Für einen Händler ist die Abgrenzung, ob der Kunde Unternehmer oder Verbraucher ist, nicht immer einfach. Allein die Lieferung an eine Firmenadresse ist kein Indiz. Der BGH entschied im Herbst 2009, wann von einer Verbrauchereigenschaft des Kunden auszugehen ist. Nun liegt auch die Begründung des Urteils vor.
Lesen Sie unseren Kommentar zu dieser Grundsatzentscheidung des BGH.
Der Bundesgerichtshof entschied mit Urteil v. 30.09.2009 – Az.: VIII ZR 7/09 (wir berichteten)
Schließt eine natürliche Person ein Rechtsgeschäft objektiv zu einem Zweck ab, der weder ihrer gewerblichen noch ihrer selbständigen beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden kann, so kommt eine Zurechnung entgegen dem mit dem rechtsgeschäftlichen Handeln objektiv verfolgten Zweck nur dann in Betracht, wenn die dem Vertragspartner erkennbaren Umstände eindeutig und zweifelsfrei darauf hinweisen, dass die natürliche Person in Verfolgung ihrer gewerblichen oder selbständigen beruflichen Tätigkeit handelt.
Nun liegt die Entscheidung im Volltext vor.
Einstufung bei “Dual Use” Produkten
Besonders problematisch für viele Shopbetreiber ist die Einstufung von Kunden als Verbraucher oder Unternehmer bei sog. “Dual Use” Produkten. Es stellt sich z.B. die Frage, welcher Zweck vorliegt, wenn sich eine Designerin eine Lampe in ihr Loft liefern lässt, welches als Wohnung und Atelier gleichzeitig dient.
Der EuGH hat in einer Entscheidung zum Verbrauchergerichtsstand darauf abgestellt, ob der beruflich-gewerbliche Zweck derart nebensächlich ist, dass er im Gesamtzusammenhang des betreffenden Geschäfts nur eine ganz untergeordnete Rolle spielt.
Bisherige Ansichten
In der deutschen Literatur und Rechtsprechung wird auch teilweise das Handeln eines Gewerbetreibenden als Verbraucherhandeln bejaht, wenn atypische oder branchenfremde Nebengeschäfte abgeschlossen werden.
Daneben wird aber auch vertreten, dass bei Bestellungen von Gewerbetreibenden stets von unternehmerischen Handeln auszugehen sei. In dem vom BGH entschiedenen Fall wurde aber der private Zweck der Bestellung durch Zeugenaussagen nachgewiesen.
Erkennbarkeit des Vertragszwecks erforderlich?
Wie oben bereits erwähnt, ist es für den Shopbetreiber oft schwer, den Zweck einer Bestellung zu erkennen. Die Frage ist aber, ob darauf überhaupt abgestellt werden kann. Eine Ansicht stellt auf den rein objektiven Zweck ab, eine andere Ansicht meint, es komme auf den Empfängerhorizont des Unternehmers an.
Der Vertragszweck des Käufers müsse zumindest aus den sonstigen Umständen erkennbar sein. So ist die Zahlungsabwicklung über ein Firmenkonto ein starkes Indiz für gewerbliches Handeln. Dagegen ist die Lieferung an eine Firmenadresse nicht so aussagekräftig, da diese Möglichkeit oft genutzt wird, wenn tagsüber niemand an der Privatanschrift erreichbar ist, der die Lieferung entgegen nehmen könnte.
BGH: Im Zweifel bestellt ein Verbraucher
Der BGH entschied nun, dass grundsätzlich von Verbraucherhandeln auszugehen sei. Der Verbraucher trage zwar die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass nach dem von ihm objektiv verfolgten Zweck ein privates Geschäft vorliegt, aus der negativen Formulierung des § 13 BGB folge jedoch, dass rechtsgeschäftliches Handeln einer natürlichen Person grundsätzlich als Verbraucherhandeln anzusehen sei.
Etwas anderes könne nur dann angenommen werden, wenn die konkreten Umstände eindeutig und zweifelsfrei auf die Verfolgung einer gewerblichen oder selbständigen beruflichen Tätigkeit hinweisen.
Welche Rolle spielt die Kanzleianschrift?
Die Angabe „Kanzlei Dr. B.“ verbunden mit dem hiervon abweichenden Namen der Klägerin als Rechnungsadresse sagt nach Ansicht des BGH aus der verständigen Sicht der Vertragspartners nicht eindeutig, ob es sich bei der Klägerin um eine dort tätige Rechtsanwältin oder um eine angestellte Kanzleimitarbeiterin handelt, so dass daraus ein gewerblicher Zweck nicht zweifelsfrei geschlossen werden könne.
Der Fall dürfte jedoch anders liegen, wenn der Käufer per Vorkasse über ein Geschäftskonto zahlt oder im Zuge der Korrespondenz mit dem Verkäufer gezielt eine geschäftliche E-Mail-Adresse mit Firmen-Signatur verwendet. Leider lässt der BGH aber offen, wann die „eindeutigen und zweifelsfreien“ Begleitumstände, die zur Verneinung der Verbrauchereigenschaft führen, anzunehmen wären.
Bewertung
Die Ansicht dass ein rechtsgeschäftliches Handeln einer natürlichen Person grundsätzlich als Verbraucherhandeln anzusehen sei, erscheint mit Blick auf die Rechtsprechung des EuGH zum Verbraucherschutz im Fernabsatz gemeinschaftsrechtlich geboten.
Nicht ganz stimmig ist die Entscheidung des BGH allerdings deswegen, weil einerseits die Beweislast für den privaten Zweck beim Verbraucher verbleiben soll, andererseits Unsicherheiten und Zweifel nicht zu Lasten des Verbrauchers gehen sollen.
Im Ergebnis läuft dies auf eine Beweislastumkehr hinaus, obwohl der Wortlaut des § 13 BGB nicht die hierfür typischen Formulierungen verwendet.
Problematisch ist die Sichtweise des BGH auch insofern, als sie den allgemeinen Auslegungsregeln widerspricht, dass bei empfangsbedürftigen Willenserklärungen nicht der empirische Wille des Erklärenden, sondern der durch normative Auslegung zu ermittelnde objektive Erklärungsgehalt aus Sicht des Erklärungsempfängers entscheidend ist.
Unser Tipp für Shopbetreiber
Um Widerrufe von gewerblichen Bestellern zu vermeiden, machen in der Praxis Checkboxen im Bestellablauf Sinn, mit deren Hilfe dem Kunden obligatorisch und eindeutig die Information abverlangt wird, ob er als Verbraucher oder zu gewerblichen Zwecken bestellt.
Zweifellos von einer gewerblichen Bestellung kann der Unternehmer ausgehen, wenn er einen registrierungspflichtigen B2B-Shop verwendet und im Zuge der Anmeldung einen Gewerbenachweis prüft.
Eindeutig keine für die Erwerber transparente und klare Beschränkung des Angebots liegt hingegen vor, wenn ein Hinweis „Wir verkaufen ausschließlich an Gewerbetreibende“ in einer AGB-Klausel unter „Garantie“ versteckt ist. (cf)
So eine Checkbox “Ich bestelle als Firma” bringt rein garnichts, denn wer hakt eine solche bitte freiwillig an? Ehrlichkeit ist wie so oft leider auch hier nicht zu erwarten.
Im Zweifel für den Verbraucher bedeutet also: eine Firma bestellt auf Firmenadresse und bezahlt über Firmenkonto ( will also die Rechnung steuerlich in der Firma absetzen) , aber wenn die Ware falsch bestellt wurde oder doch nicht mehr gebraucht wird, kann einfach behauptet werden, daß derjenige als Privatperson bestellt hat. Diese Behauptung zu widerlegen ist für einen Händler schwierig, also nimmt man die Rücksendung an. Da ist sie wieder, die Traumwelt Internet. Wir sind zwar bei Rücknahmen immer sehr kulant, auch bei Firmen, aber manchmal ärgert es doch, zumal wenn die Ware vielleicht extra für den Kunden beim Hersteller bestellt wurde. Eine solch schwammige Auslegung durch den Gesetzgeber ist nicht wirklich hilfreich. Letztlich dreht sich ja ohnehin alles um die Rücksendekosten und im schlimmsten Falle auch um die Hinsendekosten. Wenn dieses Dilemma endlich geklärt wäre, nämlich der Kunde zahlt seine Rücksendung, bzw. die von ihm verursachten Kosten selbst, dann würden sich viele andere Diskussionen von selbst erledigen. Denn dann ist es doch egal, wer bestellt und zurücksendet, ob Firma oder Privatperson.
Hallo,
es geht in so einem Fall nur um die Rechnungsadresse – die Versandadresse spielt keine Rollel!
“Unser Tipp für Shopbetreiber”
Die Abfrage kann man zwar einbauen …. aber ob einem das im Streitfall hilft … 😉
Sich auf die Rechnungsadresse zu konzentrieren und den gesunden Menschenverstand einzusetzen macht mehr Sinn.
Gruß
Burak Agri