtung: Missbräuchliche Abmahnungen zu „Statt-Preisen“ im Umlauf
- Der “fliegende” Gerichtsstand beim Internethandel
- OLG Hamm bestätigt Rechtsmissbrauch von Abmahnung
- OLG Hamm entscheidet gleich zweimal: Abmahnung rechtsmissbräuchlich
- Massenabmahner verliert erneut vor dem OLG Hamm
- OLG Brandenburg zum Rechtsmissbrauch bei Abmahnungen
Tatsache ist: Im deutschen Internethandel geht es zu wie im Wilden Westen, geschossen wird mit Paragraphen. Das Instrument der Abmahnung ist zu einer Art Selbstjustiz verkommen. Niemand kann mir erzählen, dass er einen Konkurrenten wegen eines Verstoßes gegen die Impressumspflicht oder wegen der Angabe einer Telefonnummer in der Widerufsbelehrung aus Furcht vor Nachteilen im Wettbewerb abgemahnt hat.
Solche Abmahnungen haben normalerweise einzig und allein den Hintergrund die Konkurrenz gezielt zu schädigen oder einzuschüchtern – in der Regel kleinere Unternehmen. Die Abmahnung dient hier nicht mehr dazu schwerwiegende Wettbewerbsverstöße abzuwehren um sein eigenes Unternehmen zu schützen sondern wird als Waffe eingesetzt um andere Unternehmen gezielt zu schädigen. Unter Ausnutzung von unklaren Rechtslagen und des fliegenden Gerichtstandes. Die Abmahnung war früher eine Defensivwaffe im Wettbewerbsrecht wird heute aber fast ausschließlich als Offensivwaffe im Kampf um Marktanteile eingesetzt.
Die zweite Variante ist der Anwalt der in Gewinnerzielungsabsicht mit einer Art Generalvollmacht handelt und eigenständig nach beliebigen Wettbewerbsverstößen sucht um sich zu bereichern.
Ich frage mich, wann der erste Internetshop wegen Rechtschreibfehlern abgemahnt wird. Schließlich verschafft er sich durch den Verzicht auf eine ordnungsgemäße Ortographie und Rechtschreibprüfung einen Wettbewerbsvorteil. Ich wette in Hamburg käme man mit so einer Abmahnung durch.
Es ist ja nächste Woche Wahl und da kann die SPD ja ruhig mal wieder die Lufthoheit über die Online-Händler-Stammtische erobern.
Ich bin auch schon ganz gespannt, wann der erste Shop wegen Rechtsschreibfehlern abgemahnt wird…
Ansonsten in dem Zusammenhang lesenswert:
http://www.internet-law.de/2010/04/zypries-empfiehlt-anwaltliche-abmahnungen-einfach-in-den-papierkorb.html
“Abmahnungen sollen eigentlich für einen fairen Wettbewerb sorgen,…”
Schöner Ansatz, jedoch sorgen Abmahnungen nur für Terror und Angst unter Shopbetreibern. Mich hat zum Glück noch nie Abmahnung getroffen, aber schon das ich das jetzt schreibe sorgt für Angst bei mir, das mir gerade deswegen jetzt einer eine Abmahnung reinwürgt…weils einfach möglich ist…grundlos oder wegen Lappalien. Das Abmahnsystem ist krank und gehört abgeschafft, der unfaire Wettbewerb findet ganz woanders statt und nicht bei Impressumsfehlern oder “Unfreie Sendungen werden nicht angenommen” Floskeln…
@Warning: Starker Link, da ist man ein bisschen Fassungslos ob soviel Fachkompetenz unserer Ex-Justizministerin.
@dunkelwelt
…
Ich habe natürlich auch Angst vor den ganzen Abmahnungen wegen Rechtsschreibfehlern, falsch gesetzten Kommatas und diese ganzen Impressumsverstössen. Was kann ich denn dafür, dass ich es bis heute nicht schaffe meinen Vornamen auszuschreiben. Und mit der Angabe meiner vollständigen UStId. bin ich auch hoffnungslos überfordert – so viele Zahlen hintereinander – da muss man doch einfach durcheinanderkommen.
Und wenn ich jetzt nur an den 11.Juni denke – uiuiui – wie war das noch mal mit diesem Copy-and-Paste? Und hoffentlich hat sich der Gesetzgeber nicht vertippt beim Gesetzestext, sonst wird mir der Tippfehler auch schon wieder abgemahnt. Und dann habe ich wieder eine “existenzbedrohende” Anwaltsrechnung i.H.v. 800 € im Briefkasten.
Zur Not kann man dann ja immer noch den Abmahner wegen Lapalien abmahnen. Z.B. weil er seine Schuhgröße nicht angegeben hat oder mir die Shop-Hintergrundfarbe nicht gefällt. Vor dem LG Hamburg kommt man mit solchen Sachen sicher durch.
Ich habe zwar noch nie eine Abmahnung selber bekommen – aber man liest ja im Internet so viel davon. Und dann muss da ja was dran sein – wenn die alle das so schreiben. Also plappern wird das alles mal schön nach…
(Anm. d. Red. Artikel wurde gekürzt)
@Warning:
…
Es hat nichts damit zu tun, ob jemand seinen Vornamen im Impressum nicht ausschreibt oder sonstewas, sondern das solche Lappalien überhaupt finanziell geahndet werden können. Nachplappern hin oder her, hier liest man genug zum Thema Abmahnungen und etliche Mitbewerber von mir hat es schon getroffen, zu recht oder zu unrecht weiß ich nicht, jedoch kamen diese Abmahnungen von einem weitern Mitbewerber, dessen Shop wohl nicht sogut lief und der sich aus Frust darüber mit Abmahnungen ein Zubrot verdiente. Nun ja, da ich bisher noch keine Abmahnung erhalten habe, scheine ich meine (Krämer)Shops ja wenigstens sauber zu führen und es macht micht stolz in der Lage zu sein, meinen Vornamen ausschreiben zu können. Aber wer weiß…der nächste Rechtschreibfehler wird kommen…
(Anm. d. Red. Artikel wurde gekürzt)
Man muss auch mal diese Studie auf die sich die SPD beruft mal genauer anschauen:
1. Platz der Abmahngründe im Jahre 2009 (ZWEITAUSENDNEUN!!)
Zwei Wochen Widerrufsfrist bei Ebay – Halloooo! Im Jahre 2009!? Geht`s noch? Irgendjemand irgendetwas nicht mitbekommen?
2. + 3. Platz
Marken und Urheberrechtsverletzungen – Tja, was soll man dazu sagen? Außer: Selber schuld und Abmahnung wahrscheinlich völlig zu Recht kassiert!
4. Platz
Impressumsfehler – Ja es ist schon schwierig ein ordnungsgemäßes Impressum hinzubekommen. Da braucht man schon ein juristisches Studium für, um seinen Vornamen und Namen, seine Postanschrift, die Telefon-Nr., die Email-Adresse und USt.Id.-Nr. richtig abzutippen.
Mal ein kurzes Zwischenfazit: Bereits die ersten 4 Plätze belegen über 40 % der Abmahnungen. Alles Dinge die sich nun wirklich sehr einfach vermeiden lassen…
Wenn man dann noch mal die ganzen Abmahnungen im Dunstkreis der Widerrufsbelehrung rausnimmt, wo sich die Problematik ja jetzt schon entschärft hat bzw. die sich durch etwas Recherche leicht ausschalten lassen bzw. sich ab dem 11.Juni noch weiter entschärfen werden, so hat man das ganze “Abmahnungsunwesen” um wahrscheinlich 2/3 reduziert. Wobei man dann bei dem restlichen 1/3 auch noch mal gucken kann, ob da nicht auch berechtigte Abmahnungsgründe dabei sin.
@dunkelwelt
Es ist gottseidank in Deutschland nicht verboten, mit der Dummheit anderer Menschen Geld zu verdienen. Wer als Online-Händler es nicht schafft ein ordnungsgemäßes Impressum, die Umstellung von 2 Wochen auf 1 Monat bei Ebay im Jahr 2009, Telefon-Nr. in der WRB und die ganzen anderen Lapalien hinzubekommen, den darf man mit Fug und Recht als Dumm bezeichnen. Warum soll der Gesetzgeber die Dummen in unserer Gesellschaft schützen?
Wer heutzutage immer noch meint, er könne mal ebenso mit “rechter Maustaste – speichern unter” Bilder zu klauen oder durch den Verkauf von Plagiaten sich einen Vorteil zu verschaffen – der ist schon nicht mehr dumm sondern schon kriminell. Das sind dann auch schon keine Lapalien mehr.
Ach so, noch ein wichtiger Aspekt, den ich schon anderswo auf dieser Seite angeführt hatte :
Die RA-Gebührenordnung gilt “eigentlich” nur für Prozessuales, aber die Abmahnung ist vorprozessual, das RA-Honorar dort aber ist frei aushandelbar. Also müsste eigentlich das Abmahn-Opfer argumentieren können, Gebühren nach der Gebührenordnung seien unangemessen hoch, denn der Arbeitsaufwand des RA für die Abmahnung incl. Empfang des Abmahnenden und Konzipieren des Abmahnschreibens dürfte in den meisten Fällen kaum 45 min. überschreiten. 1 RA-Stunde aber müsste mit 125 euro DICKE bezahlt sein, stattdessen erhalten – und bezahlen – Sie eine Rechnung in vierstelliger Höhe.
Die Seitenbetreiber hier, da RA’s, sollten auf diesen Aspekten einmal eingehen, tun das aber nicht, da RA’s – sie tanzen auf zwei Hochzeiten gleichzeitig, daher erhalten Sie hier keine echte Hilfe.
@Anwälte nein Danke:
Auf den Vorwurf möchte ich gerne eingehen: Es ist falsch, dass das RVG (Rechtsanwaltsvergütungsgesetz) nur für prozessuale Maßnahmen gilt. Das RVG regelt die Vergütung von Rechtsanwälten im Allgemeinen, so heißt es in § 1 Abs. 1 Satz 1 RVG: “Die Vergütung (Gebühren und Auslagen) für anwaltliche Tätigkeiten der Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte bemisst sich nach diesem Gesetz.”
Und zum anderen: Außer Dr. Föhlisch ist keiner der Autoren hier Rechtsanwalt, sodass wir nicht “auf 2 Hochzeiten tanzen”. Dass wir im Blog keine Hilfe in Bezug auf konkrete Abmahnungen geben können, liegt an den bestehenden Gesetzen. Das Rechtsdienstleistungsgesetz verbietet uns eine Rechtsberatung.
@anwälte neine danke
Sie können ja mit den abmahnenden Anwalt durchaus probieren zu verhandeln…
Ansonsten: Wenn Sie eine Abmahnung erhalten haben, die eine vierstellige Anwaltsrechnung nach sich zieht, dann haben Sie aber schon ordentlich was verbockt. Da kommt dann ein Rechtsanwalt auch nicht mehr mit 1 Stunde Arbeitsaufwand klar. Und einen im Wettbewerbsrecht versierter Anwalt bekommen Sie auch nicht für einen Stundensatz von 150 €…
Ich wurde auch erst im Februar wie ich meine zu unrecht abgemahnt
[Anm. d. Red.: Ein hier eingefügter Link wurde entfernt, da wir nicht prüfen können, ob die Abmahnung tatsächlich zu Unrecht erfolgte oder nicht.]
Da muß endlich mal Abhilfe geschafft werden. Es werden ja immer die Kleinen rausgesucht, da die oft nicht das Geld und den Mut haben sich zu wehren.
Und wenn sich der Abmahnende auch noch das Gericht aussuchen kann, dann ist für den Abgemahnten eh weitere Wehr für die Katz.
Ich kann Euch nur eins raten. Geht an die Öffentlichkeit, so das es auch der letzte mitbekommt, was hier in DE abgeht
Nur so kommen Firmen und Anwälte, die gerne mal aus welchen Gründen (meistens aber Geldgier) auch immer abahnen ans Tageslicht und sind dann eben auch mal anders im Rampenlicht. Ist der Ruf von solchen Anwälten und Firmen erst einmal hin, hilft es warscheinlich mehr als jedes Gesetz.
@anett
Jaja – immer diese zu unrecht ausgesprochenen Abmahnungen. Und dann immer auch auf die kleinen Wohnzimmer-Händler, die gerade versuchen über Dumpingpreise überhaupt in den Markt zu kommen. Möglichst natürlich ohne Investitionen, ohne Risiko, am liebsten Dropshipping, denn wenn das nicht funktioniert, dann kann man ja immer noch wieder aufhören. Gut, dass man in den paar Wochen in denen man das (bis zur ersten Abmahnung) durchgehalten hat, das Preisgefüge zerstört hat, interessiert ja nicht. Der Online-Handel ist dafür ja geradezu ein Eldorado. Nirgendwo sonst kann man mit minimalem Aufwand so leicht Geld verdienen. Obwohl gerade die kleinen Wohnzimmerhändler machen dass meist eh nur aus Hobby – in den seltesten Fällen aus Geldgier – nein Geldgier ist Online-Händlern ohnehin völlig fremd.
Hier ist tatsächlich der Gesetzgeber gefordert, der auch den letzten, den kleinsten und vor allem dem dümmsten aller anzunehmenden Shopbetreiber schützen muss…
Die Antwort liegt vor:
http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/17/015/1701585.pdf