Seit einiger Zeit wird die Frage vor Gerichten ausgetragen, ob es ausreichend ist, die 40-Euro-Klausel in der Widerrufsbelehrung zu verwenden, wenn diese in den AGB enthalten ist, oder ob diese ein zweites Mal (also "doppelt") in AGB aufgeführt werden muss. Nach verschiedenen Landgerichten hat nun erstmals ein OLG entschieden. Leider zu Ungunsten der Händler.
Lesen Sie hier mehr zu der Entscheidung und den Auswirkungen.
Vor kurzer Zeit berichteten wir über die erfreulichen Entscheidungen der LG Frankfurt a.M., LG Dortmund und LG Hamburg, welche es als ausreichend ansahen, wenn die 40-Euro-Klausel Bestandteil der Widerrufsbelehrung ist und nicht noch einmal zusätzlich in den AGB erscheint. Mit der Verwendung in der Widerrufsbelehrung seien die Kosten der Rücksendung vertraglich dem Verbraucher auferlegt (im Rahmen der 40-Euro-Klausel).
Dieser Auffassung erteilte der 5. Zivilsenat des OLG Hamburg (Beschluss v. 17.02.2010, Az: 5 W 10/10) eine Absage und hob die o.g. Entscheidung des LG Hamburg auf.
Der Senat folgt der Ansicht, dass die Auferlegung der Rücksendekosten einer separaten, d.h. "doppelten" vertraglichen Vereinbarung bedarf. Diese könne auch in AGB erfolgen. Allerdings genüge die Aufnahme dieser Klausel in eine Widerrufsbelehrung dieser Anforderung nicht, auch wenn die Belehrung Bestandteil der AGB sei.
Der Senat begründet seine Auffassung damit, dass ein potentieller Vertragspartner die Regelung der Rücksendekosten innerhalb der Widerrufsbelehrung nicht als vertragliche Vereinbarung erkennen würde.
"Denn ein potentieller Vertragspartner kann auch bei sorgfältiger Lektüre dieser Vertragsbestimmung nicht im Sinne von §§ 133, 157 BGB mit der erforderlichen Gewissheit erkennen, dass insoweit überhaupt zwischen den Parteien eine von der gesetzlichen Rechtslage abweichende Vereinbarung getroffen werden soll."
Das Gericht geht davon aus, dass selbst wenn die Aufnahme als vertragliche Vereinbarung angesehen werden soll, die Klausel dann überraschend bzw. unklar i.S.d. §§ 305 BGB sei.
"Selbst für den Fall, dass man von einer wirksamen Einbeziehung ausgehen wollte, wäre die Klausel (bzw. der Kostenbestandteil) jedenfalls gem. § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB wegen eines Verstoßes gegen das Transparenzgebot inhaltlich unwirksam, weil sie dann in ihrem den gesetzlichen Regelfall abändernden Vereinbarungsgehalt zumindest nicht klar und verständlich ist. Hierin liegt eine unangemessene Benachteiligung des Verbrauchers."
Bereits die Formulierung "Sie haben die Kosten der Rücksendung zu tragen, ..." lege dem Verbraucher nahe, dass dies die gesetzliche Rechtslage darstelle. Jedenfalls lege diese Formulierung eine "ausdrücklich abweichende vertragliche Vereinbarung" nicht nahe.
Nach Ansicht des Senats sprechen die Umstände des Falles eher gegen eine vertragliche Vereinbarung.
Weiter spielte die Gestaltung der AGB eine Rolle für die Entscheidung. Die Überschrift zu § 5 der AGB des Antragsgegners hieß "WIDERRUFSRECHT". Alle anderen Überschriften waren normal und nicht komplett in Großbuchstaben geschrieben. Des Weiteren war die Widerrufsbelehrung komplett fett gedruckt, wodurch er sich vom "übrigen Regelungsgefüge" eindeutig abhob.
"Angesichts der Überschrift WIDERRUFSRECHT entnimmt der angesprochene Verbraucher dieser optischen Darstellung naheliegend, die Deutung, dass mit diesem Paragraphen von dem Anbieter das gesetzliche Widerrufsrecht des Verbrauchers zum Bestandteil seiner AGB gemacht worden ist und dieser hierauf - seiner gesetzlichen Verpflichtung entsprechend - besonders hinweist. [...]
Auch hieraus folgt, dass allein der Umstand, dass sich eine Regelung in AGB befindet, jedenfalls dann kein zweifelfreies Indiz für eine Parteivereinbarung ist, wenn diese in eine Klausel eingebunden ist, die den gesetzlichen Belehrungserfordernissen entspricht und mit "WIDERRUFSRECHT" überschrieben ist."
Die angesprochenen Verkehrskreise, wozu sich ausdrücklich auch die Richter des 5. Zivilsenats zählen, würden diesen Passus "zwangsläufig [als] Erfüllung gesetzlicher Belehrungspflichten" verstehen. Nach Ansicht des Senates spricht auch gegen eine vertragliche Vereinbarung, dass an anderer Stelle im Shop eine separate Widerrufsbelehrung verwendet worden ist, die dem § 5 der AGB identisch war.
Der Senat betonte zum Schluss noch einmal:
"Eine derartige vertragliche Regelung, mit der von einem gesetzlichen Regelfall abgewichen werden soll, muss hinreichend klar und eindeutig sein. Daran fehlt es im vorliegenden Fall."
Die Vorschrift im deutschen Recht zur Tragung der Rücksendekosten im Falle des Widerrufsrechtes, nach welcher der Verbraucher die Kosten der Rücksendung bei vertraglicher Vereinbarung abhängig vom Wert der zurückgesendeten Ware zu tragen hat, ist an sich schon ein völlig verkorkster politischer Kompromiss und europaweit einmalig bürokratisch.
Formaljuristisch mögen die Entscheidungsgründe nachvollziebar sein, das Ergebnis ist jedoch absurd. Demnach müsste bei Integration der Widerrufsbelehrung in AGB derselbe Passus zweimal hintereinander auftauchen, einmal unter der Überschrift "Widerrufsfolgen" und einmal unter "Kostentragungsvereinbarung" o.ä., und zwar sinnvollerweise unmittelbar hintereinander in dem Abschnitt zum Thema Widerrufsrecht. Jeder Verbraucher wird dies - zu Recht - nicht als Mehrwert, sondern als Schreibfehler empfinden.
Mit diesem Beschluss vom 5. Zivilsenat liegt nun eine erste OLG-Entscheidung vor, die leider zu Ungunsten der Online-Händler ausgefallen ist. Es bleibt zu hoffen, dass sich andere Gericht dem LG Frankfurt a.M. anschließen, welches entschieden hat:
"Nimmt der Unternehmer in die Widerrufsbelehrung den Text "sie haben die Kosten der Rücksendung zu tragen, wenn..." auf, so ist seine Absicht, dies zum Vertragsbestandteil zu machen, erkennbar und so wird das auch vom Verbraucher, der die juristischen Feinheiten zwischen vorgelagerter vertraglicher Vereinbarung und darauf aufbauender Widerrufsbelehrung nicht auseinander hält, verstanden."
Das OLG Hamburg verkennt, dass der durchschnittliche Verbraucher zwischen „AGB“ einerseits und „Informationen“ andererseits gerade nicht unterscheidet, sondern unter der Bezeichnung „AGB“ sämtliche rechtlichen Informationen typischerweise erwartet und durch eine Doppelung desselben Rechtstextes in demselben Dokument eher verwirrt als aufgeklärt wird. Der Verbraucher ist dadurch auch nicht schlechter gestellt, sondern neben dem Transparenzgebot aus § 312c Abs. 1 BGB zusätzlich durch jenes in § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB geschützt.
Der Unternehmer kann daher fernabsatzrechtliche Informationen nach der hier vertretenen Ansicht auch in AGB erteilen und damit zugleich die fernabsatzrechtliche Informationspflicht erfüllen und Vereinbarungen treffen, soweit die Informationspflichten Doppelnatur haben. Das Erfordernis einer ausdrücklichen Bezeichnung z.B. von Versandkosten oder Vertragsschlussregelungen als „Vereinbarung“ wäre reine Förmelei und würde die Erfüllung der ohnehin schon ausufernden Informationspflichten noch zusätzlich erschweren.
Es dient gerade dem Verbraucherschutz, wenn möglichst viele Pflichtinformationen auf einer Seite gebündelt werden, die der Verbraucher leicht speichern und ausdrucken kann. Eine solche Seite kann später auch zur texformgebundenen Mitteilung eingesetzt werden, was gemäß § 1 Abs. 4 Satz 3 BGB-InfoV bei Berücksichtigung der weiteren Hervorhebungserfordernisse ausdrücklich möglich ist.
Gleichwohl sollte derjenige, der Abmahnungen vermeiden will, sich nun unbedingt an die Vorgaben des OLG Hamburg halten und einen doppelten Text verwenden, wie wir ihn z.B. seit Mai 2009 im Trusted Shops Praxishandbuch vorschlagen.
Am 30.03.2010 findet vor dem OLG Hamm (I-4 U 212/09) die mündliche Verhandlung zu einem Berufungsverfahren statt, in dem es um die gleiche Frage geht: "Reicht es aus, die Widerrufsbelehrung in die AGB zu integrieren, um die Tragung der Rücksendekosten dem Verbraucher vertraglich aufzuerlegen?" Wir werden berichten. (cf)