AG Berlin-Mitte: Wertersatz für Nutzung auch nach EuGH-Urteil noch möglich

gebrauchte_wareAm 3.9.2009 fällte der EuGH ein kontrovers diskutiertes Urteil zum Wertersatz für die Nutzung der Ware während der Widerrufsfrist. Zwischen "Wertersatz ist nicht mehr möglich" und "alles bleibt wie es war" wurde jede denkbare Variante in den juristischen Kommentaren vertreten. Nun hat ein Gericht diese Frage entschieden und den Verbraucher zur Zahlung von Wertersatz für Ingebrauchnahme verurteilt.

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Vor dem Amtsgericht Berlin-Mitte (Urteil v. 05.01.2010, Az: 5 C 7/09) ging es um die Frage, ob ein Shopbetreiber Wertersatz für Gebrauchsspuren an einem Gerät einbehalten darf. In dem Fall ging es um insgesamt 55 Euro. Um diese 55 Euro kürzte der Händler zunächst den Rückzahlbetrag. Der Verbraucher klagte daraufhin das restliche Geld ein.

Gebrauchsspuren

Der Händler war der Meinung, er dürfe diesen Wertersatz geltend machen, weil auf dem Gerät bei bestimmten Lichteinfall Gebrauchsspuren zu erkennen waren. Das Gericht kommt zu dem Ergebnis, dass die Spuren nur im Einflussbereich des Verbrauchers entstanden sein können.

Der Amtsrichter schätzt die vorhandenen Spuren zwar nicht als schuldhafte Pflichtverletzung (also mutwillige Beschädigung) ein. Es stellt aber fest:

"Jedoch handelt es sich um Gebrauchsspuren, die nicht lediglich als übliche Folgen einer bestimmungsgemäßen Prüfung und einem bestimmungsgemäßen Ausprobieren der Ware angesehen werden können, so dass gemäß § 357 Abs. 3 BGB Wertersatz zu leisten ist, welcher vorliegend in Anbetracht der seitens der beklagten Partei überreichten Rechnung für die Ersatzbeschaffung für den Gehäusedeckel der Höhe nach mit 55 Euro zu bemessen ist."

Deutsche Regelung im Lichte des EuGH

Das Gericht ist weiterhin der Ansicht, dass § 357 Abs. 3 BGB, der den Wertersatz für Schäden infolge "bestimmungsgemäßer Ingebrauchnahme" der Ware regelt, in Anbetracht der Fernabsatzrichtlinie und der genannten EuGH-Entscheidung wirksam sei, wobei diese Regelung so auszulegen sei, dass der Begriff der kostenlosen Prüfung auch ein "Ausprobieren" einschließt.

Die am Gehäuse festgestellten Gebrauchsspuren sind nach Auffassung des Gerichts nicht Folge einer Prüfung nach den Grundsätzen von Treu und Glauben:

"Nach Auffassung des erkennenden nationalen Gerichts rechtsfertigen Art und Umfang der vorhandenen Gebrauchsspuren die Annahme, dass es sich in Anbetracht der Grundsätze von Treu und Glauben vorliegend nicht lediglich um Gebrauchsspuren handelt, ..., die bei einer Prüfung und beim Ausprobieren der Ware zwangsläufig entstehen, indem das Gerät vorsichtig und mit größtmöglicher Sorgfalt ausgepackt, in die Hand genommen und die Fernbedienung beziehungsweise die zur Bedienung notwendigen Schalter am Gerät zum Testen sämtlicher Leistungsmerkmale benutzt werden müssen."

Nach dieser Würdigung entschied das Gericht zugunsten des beklagten Händlers auf einen Anspruch auf Wertersatz.

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10.01.10