Damit es für Onlinehändler nicht langweilig wird, entwickelt sich nun ein uraltes Thema zur neuen Abmahnfalle. Ebenso wie das OLG Hamburg entschieden binnen kürzester Zeit die Oberlandesgerichte Hamm, Koblenz und Stuttgart, dass die "40-Euro-Klausel" zwingend doppelt verwendet werden muss, auch wenn die Widerrufsbelehrung inklusive dieser Klausel Bestandteil der AGB ist.
Lesen Sie hier, wie Sie sich vor der neuen Abmahnwelle schützen können.
Obwohl Onlinehändler gerade noch das BGH-Urteil zur Aktualität von Preissuchmaschinen verdauen müssen, gibt es schon wieder ein neues Thema, das für Aufregung sorgt: Nach dem Beschluss des OLG Hamburg v. 17.02.2010 (Az: 5 W 10/10) wurden jetzt weitere Entscheidungen bekannt, die eine doppelte Erwähnung der 40-Euro-Klausel verlangen: Das OLG Hamm, OLG Koblenz und OLG Stuttgart entschieden ebenfalls, dass der Verbraucher gleich zweimal mit einem Text beglückt werden muss, den er ohnehin kaum verstehen kann.
Das OLG Hamm (Urteil v. 02.03.2010, Az: 4 U 180/09) hatte über die Berufung gegen ein Urteil des LG Bochum zu entscheiden und wies diese zurück. Der Antragsgegner hatte seine Widerrufsbelehrung in seine AGB integriert und in dem Absatz "Widerrufsfolgen" auch die 40-Euro-Klausel aufgenommen. Das Gericht ist der Meinung, dass diese Belehrung falsch sei, da es an der notwenigen vertraglichen Vereinbarung über die Kostentragung des Käufers bei Ausübung des Widerrufsrechtes fehle:
"Die Übertragung der Rücksendekosten auf den Käufer in der beanstandeten Belehrung ist nicht richtig, weil eine diese Rechtsfolge begründende Vereinbarung nicht vorliegt. Über die bloße Widerrufsbelehrung (überdies in den AGB) hinaus gibt es keine vertragliche Regelung über die Kostentragung des Käufers bei einem Warenwert von bis zu 40,- €, sondern eben nur einen Hinweis im Rahmen des Belehrungstexts, dem die Qualität einer entsprechenden Vereinbarung nicht zukommt."
Die Richter des 4. Zivilsenates des OLG Hamm entschieden weiter, dass eine Wiederholung dieser Klausel keine bloße Förmelei sei:
"Die Notwendigkeit einer solchen Vereinbarung stellt entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin auch keineswegs nur eine bloße Förmelei dar, da die geforderte Vereinbarung, wenn sie im Wege von Allgemeinen Geschäftsbedingungen erfolgt, gerade auch den gesetzlichen Wirksamkeitserfordernissen gemäß den §§ 305 ff. BGB unterliegt, die nicht umgangen werden können und sollen."
Das OLG entschied weiter, dass der Inhalt der Widerrufsbelehrung keine Vereinbarung darstelle, selbst wenn die Belehrung Bestandteil der AGB ist:
"Nach § 357 II 3 BGB dürfen, wenn nach § 312 d I 1 BGB im Rahmen des Fernabsatzes ein Widerrufsrecht besteht, dem Verbraucher die Kosten der Rücksendung vertraglich u.a. auferlegt werden, wenn die zurückzusendende Sache einen Betrag von 40,- € nicht übersteigt. Für eine (vorherige) Vereinbarung in diesem Sinne mag zwar eine entsprechende Klausel in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Verwenders genügen. Indes wird allein der Inhalt der vorliegenden Widerrufsbelehrung diesen Anforderungen nicht gerecht."
Im Übrigen entschied der Senat, dass die Widerrufsbelehrung nicht Bestandteil des Bestellprozesses sei und daher nicht Vertragsbestandteil werde:
"Die nötige Vereinbarung kann, wie vom Senat auch bereits entschieden, nicht nur im Rahmen der Belehrung über die Widerrufsfolgen geschehen, da die Belehrung einseitigen Charakter besitzt, nicht zum eigentlichen Bestellvorgang gehört und insofern nicht zugleich beansprucht, selbst Vertragsbestandteil zu sein. [...]
Die Kostentragungspflicht der Kunden ist von daher nicht allein durch die Widerrufsbelehrung in den AGB der Antragsgegnerin wirksam vereinbart. Anderes wäre insofern auch überraschend und potentiell irreführend, weil der Eindruck entstehen kann, dass die Tragung der Kosten wiederum auch gesetzliche Folge des Widerrufs ist, zumal es dann am Ende der gerügten Klausel nach Ziff. 4.3 noch heißt: "Ende der Widerrufsbelehrung".
Diese infolge fehlender Vereinbarung falsche Belehrung wird auch nicht dadurch richtig, dass später nach der Bestellung eine Bestelleingangsbestätigung per E-Mail mit einer solchen Belehrung erfolgt. Eine vorherige Vereinbarung hierüber gibt es immer noch nicht."
Diese Ansicht verwundert, da die Widerrufsbelehrung nach § 312c Abs. 1 BGB zwingend mindestens als "sprechender Link" in den Bestellablauf eingebunden werden muss, ebenso wie ein Link auf die AGB.
Schließlich stellt der Senat klar, dass er in diesem Verstoß keine Bagatelle erkennen könne:
"Ein bloßer Bagatellverstoß kann nicht angenommen werden, und zwar schon deshalb, weil das Gericht die vom Gesetz geforderte Vereinbarung über die Kostenüberwälzung nicht über den Weg einer Bagatelle wieder streichen kann. Überdies berührt die Übertragung dieser Kosten auf den Verbraucher ohne eine diesbezügliche Vereinbarung seine Interessen auch nicht nur unwesentlich. In der Widerrufsbelehrung muss er die Kostenabwälzung nicht suchen und finden. Insofern ist eine solche - unzulässige - Kostenabwälzung auf den Kunden letztlich auch geeignet, den Wettbewerb zwischen den Wettbewerbern zu beeinträchtigen."
Das OLG Koblenz (Beschluss v. 08.03.2010, Az: 9 U 1283/09) hatte sich mit der gleichen Frage wie das OLG Hamm zu beschäftigen und kam zum gleichen Ergebnis: Die bloße Aufnahme der 40-Euro-Klausel in die Widerrufsbelehrung stelle keine vertragliche Vereinbarung dar, selbst wenn die Widerrufsbelehrung ihrerseits Bestandteil der AGB ist:
"Die Klausel, die die Kosten der Rücksendung betrifft, verstößt ebenfalls gegen § 4 Nr. 11 UWG, da es an einer vertraglichen Vereinbarung über die Kostenpflicht im Sinne des § 357 Abs. 2 S. 3 BGB fehlt. Die Belehrung über die Widerrufsfolgen stellt keine vertragliche Vereinbarung im Sinne dieser Vorschrift dar, sondern bezieht sich auf die gesetzlichen Folgen des Widerrufs.
Die formale Einbeziehung der Widerrufsbelehrung in Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Verfügungsbeklagten ändert an dieser Beurteilung nichts. § 312c Abs. 2 BGB unterscheidet zwischen den Allgemeinen Geschäftsbedingungen und den in der Rechtsverordnung nach Artikel 240 des EGBGB bestimmten Informationen, zu denen auch die Belehrung über die Widerrufsfolgen gehört. Eine vertragliche Vereinbarung läge nur dann vor, wenn sich die Klausel außerhalb der Belehrung über die Widerrufsfolgen befände."
Auch das OLG Koblenz sah in diesem Verstoß keine Bagatelle, da die Entscheidungsfreiheit des Verbrauchers angeblich massiv beeinträchtigt würde.
Bereits am 10.12.2009 entschied das OLG Stuttgart (Az: 2 U 51/09) ebenfalls, dass die 40-Euro-Klausel doppelt verwendet werden muss:
"Der Verbraucher, der die gesetzlichen Vertragsregeln zur Kenntnis nehmen will, wird diese in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen als Zusammenstellung der vom Verwender vorgegebenen Vertragsregeln vermuten. Er wird in Belehrungen, mit denen er die Aufklärung über gesetzlich vorgegebene Rechte und Folgen verbindet, nicht ein einseitiges Vertragsangebot zu seinem Nachteil erwarten."
Die Lösung besteht nach dem Willen der Gerichte also darin, die 40-EUR-Klausel einmal in die Widerrufsbelehrung zu integrieren und noch einmal zusätzlich in die AGB. Denn einerseits müsse die Klausel vereinbart werden, andererseits müsse darüber als Rechtsfolge des Widerrufs informiert bzw. belehrt werden.
Zu beachten ist hierbei, dass dem Kunden nach § 357 Abs. 2 S. 3 BGB nicht die Kosten der Rücksendung generell, sondern nur die regelmäßigen Kosten der Rücksendung auferlegt werden können, was in der Musterbelehrung so (zumindest derzeit) nicht steht. Wer jedoch das Muster ändert, verliert die sog. Privilegierung, d.h. die Rechtssicherheit.
Die 40-EUR-Klausel muss daher also in einer leichten Abwandlung noch einmal in die AGB aufgenommen werden. Das sieht dann so aus:
„Kostentragungsvereinbarung
Machen Sie von Ihrem Widerrufsrecht Gebrauch, haben Sie die regelmäßigen Kosten der Rücksendung zu tragen, wenn die gelieferte Ware der bestellten entspricht und wenn der Preis der zurückzusendenden Sache einen Betrag von 40 Euro nicht übersteigt oder wenn Sie bei einem höheren Preis der Sache zum Zeitpunkt des Widerrufs noch nicht die Gegenleistung oder eine vertraglich vereinbarte Teilzahlung erbracht haben. Anderenfalls ist die Rücksendung für Sie kostenfrei.“
Man kann mit guten Gründen der Ansicht sein, dass die Klausel schon auf Grund ihres verschachtelten Wortlauts gegen das Transparenzgebot verstößt und somit die Tragung der Rücksendkosten überhaupt in keinem Fall wirksam vereinbart werden kann. Unklar ist etwa, ob die Gegenleistung schon mit Leistungshandlung oder erst mit Leistungserfolg erbracht ist und was unter den „regelmäßigen“ Kosten der Rücksendung genau zu verstehen ist. Jedenfalls eine zwangsweise Doppelung wird jeder Verbraucher zu Recht jedoch nicht als Mehrwert, sondern als Schreibfehler empfinden.
Die geplante europäische Verbraucherrechtsrichtlinie sieht vor, dass der Kunde bei Rücksendungen im Rahmen des Widerrufsrechtes immer die Kosten trägt, ohne dass eine Vereinbarung erforderlich wäre. Sollte sich dies durchsetzen, wäre das Problem auf einen Schlag erledigt. Doch ob die Richtlinie kommt, ist noch unklar, denn der deutsche Gesetzgeber möchte an seinem 40-EUR-Blödsinn bislang unbedingt festhalten.
Alle Händler, welche die 40-Euro-Klausel nicht separat in den AGB aufgenommen haben, müssen spätestens jetzt dringend nachbessern, um nicht Opfer der nächsten Abmahnwelle zu werden.