Vor kurzer Zeit berichteten wir aus der mündlichen Verhandlung des OLG Hamm, in der es um die Fragen ging, ob die 40-€-Klausel in AGB separat vereinbart werden muss und ob das Öffnen einer Cellophanhülle eine Entsiegelung darstellt, das zum Ausschluss des Widerrufsrechts führt. Das Gericht bejahte die erste und verneinte die zweite Frage. Dieses Urteil liegt nun im Volltext vor.
Die Notwendigkeit der separaten Vereinbarung der 40-Euro-Klausel in AGB begründet der Senat sein Urteil vom 30.03.2010, Az: 4 U 212/09, wie folgt:
"Die Antragsgegnerin hat gegen ihre vorvertraglichen Informationspflichten nach § 312 c Abs. 1 S. 1 BGB nach der Rechtsprechung des Senats zunächst deshalb verstoßen, weil sie teilweise unrichtig über die sich nach § 357 Abs. 2 BGB ergebenden Folgen des bei Fernabsatzgeschäften nach § 312 d Abs. 1 BGB bestehende Widerrufsrechts des Käufers informiert hat."
Die Antragsgegnerin hat die Verbraucher in ihrer Widerrufsbelehrung darüber informiert, dass diese verpflichtet seien, die Kosten der Rücksendung zu tragen, wenn die gelieferte Ware der bestellten entspricht und wenn der Preis der zurückzusendenden Sache einen Betrag von 40 Euro nicht übersteigt.
Nach § 357 Abs. 2 Satz 3 1. Alt. BGB dürfen dem Verbraucher aber die regelmäßigen Kosten der Rücksendung in diesem begrenzten Umfang nur vertraglich auferlegt werden.
Da eine die Überwälzung der Kosten begründende Vereinbarung der Parteien hier nicht vorliege, sei diese Widerrufsbelehrung unrichtig, so der Senat. Die Kosten der Rücksendung müsse auch in diesem Fall der Unternehmer tragen.
"Es gibt nämlich über die bloße Erwähnung der Rechtsfolge in der Widerrufsbelehrung im Rahmen der Allgemeinen Geschäftsbedingungen keine vertragliche Regelung über die Kostentragung des Käufers bei einem Warenwert von bis zu 40 Euro. Dem Text der Belehrung über das Widerrufsrecht kommt als solchem die Qualität einer Vereinbarung der Parteien nicht zu.
Für eine Vereinbarung der Kostenüberwälzung mag zwar eine entsprechende Klausel in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Verwenders genügen. Diese muss dort aber gesondert erfolgen und kann nicht in der Belehrung über die Widerrufsfolgen gesehen werden.
Mit der Belehrung erfülle der Unternehmer lediglich seine Informationspflichten. Sie besitze deshalb einen einseitigen Charakter und beanspruche gerade nicht, Vertragsbestandteil zu sein. Dem entspricht es, dass der Verbraucher in solchen Widerrufsbelehrungen, mit denen er die Aufklärung über gesetzlich vorgegebene Rechte und Folgen verbindet, kein einseitiges Vertragsangebot zu seinem Nachteil erwartet.
"Er könnte die Widerrufsbelehrung als solche auch nicht streichen.
Das berücksichtigt das Landgericht Frankfurt in seiner Entscheidung nicht genügend. An der fehlenden Eignung der Widerrufsbelehrung, eine vertragliche Kostenüberwälzung zu begründen, ändert es auch nichts, wenn eine solche Widerrufsbelehrung in sich abgeschlossen in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen untergebracht wird (vgl. Senat, Urt. v. 2.3.2010 –4 U 180/09; OLG Stuttgart, Urt. v. 10.12.2009 –2 U 51/09). Dieser Lösung entspricht es auch, dass in dem Gestaltungshinweis Nr. 8 zur Musterwiderrufsbelehrung die hier beanstandete Fassung der Widerrufsbelehrung ausdrücklich nur für den Fall empfohlen wird, dass zunächst eine Übernahme der Rücksendekosten im zulässigen Umfang vereinbart worden ist."
Die Klausel
"Das Widerrufsrecht besteht nicht bei Lieferungen von ... Software, sofern die gelieferten Datenträger von ihnen entsiegelt worden sind (z.B. Software-CDs, bei denen die Cellophanhülle geöffnet wurde)."
sah das Gericht mit folgender Begründung als wettbewerbswidrig an:
"Ein Gesetzesverstoß liegt auch im Hinblick auf die Belehrung über den Ausschluss des Widerrufsrechts vor. Zwar hat die Antragsgegnerin noch zutreffend darüber informiert, dass beim Kauf von Software das Widerrufsrecht ausgeschlossen ist, sofern die gelieferten Datenträger vom Verbraucher entsiegelt worden sind.
Das entspricht der gesetzlichen Regelung in § 312 d Abs. 4 Nr. 2 BGB. Dieser Hinweis auf die Grenzen des Widerrufsrechts ist hier aber deshalb nicht mehr klar und verständlich erfolgt, weil die Antragsgegnerin als Beispielsfall einer solchen Entsiegelung die Öffnung einer Cellophanhülle bei einer Software-CD angegeben hat."
Wie die Antragsgegnerin selbst vorgetragen hat, fielen ohnehin nicht alle solche Datenträger unter die Ausnahmeregelung des § 312 d Abs. 4 Nr. 2 BGB. So gelte die Vorschrift nicht, wenn so verpackte Software als eine Treiber-CD dazu dient, etwa mitgekaufte Hardware in Betrieb zu nehmen und auf ihre Funktionsfähigkeit zu prüfen. Wird in Bezug auf die Hardware dann ein Widerrufsrecht ausgeübt, kann selbstverständlich die geöffnete Software gleichfalls zurückgegeben werden.
"Entscheidend ist aber, dass eine solche Entsiegelung schon begrifflich voraussetzt, dass eine Verpackung, die der Verbraucher öffnet, auch als Versiegelung erkennbar ist.
Diese Versiegelung soll dem Verbraucher deutlich machen, dass er die Ware behalten muss, wenn er diese spezielle Verpackung öffnet. Auch wenn ein ausdrückliches als solches bezeichnetes Siegel nicht erforderlich sein mag, genügt die übliche Verpackung solcher Ware mit Kunststofffolie, die auch andere Zwecke wie den Schutz vor Verschmutzung erfüllen kann, insoweit ohne jede Warnung nicht."
Deshalb stelle auch das Öffnen einer Cellophanhülle, in der die gelieferten Datenträger verpackt sind, in den Augen des Verkehrs keine solche Entsiegelung dar, weil dieser Verpackung die Prüf-und Besinnungsfunktion fehle.
Das habe das Landgericht schon zutreffend ausgeführt. Dabei könne auch nicht entscheidend sein, ob der Käufer nach dem Entschluss zum Widerruf in der Lage ist, die Ware wieder in gleicher Weise zu verpacken oder nicht, weil er sie nicht mit Folie einschweißen kann.
Meine Meinung zu diesem Urteil hat sich auch nach Vorliegen der Begründung nicht geändert. Zu der 40-EUR-Klausel habe ich mich bereits an anderer Stelle ausführlich geäußert. Weitere Argumente und Positionen zur Cellophanhüllen-Thematik können Sie ausführlich hier nachlesen. An dieser Stelle sei noch einmal Folgendes zusammengefasst:
Es ist schlimm, dass die Richter mit so schwachen und widersprüchlichen Argumenten ein so weit reichendes Thema entscheiden, ohne auch nur ansatzweise den Zweck der gesetzlichen Regelung (Schutz vor Raubkopien) zu hinterfragen, geschweige denn die vorhandene Literatur und Rechtsprechung auszuwerten.
Die Industrie wird ein so wenig überzeugendes Urteil sicherlich nicht zum Anlass nehmen, sämtliche Datenträger mit Warnhinweisen zu versehen. Und selbst wenn die Händler nun dem OLG Hamm folgen und nachetikettieren, ist damit die Frage, wie die Belehrung nun aussehen muss, immer noch nicht beantwortet. Solch willkürliche Fehlurteile sind eine Katastrophe für den Onlinehandel.
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