Dieser Satz stammt von Barack Obama, 44. Präsident der USA und Rechtsanwalt. Und er hat vielleicht Recht, meint Gastautor Claus Volke, ebenfalls Rechtsanwalt, zumindest wenn man sieht, in welchem Maße und in welcher Art und Weise in Deutschland mittlerweile der wirklich nicht mehr hinnehmbare Abmahnwahnsinn immer mehr zunimmt. Aber bevor nun alle die Fahnen hochreißen und den Niedergang der Anwälte fordern, möchte der Autor einige Dinge klarstellen und dennoch auch offen Kritik üben.
Lesen Sie mehr in einem Gastbeitrag von Rechtsanwalt Claus Volke.
Es ist also zunächst einmal nicht die Frage, ob überhaupt abgemahnt werden darf oder soll, denn dies soll ja laut Gesetzgeber gerade durch die Mitbewerber unmittelbar untereinander geschehen.Die Frage ist aber: Wer darf abmahnen und wer nicht?
Eines gleich vorweg: Auch der Autor und die Mitarbeiter seiner Kanzlei mahnen für die Mandanten der Kanzlei ab. Dies kann zum Teil sogar zu heftigen bundesweit ausgetragenen Auseinanderset-zungen führen. Als Beispiel sollen hier die durch den Autor in ganz Deutschland geführten „Ad-WordsVerfahren“ (liegen nun beim EuGH) dienen.
Fast immer spielt sich dies aber zwischen zwei oder drei wirtschaftlich starken Mitbewerbern ab, die ganz gezielt und bewusst sich gegenseitig überwachen, um wirtschaftliche Vorteile beim jeweils anderen durch eine Verletzung der Rechte (möglichst) auszuschließen.
Aber um solche Mandanten geht es nicht, wenn über Serienabmahnungen und den allseits immer stärker auftretenden Abmahnwahnsinn gesprochen wird. Die meisten Shopbetreiber sind, wenn sie ehrlich sind, mehr als nur bereit und auch Willens, ebenfalls ihre Mitbewerber abzumahnen, wenn diese sich wirtschaftliche Vorteile durch die Verletzung des Rechts verschaffen das der Shopbetreiber selbst einhält. Wenn und soweit hier von einem Abmahnwahnsinn gesprochen werden kann, betrifft also das besondere Konstellationen, die durch die Presse bekannt geworden sind und deren Ausmaße offenbar immer mehr zunimmt.
Also sprechen wir es doch einfach aus, welche Fälle den Unmut der meisten Internetanbieter hervorrufen (und des Autors):
Ein oder zwei meist unbekannte Anwälte (zudem häufig auch noch Berufsanfänger) mahnen mit völlig unbekannten (und wirtschaftlich unbedeutenden) „Gewerbetreibenden“ in hohem Maße ganze Wettbewerbergruppen systematisch ab. „Shops“ mit praktisch keinem Umsatz versenden durch ihren Anwalt 40, 100 oder sogar gleich mehrere Hundert Abmahnungen innerhalb kürzester Zeit. Grund der angeblichen Verletzungen? Eigentliche Nichtigkeiten (wenn überhaupt).
Viele Abmahnungen stellen aber auch eine wirkliche Verletzung dar. So weit, so gut.
Solche Shopbetreiber und ihre Anwälte schädigen nicht nur ganze Branchen und viele Mitbewerber, sondern auch, und dies ist ärgerlich auch für den Autor, das Bild gleich aller Anwälte, die dann sehr schnell mit solchen Kollegen in einen Hut geworfen werden. Dies ist eigentlich unfair, aber aus Sicht der Unternehmer, die vor lauter Angst eine (weitere) Abmahnung zu erhalten, ihr Onlinegeschäft wieder schließen, sehr gut nachvollziehbar, was auch der Autor uneingeschränkt so sieht:
Es ist nicht in Ordnung nun alle Anwälte anzugreifen, aber es muss auch klar sein, dass insbesondere auch die Anwälte sich an die Gesetze halten müssen. Immer!
Die Anzahl von „Abmahnern“ nimmt tatsächlich immer mehr zu und die Umstände und die Begründungen dabei werden immer abstruser. Die Beispiele, die allein der Autor in den letzten 10 Jahren hier bundesweit erleben musste, sind wirklich nicht selten nahezu unglaublich. Die Aufzählung würde den Umfang eines solchen Beitrages schlichtweg sprengen, daher sollen im Nachfolgenden nur einige zur Verdeutlichung angeführt werden.
Ein Einzelanwalt schreibt z.B. für einen angeblich sehr aktiven Shopbetreiber 700 Abmahnungen, ein anderer für einen ähnlich wirtschaftlich bedeutungslosen Anbieter regelmäßig zwischen 50 und 100 Abmahnungen pro Monat. Hier stellt man sich doch eigentlich schon die Frage, wie diese Einzelanwälte allein die Post bewerkstelligen wollen…
Lässt man solche Abmahnungen dann vor Gericht prüfen, unterliegen die Abmahner in der Regel sehr schnell. Nachteile haben diese oder ihre Anwälte jedoch faktisch kaum zu befürchten, da das Gesetz ihnen in vielen Fällen eine Art „legalen Schutzmantel“ gibt. So ist das solchen Verfahren nachfolgende Verhalten meist identisch.
Nach dem Unterliegen im gerichtlichen Verfahren legt der Anwalt kurzerhand das Mandat nieder und der gegnerische Abmahnende ist innerhalb kürzester Zeit insolvent oder, was meistens der Fall ist, nicht einmal mehr zur Durchsetzung etwaiger Ansprüche gegen diesen greifbar.
Bis zur Niederlage vor Gericht hatten Anwalt und Abmahnender jedoch meist zahlreiche Gebühren und (angebliche) Schadensersatzansprüche erzielen können. Nachdem dann jedoch festgestellt wurde, dass das Verhalten unzulässig und rechtsmissbräuchlich im Sinne des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) war, wird einfach das „Verfahren“ nicht mehr fortgesetzt und der Anwalt legt das Mandat nieder und somit aus dem Verfahren „ausgeschieden“. Der vorher noch so „wirtschaftlich wichtige Abmahner“, hat plötzlich kein Geld mehr, stellt sofort den Insolvenzantrag oder ist schlichtweg nicht mehr „ermittelbar“.
Die Abgemahnten gewinnen das Verfahren, erhalten ihr Recht und bleiben dennoch auf allen Kosten Ihres Anwalts und zum Teil sogar auf den Gerichtskosten sitzen. Sollten sie vorher schon Geld an den gegnerischen Anwalt gezahlt haben, ist auch dieses weg, da die Erstattungsansprüche nicht gegen den Anwalt, sondern gegen den Abmahner geltend gemacht, und nur gegen diesen durchgesetzt werden könnten, was aber aus den o.a. Gründen meist ins Leere geht.
Der Autor selbst hat dieses für jeden Nichtjuristen nicht nachvollziehbare Ergebnis unzählige Male erleben müssen. Aus Verärgerung über die Dreistigkeit mancher Abmahner und/oder ihrer Anwälte hat er daher sogar einer in einem Prozess gerichtlich zu Protokoll nehmen lassen, dass er davon ausgehe, dass der Abmahnende, der ihm wortstark im Gerichtssaal noch gegenüber saß, spätestens nach einer Woche keine Post mehr annehmen und der Anwalt sein Mandat zu diesem Zeitpunkt wahrscheinlich schon längst niedergelegt haben wird.
Natürlich wehrten sich sowohl Prozessvertreter als auch der Abmahner vehement gegen eine solche „unverschämte Behauptung“. Doch was passierte? Nur 3 Tage später legte der Anwalt das Mandat nieder und der Mandant war unbekannt verzogen. Die klar obsiegende Partei blieb (wieder einmal) auf allen Kosten sitzen.
In einem anderen Fall hatte ein weiterer - angeblich wichtiger - Gewerbetreibender ganze 150 Euro Umsatz in 2 Monaten erwirtschaftet, was ihn nach seiner Ansicht nach nun dazu berechtigte, zeitgleich 35 Abmahnungen zu versenden. Sein Anwalt fand dies ebenfalls völlig in Ordnung und mahnte für seinen Mandanten massiv ab.
Die Kosten seiner Inanspruchnahme, von seinem Mandanten an ihn zu zahlen, lagen also bereits vor dem Versenden der Abmahnungen bei rund 35.000,00 EUR. Der Mandant müsste also bereits bei der Beauftragung seines Anwaltes eigentlich sofort einen Insolvenzantrag stellen. Der Anwalt zog dennoch mit wehenden Fahnen in die Abmahnungen und überzog die Republik mit diesem rechtsmissbräuchlichen Schwachsinn.
In einem anderen Fall wurde das 65-fache Abmahnen eines EDV-Hardware Anbieter mit einem Umsatz von 10.000,00 EUR und einem nachgewiesenen Gewinn von weniger als 600,00 EUR in einem Monat von einem Richter mit den Worten „verteidigt“, dass schließlich auch kleinere abmahnen dürften.
Spitzenreiter der Dreistigkeit dürfte jedoch ein Anwalt sein der für einen angeblichen Shopbetreiber abmahnt, der einen Shop erstellt hatte, der an Absurdität wirklich nicht mehr zu überbieten war.
Das zeigte sich unter anderem darin, dass er neben mehreren Monaten Lieferzeit und irrwitzig hohen Preisen sogar eine offenkundige Fantasiekontonummer und Bankverbindung angegeben wurde, also ein möglicher Kunde gar nicht einkaufen konnte, selbst wenn er dies gewollt hätte.
Obwohl bereits der Abgemahnte selbst daraufhin den Anwalt anschrieb und ihm mitteilte, dass sein Mandant wohl offensichtlich überhaupt gar nicht als Anbieter tätig sein will, bestand dieser weiterhin im Namen des Gesetzes (und seinem Mandanten) auf die Zahlung seiner Gebühren als Schadensersatz. Sämtliche Verpflichtungen zur Prüfung der Vorwürfe und Bedenken wurden schlichtweg abgelehnt.
Man sieht, und diese Liste ließe sich nahezu unbegrenzt fortsetzen, dass es nicht die Abmahnung ist, die zwei Mitbewerber untereinander aussprechen, um sich gegenseitig an die Rechtstreue zu erinnern (und „zu ermahnen“). Es geht um solche Mandanten und ihre Anwälte, die meinen, sie könnten abmahnen, um damit einzig und allein schnell und sicher Gebühren zu erzielen.
Dass es in diesen Fällen primär um die erzielten Gebühren des Anwalts geht und der Mandant häufig daran mittelbar oder unmittelbar beteiligt ist, scheint in vielen Fällen offensichtlich, denn mal ehrlich:
Kein Mandant zahlt einem Anwalt 35.000,00 EUR um 35 kleine eBay-Händler abzumahnen, wenn er diese Gebühren auch wirklich zahlen müsste. Genau dies müsste der Auf-traggeber aber. Was ist aber z.B., wenn die Gegenseite sich wehrt oder aus irgendwelchen Gründen nicht die Gebühren erstattet? Der Abmahner würde auf allen Kosten sitzen bleiben.
Dies macht kein vernünftiger Unternehmer und dies kann kein Anbieter mit nur einigen hundert Euro Gewinn im Monat so machen.
Die Anzahl der Zivilverfahren gegen solche Abmahner und ihre Anwälte nimmt daher stetig zu. In den letzten Jahren nahmen sogar auch die Strafverfahren gegen Abmahnende und deren Anwälte ebenfalls zu.
Wer ist nun aber wirklich Schuld an diesen Umständen und wer muss sich welchen Vorwurf gefallen lassen?
Zunächst kann wohl kein Anwalt ausschließen, sogar von den eigenen Mandanten getäuscht und vielleicht sogar unwissend als „Werkzeug“ benutzt zu werden, insbesondere wenn diese angeben, einen entsprechenden Shop zu besitzen und entsprechende „Aufträge“ zur Verfolgung ihrer Rechte erteilen.
Wenn es jedoch um Rechte geht, die (im Wesentlichen nur) zwischen den Wettbewerbtreibenden gelten sollen, und wenn hier kleinere und eigentlich wirtschaftlich eher unbedeutende Shopbetreiber plötzlich Anwälte beauftragen, in höheren Stückzahlen abzumahnen, ist es schon mehr als nur nicht mehr glaubwürdig, dass ein Anwalt dieses „Mandat“ ungeprüft annimmt.
Eines sollte jedem Anwalt klar sein: Wird er dennoch in diesem Maße für seinen Mandanten tätig, begibt er sich erst einmal zumindest moralisch und ethisch auf die gleiche Stufe mit den Abmahnenden. Liegen die Voraussetzungen der entsprechenden möglichen wettbewerbsrechtlichen Ansprüche jedoch erkennbar gar nicht vor, oder weiß der Anwalt sogar, dass in einem Fall die gesetzlichen Voraussetzungen nicht bestehen (können), die eine Abmahnung seines Mandanten ermöglichen würden, begibt sich der Anwalt ganz mit in das „Boot“ des Abmahnenden und muss daher ebenfalls mit einem zivilrechtlichen Verfahren oder im schlimmsten Fall sogar mit einem Ermittlungsverfahren gegen sich rechnen.
RA Claus Volke
Claus Volke ist Rechtsanwalt, Fachanwalt für Informationstechnologierecht, Fachanwalt für Gewerblichen Rechtsschutz (Wettbewerbs-, Marken- und Patentrecht) und Lehrbeauftragter für IT-Recht. Er ist Inhaber der Kanzlei volke2.0, die seit über 10 Jahren bundes-weit ausschließlich im Bereich Gewerblicher Rechtsschutz in den Informationstechnologien tätig ist. www.volke2-0.de
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