Die deutsche Regelung der Rücksendekosten bei Ausübung des Widerrufsrechts ist europaweit einmalig kompliziert. Die sog. "40-EUR-Klausel" ist seinerzeit als politischer Kompromiss entstanden und wurde in der Folgezeit weiter verkompliziert. Nun treibt dieses bürokratische Monstrum neue Blüten: Offenbar rollt eine neue Abmahnwelle, wonach die Klausel einmal in der Widerrufsbelehrung und dann nochmals in den AGB verwendet werden müsse, auch wenn die Widerrufsbelehrung in den AGB enthalten ist.
Zunächst wollten wir über diesen Unsinn gar nicht berichten, um keine schlafenden Hunde zu wecken. Doch die üblichen Verdächtigen haben längst selbst über diese neue Masche berichtet.
Ursprünglich wurde der vermeintliche Rechtsverstoß im Zuge einer Gegenabmahnung geltend gemacht. Doch nun ist das Thema in die Hände der falschen Abmahnanwälte geraten, die offenbar eine neue Einnahmequelle entdeckt haben, um ihre Büromiete zu zahlen. Gestützt werden sie dabei von Gerichtsentscheidungen aus Bochum und Dortmund, die noch nicht veröffentlicht sind. Doch der Reihe nach:
Im Grunde handelt es sich um einen alten Hut. Nach § 357 Abs. 2 S. 3 BGB dürfen dem Verbraucher in bestimmten Fällen die Rücksendekosten bei Ausübung des Widerrufsrechtes vertraglich auferlegt werden. In der Vorschrift heißt es:
Wenn ein Widerrufsrecht nach § 312d Abs. 1 Satz 1 besteht, dürfen dem Verbraucher die regelmäßigen Kosten der Rücksendung vertraglich auferlegt werden, wenn der Preis der zurückzusendenden Sache einen Betrag von 40 Euro nicht übersteigt oder wenn bei einem höheren Preis der Sache der Verbraucher die Gegenleistung oder eine Teilzahlung zum Zeitpunkt des Widerrufs noch nicht erbracht hat, es sei denn, dass die gelieferte Ware nicht der bestellten entspricht.
Im Klartext: die Kostentragung durch den Verbraucher gilt nicht automatisch, sondern bedarf einer Vereinbarung in AGB.
Die Muster-Widerrufsbelehrung des Bundesjustizministeriums trägt dieser Rechtslage Rechnung. Denn dort heißt es in Gestaltungshinweis 8:
Ist entsprechend § 357 Abs. 2 Satz 3 BGB eine Übernahme der Versandkosten durch den Verbraucher vereinbart worden, kann der Klammerzusatz weggelassen werden. Stattdessen ist hinter „zurückzusenden.“ Folgendes einzufügen:
„Sie haben die Kosten der Rücksendung zu tragen, wenn die gelieferte Ware der bestellten entspricht und wenn der Preis der zurückzusendenden Sache einen Betrag von 40 Euro nicht übersteigt oder wenn Sie bei einem höheren Preis der Sache zum Zeitpunkt des Widerrufs noch nicht die Gegenleistung oder eine vertraglich vereinbarte Teilzahlung erbracht haben. Anderenfalls ist die Rücksendung für Sie kostenfrei.“
Diese Regelung ist dann also in der Widerrufsbelehrung enthalten.
Eine Widerrufsbelehrung ist aber noch keine Vereinbarung. Denn fernabsatzrechtliche Pflichtinformationen nach § 312c BGB, zu denen u.a. auch die Information zum Widerrufsrecht zählt, sind etwas anderes als AGB. Daher ist es nicht möglich, die Widerrufsbelehrung getrennt von AGB zu verwenden und hier eine 40-EUR-Klausel zu integrieren, ohne dass diese auch in AGB integriert ist.
Vereinzelt wird die Ansicht vertreten, die Widerrufsbelehrung habe - wie generell die fernabsatzrechtlichen Informationen - in AGB nichts zu suchen, sondern sei als Informationspflicht von den AGB zu trennen. Wenn man so verfährt, muss in der Tat in den AGB zusätzlich die Kostentragung vereinbaren.
Schon der Gesetzgeber vertrat aber die Auffassung, dass die Integration von Pflichtinformationen in AGB grundsätzlich möglich ist (Begründung FernAbsG-RegE, BT-Drucks. 12/2658, S. 38). Die Integration der Widerrufsinformation in AGB ist aus zwei Gründen sinnvoll. Erstens handelt es sich vielfach nicht um reine Informationen, sondern zugleich auch Vereinbarungen und zweitens erhöht die Integration die Transparenz für den Verbraucher.
Neben der Tragung von Rücksendekosten bei Ausübung des Widerrufsrechtes („40-EUR-Klausel“, § 357 Abs. 2 Satz 3) sind z.B. auch die Ersetzung des Widerrufsrechtes durch ein Rückgaberecht (§ 356 BGB), Versandkosten (§ 1 Abs. 1 Nr. 8 BGB-InfoV), Leistungsvorbehalte (§ 1 Abs. 1 Nr. 6 BGB-InfoV), die Zahlungsart Vorkasse (§ 1 Abs. 1 Nr. 9 BGB-InfoV) oder auch längere Lieferzeiten (§ 1 Abs. 1 Nr. 9) BGB-InfoV) und manche Vertragsschlussklauseln (z.B. mit Bindefristen, § 1 Abs. 1 Nr. 4 BGB-InfoV) keine bloßen Informationen, sondern müssen vertraglich vereinbart werden.
Es dient auch dem Verbraucherschutz, wenn möglichst viele Pflichtinformationen auf einer Seite gebündelt werden, die der Verbraucher leicht ausdrucken und der Unternehmer mit vertretbarem Aufwand aktuell halten kann. Der Verbraucher ist dadurch nicht schlechter gestellt, sondern neben dem Transparenzgebot aus § 312c Abs. 1 BGB zusätzlich durch jenes in § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB geschützt.
Eine solche Seite kann später auch zur texformgebundenen Mitteilung eingesetzt werden, was nach dem Willen des Gesetzgebers gemäß § 1 Abs. 4 Satz 3 BGB-InfoV bei Berücksichtigung der weiteren Hervorhebungserfordernisse ausdrücklich möglich ist.
Lange Rede, kurzer Sinn: Es ist nichts Neues, dass die 40-EUR-Klausel vereinbart werden muss. Bereits seit dem Jahr 2003 heißt es daher im Trusted Shops Praxishandbuch:
Wenn Sie Ihrem Kunden bei Rücksendungen bis 40 EUR die Rücksendekosten auferlegen wollen (geht nur beim Widerrufsrecht), müssen Sie dies vereinbaren, d.h., Sie müssen entsprechende AGB verwenden, die wirksam einbezogen werden.
Neu ist allerdings die Ansicht, dass die Integration der Widerrufsbelehrung inkl. 40-EUR-Klausel in AGB, wie dies z.B. auch Branchengrößen wie Quelle machen, nicht ausreichen soll, um die Kostentragung zu vereinbaren.
Begründet wird dies damit, dass ein Kunde, der die Widerrufsbelehrung unter dieser Überschrift in AGB liest, den Eindruck gewinne, bei der 40-EUR-Klausel handele es sich um eine gesetzliche Regelung. Tatsächlich sei es aber eben kein Automatismus und keine gesetzliche Regelung, sondern eine Entscheidung des Händlers, dem Kunden die Rücksendekosten aufzuerlegen.
Diese Vereinbarung könne nicht wirksam getroffen werden, wenn in der Überschrift von "Belehrung" die Rede sei. Denn der Kunde erwarte in einer Belehrung nun einmal keine Vereinbarung.
Wer das nicht mehr verstehen kann oder will, hat meine uneingeschränkte Solidarität. Die 40-EUR-Regelung an sich ist schon ein Negativbeispiel für die Auswüchse einer von Lobbyisten forcierten, völlig maßlosen Überregulierung. Diese Klausel selbst ist schon geeignet, die Widerrufsbelehrung intransparent zu machen.
Folgt man nun der Ansicht der neuen Abmahner und den Gerichten aus Bochum und Dortmund, soll alles noch komplizierter werden.
Die Lösung besteht nämlich nach dem Willen der Abmahnanwälte darin, die Vereinbarung der Rücksendekosten einmal in die Widerrufsbelehrung zu integrieren und noch einmal zusätzlich in die AGB. Denn einerseits müsse die Klausel vereinbart werden, andererseits müsse darüber als Rechtsfolge des Widerrufs informiert bzw. belehrt werden.
So empfiehlt es z.B. auch die IHK Hannover auf ihrer Website:
Es empfiehlt sich daher, über das Widerrufsrecht nicht nur einmal zu belehren, sondern zusätzlich die Widerrufsbelehrung in hervorgehobener Form in die Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) einzufügen und in die AGB folgenden Passus aufzunehmen:
"Rücksendekosten
Macht der Verbraucher von seinem Widerrufsrecht nach Ziffer ... der AGB Gebrauch, so hat er die Kosten für die Rücksendung der Ware zu tragen, wenn die gelieferte Ware der bestellten entspricht und wenn der Preis der zurückzusendenden Sache einen Betrag von 40,00 Euro nicht übersteigt oder wenn bei einem höheren Preis der Sache der Verbraucher die Gegenleistung oder eine vertraglich vereinbarte Teilzahlung zum Zeitpunkt des Widerrufs noch nicht erbracht hat."
Allerdings ist auch diese Vorgehensweise angreifbar, da dem Kunden nach § 357 Abs. 2 S. 3 BGB nicht die Kosten der Rücksendung generell, sondern nur die regelmäßigen Kosten der Rücksendung auferlegt werden können. Die 40-EUR-Klausel müsste daher also in einer leichten Abwandlung noch einmal in die AGB aufgenommen werden, nämlich so:
„Kostentragungsvereinbarung
Machen Sie von Ihrem Widerrufsrecht Gebrauch, haben Sie die regelmäßigen Kosten der Rücksendung zu tragen, wenn die gelieferte Ware der bestellten entspricht und wenn der Preis der zurückzusendenden Sache einen Betrag von 40 Euro nicht übersteigt oder wenn Sie bei einem höheren Preis der Sache zum Zeitpunkt des Widerrufs noch nicht die Gegenleistung oder eine vertraglich vereinbarte Teilzahlung erbracht haben. Anderenfalls ist die Rücksendung für Sie kostenfrei.“
In der Widerrufsbelehrung darf dieses Wort aber nicht ergänzt werden, denn dann entfällt die Privilegierung des § 14 BGB-InfoV, wonach nur bei unveränderter Verwendung des Musters Rechtssicherheit besteht.
Um die Irreführungsgefahr auszuräumen, könnte man alternativ auch einfach die Überschrift der Widerrufsbelehrung in "Widerrufsbelehrung und Kostentragungsvereinbarung" ändern. Ob dies den Gerichten ausreicht, ist aber zweifelhaft. Zudem besteht dann die Gefahr, dass die Privilegierung des § 14 BGB-InfoV nicht mehr greift, weil die Überschrift des amtlichen Musters verändert wird.
Ich halte diese Abmahnungen und die Rechtsprechung der Landgerichte Bochum und Dortmund für den größten Unsinn, der mir in über neun Jahren Tätigkeit im Fernabsatzrecht je untergekommen ist. Denkt man die Argumentation zu Ende, könnte man z.B. auch einen Händler abmahnen, der seine Versandkosten nur auf einer Seite "Versandkosteninformation" nennt und sie nicht noch einmal in AGB wiederholt. Denn auch hier handelt es sich um Vereinbarungen, ebenso wie bei vielen anderen Informationen auch.
Eine gefestigte Rechtsprechung zu diesem Thema gibt es noch nicht, wohl aber altbekannte Abmahnanwälte, die dieses Thema nun dankbar aufgreifen. Wer also ganz sicher gehen will, sollte die 40-EUR-Klausel zweimal verwenden, und zwar in den AGB in leicht abgewandelter Form, wie oben beschrieben. Mutige können hoffen, dass sie nicht Opfer einer Abmahnung werden und abwarten, bis es hier höchstrichterliche abweichende Rechtsprechung gibt.
Die geplante europäische Verbraucherrechtsrichtlinie sieht vor, dass der Kunde bei Rücksendungen im Rahmen des Widerrufsrechtes immer die Kosten trägt, ohne dass eine Vereinbarung erforderlich wäre. Sollte sich dies durchsetzen, wäre das Problem auf einen Schlag erledigt. Doch ob die Richtlinie kommt, ist noch unklar, denn der deutsche Gesetzgeber möchte an seinem 40-EUR-Blödsinn unbedingt festhalten. Und selbst wenn die Richtlinie kommt, werden noch Jahre vergehen, in denen sich mittellose Anwälte auf Kosten redlicher Händler mit solchem Unfug bereichern können. (cf)