Im ersten Teil dieses Beitrages sprach Gastautor Rechtsanwalt Claus Volke vielen Shopbetreibern aus der Seele und kritisierte das unverschämte Vorgehen einiger Abmahnanwälte mit scharfen Worten. Aber was kann man eigentlich tun, wenn man sich eine Abmahnung von einem Mini-Unternehmer gefangen hat?
Lesen Sie hier die Fortsetzung des Gastbeitrages von RA Claus Volke.
Der Gesetzgeber hat durch § 8 Abs. 4 UWG den abgemahnten Mitbewerbern eine sehr gute Möglichkeit gegeben, solche Missbrauchsumstände vorzutragen. Das Gericht ist dann dazu gesetzlich verpflichtet, entsprechend zu prüfen, ob diese (Missbrauchs-) Umstände gegeben sind.
Und genau hier, auch das darf nicht verschwiegen werden, liegt ein weiterer Umstand, der es vielen Abmahnenden einfach zu leicht macht:
Die fehlende Bereitschaft einiger Gerichte, den Missbrauch zu prüfen und die fehlender Kenntnis einiger die abgemahnten Unternehmen betreuenden Anwälte von der Rechtsprechung zu § 8 Abs. 4 UWG.
Insbesondere aber die Gerichte sind gefordert, endlich einmal konsequent das Gesetz anzuwenden. Auch hier ließe sich eine nahezu unendliche Geschichte schreiben von Kommentaren, die der Autor sich hier von einigen Richtern zu diesem Thema anhören musste.
So fragte beispielsweise ein Richter den Autor in einer mündlichen Verhandlung, wie man denn als Abmahnender selbst mit Abmahnungen Geld verdienen könne? Die Antwort des wahrlich überraschten Befragten, dass z.B. bereits eine Gebührenabsprache (Gebührenteilung) mit dem Anwalt vorliegen könne, war dem Richter offensichtlich fremd.
Als der Autor schließlich im Gegenzug den Richter höflich fragte, ob ihm nicht der Begriff der Vertragsstrafe geläufig sei, erhielt er nicht einmal mehr eine Antwort.
Aber Fakt ist doch, dass der, der eine Unterlassungserklärung abgibt, bei einer erneuten Verletzung mit einer Vertragsstrafe (in der Regel bis zu 5.000,00 EUR pro Verstoß) rechnen muss. Und wer bekommt dieses Geld? Richtig, der Abmahnende selbst. Ein ggf. sehr einträgliches Geschäftsmodell, insbesondere wenn man bereits mehrere solcher Unterlassungserklärungen verschiedener Mitbewerber im Schrank und zudem die Möglichkeit hat, zum Beispiel auch gleich mehrfach in eine Vertragsstrafe zu rennen.
Bei der erneuten Verwendung einer falschen Widerrufsbelehrung kann dies z.B. bei mehreren eBay Auktionen schon einmal so sein, dass hier schnell einmal 10 bis 100 oder sogar noch mehr erneute Verletzungen vorliegen. Ob dies nun nur als eine oder als mehrfache Verletzungen zu werten ist, ist zwischen den Gerichten streitig, was also dazu führen kann, dass im Extremfall mehrere hundert Mal 5.000,00 EUR gezahlt werden müssten. Den Richter erstaunten diese Ausführungen sehr, er entschied dennoch für den „armen“ Abmahner.
Offenbar geht er noch immer davon aus, dass solche Beweggründe bei Abmahnenden gar nicht vorliegen könnten.
Den weiteren Einwand, dass hier im vorliegenden Verfahren schließlich nur wenige hundert Euro Gewinn des Abmahnenden gegenüber mehreren 10.000,00 EUR Anwaltskosten stehen, wehrte der Richter schließlich mit den Worten ab: „Auch kleinere Unternehmen müssen sich gegen andere wehren können, um so den Wettbewerb auch für die Verbraucher rechtstreu zu gestalten.“
Der Hinweis des Autors, dass dies wohl so stimme, aber jeder normale Mensch nur in dem Risikobereich abmahnen sollte (und darf!), den er sich auch leisten kann, denn wer würde ein Risiko von 65.000 EUR eingehen, wenn er selbst nur einige Hundert EURO Gewinn hat, wurde wieder nicht zur Kenntnis genommen.
Trauriger Spitzenreiter in Bezug auf das Ignorieren aller bekannten Rechtsmissbrauchsgründe ist jedoch ein Richter, der der Ansicht ist, dass tatsächlich die etwas mehr als 100,00 Euro Umsatz eines Abmahnenden in 2 Monaten 12 gleich lautende Abmahnungen rechtfertigen würde.
Einen noch schlimmerer Missbrauch im Sinne des § 8 Abs. 4 UWG ist wohl kaum vorstellbar, doch dies war leider auch diesem Richter egal.
Rechnen wir doch mal nach:
Sollten die 12 Verfahren verloren gehen, hätte der Abmahnende ein Prozesskostenrisiko in Höhe von mind. 25.000,00 EUR bis 30.000,00 EUR (nur für eine Instanz!) zu erwarten. Dieses Risiko kann er aber doch unstreitig niemals abdecken, womit eigentlich der Rechtsmissbrauch offenkundig erscheint. Nicht jedoch für diesen Richter…
Wenn ein Missbrauch durch das Gericht festgestellt wird, erlischt die Prozessführungsbefugnis des Abmahnenden und er muss alle Gebühren, also seine, die des Gegners und die des Gerichts selbst zahlen. Da können dann schnell Kosten von 5.000-10.000 Euro pro Verfahren und für nur eine Instanz zusammenkommen.
Also: Würde ein normaler Unternehmer mit nur 1.000,00 Euro Gewinn im Monat dieses Risiko wirklich eingehen, um eBay-Anbieter abzumahnen? Niemals, es sei denn, es gibt irgendwelche Absprachen mit dem eigenen Anwalt.
In den letzten Jahren erhielt der Autor selbst immer wieder solche Angebote von offenbar professionell und "kommerziell" arbeitenden Abmahnern. Themen wie: „Gebührenteilung“, „pauschale Bearbeitungsgebühr für den Abmahnenden“ usw. wurden dabei immer wieder direkt angesprochen. Diese natürlich immer nur fernmündlich erfolgten Anfragen, wurden dann sehr schnell beendet, wenn der Autor den Nachfragenden seine Meinung dazu mitteilte. Meist wurde dann schnell zurückgerudert und davon gesprochen, dass „man“ das Angebot nur falsch verstanden hätte.
Der Wettbewerb soll durch die Wettbewerber selbst überwacht werden, so wollte und will es der Gesetzgeber. Hierdurch soll insbesondere auch der Verbraucher geschützt werden. Es gibt auch weiterhin (meist große und bekannte) Unternehmen, die ganze Verhandlungstage bei Gerichten für sich in Anspruch nehmen und sich permanent gegenseitig auf Unterlassung in Anspruch nehmen, wenn und soweit der eine glaubt, dass der andere wieder einmal gegen ein Gesetz verstoßen habe. Dies ist zulässig, notwendig und dient tatsächlich (auch) dem Schutz des Verbrauchers.
Der Autor wird hier ganz sicher nicht die Möglichkeiten und Tricks verraten, mit denen er solche Abmahner vor Gericht meist sehr schnell in eine entsprechende Situation bringen kann, in der diese dann nur noch auf alles verzichten können. Verraten sei aber folgendes:
Wenn durch den Abgemahnten bzw. dessen Anwalt Missbrauchstatbestände vorgetragen werden, und hier reicht eine erste Erschütterung bereits aus, muss das Gericht von Amts wegen ermitteln was an diesen Vorwürfen dran ist.
Wenn einige Richter allerdings weiterhin rechtlich nicht in ausreichendem Maße berücksichtigen, dass man mit Vertragsstrafen (und aufgeteilten Abmahngebühren) als Abmahnender sehr viel Geld verdienen kann und/oder das Abmahnende mit geringem Umsatz nie im Leben finanzielle Risiken eingehen würden, die zigfach über den eigenen Umsätzen liegen, wird dem Abmahnmissbrauch nicht ausreichend vorgebeugt.
Ohne hier ins Detail gehen zu wollen, behauptet der Autor, dass weitaus mehr als die Hälfte aller Abmahnungen innerhalb kürzester Zeit „beseitigt“ werden könnten, wenn und soweit die Gerichte endlich einmal konsequent und in der ihnen möglichen Form den § 8 Abs. 4 UWG anwenden würden.
Dies, und da steht die Anwaltschaft selbst in der Pflicht, sollte aber auch dazu führen, dass die Anwälte selbst ihr Verhalten überdenken müssen. Die Anwälte müssen überlegen, ob sie nicht nur Mandanten vertreten sollten, die die Ansprüche auch wirklich haben. Noch mehr sollte sich jedoch jeder Anwalt fragen, ob er jemanden vertreten will bei dem er weiß, oder erkennen können müsste, dass die Voraussetzungen bei diesem nicht vorliegen oder ggf. nur künstlich erschaffen werden, um abmahnen zu können.
Es liegt aber auch an den Abgemahnten, sich zu organisieren und die Abmahnungen zum Beispiel auch über die entsprechenden Plattformen im Internet offen zu kommunizieren und die eigenen Anwälte zu beauftragen, diese Informationen für die Erhebung des Missbrauchsvorwurfs zu nutzen.
Es ist erschreckend, wie viele Serienabmahnungen durch den Autor gestoppt werden konnten, und in deren Verlauf dann bekannt wurde, dass immer wieder Kollegen die gleich lautende Unterlassungserklärung, adressiert an ihre Mandanten durch diese unterzeichnen ließen, und die Mandanten somit dann in die jahrelange Abhängigkeit der einmal abgegebenen Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung geführt haben.
Abgemahnte sollten daher jede Abmahnung von einem entsprechend spezialisierten Anwalt prüfen lassen und, wenn und soweit missbräuchliches Handeln erkennbar wird, eine entsprechende Vorgehensweise befürworten, um den Abmahnenden (und ggf. auch die diese unterstützenden Anwälte) endlich das Handwerk zu legen.
Barack Obama hat daher wohl zumindest teilweise Recht, aber, und dies muss man den meisten Anwälten weiterhin wohl fairer Weise zugute halten, betrifft dies nur eine sehr kleine Anzahl von Anwälten.
Um den Abmahnwahnsinn zu stoppen sind daher alle Abmahner, Abgemahnten, Anwälte und Richter gefordert, denn eines ist wohl unstreitig:
Nur wenn die Erfolgsquote für Abmahnungen sinkt, wird sich auch deren Zahl wieder reduzieren!
RA Claus Volke
Claus Volke ist Rechtsanwalt, Fachanwalt für Informationstechnologierecht, Fachanwalt für Gewerblichen Rechtsschutz (Wettbewerbs-, Marken- und Patentrecht) und Lehrbeauftragter für IT-Recht. Er ist Inhaber der Kanzlei volke2.0, die seit über 10 Jahren bundesweit ausschließlich im Bereich Gewerblicher Rechtsschutz in den Informationstechnologien tätig ist. www.volke2-0.de
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