Bereits letzte Woche passierte das Gesetz zur Bekämpfung unerlaubter Telefonwerbung und zur Verbesserung des Verbraucherschutzes bei besonderen Vertriebsformen den Bundestag. In diesem Gesetz werden auch relevante Änderungen an der Regelung zum Erlöschen des Widerrufsrechtes bei Dienstleistungen vorgenommen, so dass alle Händler voraussichtlich Mitte des Jahres ihre Widerrufsbelehrung anpassen müssen, damit sie nicht fehlerhaft ist.
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Bundesjustizministerin Zypries begrüßt die Neuregelungen und meint, Verbraucherinnen und Verbraucher würden künftig wirksamer vor einer Störung ihrer Privatsphäre durch unerlaubte Telefonwerbung geschützt. Zudem würde mit der Einführung zusätzlicher Widerrufsrechte "punktgenau" dort Abhilfe geschaffen, wo in der Praxis Probleme auftraten: zum einen bei Wett- und Lotteriedienstleistungen sowie Zeitungs-? bzw. Zeitschriftenverträgen, zum anderen bei Dienstleistungen im Telekommunikationsbereich, vor allem im Internet.
"Unseriöse Firmen, die sich über das bestehende Verbot unerlaubter Telefonwerbung hinwegsetzen, können mit empfindlichen Geldbußen belegt werden. Um der schwarzen Schafe der Branche besser habhaft zu werden, darf außerdem bei Werbeanrufen in Zukunft die Rufnummer nicht mehr unterdrückt werden. Bei Verstößen drohen ebenfalls empfindliche Geldbußen", erklärte Zypries.
Unerwünschte Telefonwerbung habe sich zu einem ernsten Problem entwickelt: Eine Flut unerwünschter Werbeanrufe - häufig auch am Wochenende und in den Abendstunden - störe Verbraucherinnen und Verbraucher massiv in ihrer Privatsphäre. Nach einer Umfrage des forsa-?Instituts vom Herbst 2007 fühlten sich 86 Prozent der Bevölkerung durch unlautere Werbeanrufe belästigt, 64 Prozent der Befragten wurden in den letzten Monaten ohne Einwilligung von einem Unternehmen angerufen.
Wenn der Verbraucher über sein Widerrufsrecht nicht in Textform belehrt wurde, kann er Verträge über Dienstleistungen, die er am Telefon oder im Internet abgeschlossen hat, künftig widerrufen. Bislang gibt es in solchen Fällen kein Widerrufsrecht mehr, wenn der Unternehmer mit der Ausführung der Dienstleistung mit ausdrücklicher Zustimmung des Verbrauchers begonnen oder der Verbraucher die Ausführung selbst veranlasst hat.
Unseriöse Unternehmer haben diese Regelung gezielt ausgenutzt, um Verbrauchern am Telefon oder im Internet Verträge unterzuschieben. So werden z.B. im Internet die Erstellung eines ganz persönlichen Horoskops, Routenplanung oder Berechnung der Lebenserwartung angeboten. Nur aus dem Kleingedruckten ergibt sich, dass dafür bezahlt werden muss; die Gestaltung der Webseite erweckt den gegenteiligen Eindruck. Eine Belehrung über das Widerrufsrecht erfolgt nicht.
Viele Verbraucher haben diese Leistungen in Anspruch genommen und dann erst hinterher bemerkt, dass sie in die "Kostenfalle" getappt waren, weil sie eine Rechung über 100 € oder mehr für einen angeblich abgeschlossenen Zweijahresvertrag erhielten. Diesem Verhalten entzieht das neue Gesetz nun die Grundlage.
Künftig kann der Verbraucher seine Vertragserklärung noch solange widerrufen, wie er nicht vollständig bezahlt hat (Neuregelung des § 312d Abs. 3 BGB). Wenn ihn das Unternehmen vor Abgabe seiner Erklärung nicht darauf hingewiesen hat, dass er bei einem Widerruf für die bis dahin erbrachte Leistung Wertersatz zahlen muss, kann das Unternehmen nichts von ihm fordern.
Die Änderung des § 312d Abs. 3 BGB hat auch erhebliche Auswirkungen für seriöse Onlinehändler, die auch Erbringung von Dienstleistungen anbieten. Betroffen sind z.B. Verkäufer von Mobilfunkgeräten, die auch Mobilfunkverträge (Dienstleistungen) vermitteln, Computerhändler, die auch Installationsservices o.ä. anbieten, Anbieter von Domainregistrierungen, Fotoarbeiten oder auch Downloads, wenn diese bislang als Dienstleistungen eingestuft wurden.
Bislang war es möglich, das Widerrufsrecht zum Erlöschen zu bringen, indem die audrückliche Zustimmung des Kunden hierfür eingeholt wurde, z.B. durch einen Text:
[ ] Ja, ich bin ausdrücklich einverstanden, dass Sie die Domain registrieren, und dass mein Widerrufsrecht durch diese Zustimmung erlischt.
Dies ist nun nicht mehr möglich. Vielmehr lautet der neue § 312d Abs. 3 nach dem aktuellen Gesetz:
„(3) Das Widerrufsrecht erlischt bei einer Dienstleistung auch dann, wenn der Vertrag von beiden Seiten auf ausdrücklichen Wunsch des Verbrauchers vollständig erfüllt ist, bevor der Verbraucher sein Widerrufsrecht ausgeübt hat.“
Das Widerrufsrecht wird also künftig nur dann erlöschen, wenn der Kunde die Dienstleistung bereits vollständig gezahlt hat. Kein Domainregistrar oder Erbringer sonstiger seriöser Dienstleistungen wird sich jedoch darauf einlassen, Leistungen zu erbringen und sich danach dem Widerruf des Kunden ausgesetzt zu sehen. Vielmehr werden solche Anbieter auch künftig das Widerrufsrecht zum Erlöschen bringen wollen.
Dies wird dazu führen, dass auch Dienstleistungen - ähnlich wie jetzt schon Warenlieferungen - vorwiegend nur noch gegen Vorkasse erbracht werden. Ob dies im Sinne des Verbraucherschutzes ist, erscheint fraglich, ist doch eines der häufigsten Probleme, dass bezahlte Leistungen nicht erbracht werden. Absicherungen wir der Trusted Shops Käuferschutz werden künftig eine noch größere Rolle spielen.
Bei Domainregistrierungen könnten die Änderungen überdies zu erheblichen Verzögerungen führen, etwa wenn erst der Zahlungseingang per Überweisung abgewartet wird.
Schließlich werden einige Händler den Status von Downloads noch einmal neu überdenken. Derzeit ist strittig, ob Downloads als Warenlieferungen oder Dienstleistungen einzuordnen sind. Viele Anbieter nahmen bislang eine Einordnung als Dienstleistung vor, um das Widerrufsrecht zum Erlöschen zu bringen, indem der Kunde um ausdrückliche Zustimmung zur Leistungserbringung gebeten wurde. Da dies nun nicht mehr geht, könnten diese Anbieter versucht sein, nun doch von einer Warenlieferung auszugehen.
Unklar ist jedoch, ob Downloads als Warenlieferung unter die Ausnahme "zur Rücksendung nicht geeignet" fallen. Diese Ausnahme soll überdies nach dem Willen der Europäischen Kommission in der neuen Verbraucherrechtsrichtlinie vollständig gestrichen werden. Bleibt die Frage, wie Downloads künftig noch vom Widerrufsrecht ausgenommen werden können.
Vermutlich stehen die Abmahner schon in den Startlöchern, um Händler zu erwischen, die ihre Widerrufsbelehrung nicht rechtzeitig zum Inkrafttreten der Neuregelungen anpassen. Derzeit sieht die Musterbelehrung des Bundesjustizministeriums noch einen zwingend aufzunehmenden Hinweis zum Erlöschen des Widerrufsrechtes basierend auf der geltenden Rechtslage vor, der lautet:
„Bei einer Dienstleistung erlischt Ihr Widerrufsrecht vorzeitig, wenn Ihr Vertragspartner mit der Ausführung der Dienstleistung mit Ihrer ausdrücklichen Zustimmung vor Ende der Widerrufsfrist begonnen hat oder Sie diese selbst veranlasst haben.“ (Gestaltungshinweis 9)
Dieser (nach neuer Rechtslage fehlerhafte) Hinweis soll nach Informationen des Bundesjustizministeriums zeitgleich mit Inkrafttreten der Neuregelungen angepasst werden, d.h. es wird Mitte 2009 auch eine neue Version der amtlichen Musterbelehrung in Kraft treten, die dann verwendet werden muss, wenn der Händler Rechtssicherheit haben will.
Das vom Bundestag beschlossene Gesetz muss noch den Bundesrat passieren. Es ist jedoch nicht zustimmungspflichtig. Das Gesetz wird am Tag nach der Verkündung in Kraft treten. Nach Informationen des Bundesjustizministeriums könnte das Gesetz am 15.5.2009 den Bundesrat passieren, so dass es voraussichtlich im Juni in Kraft treten wird. Wir werden Sie hierüber auf dem Laufenden halten.
Telefonwerbung gegenüber Verbrauchern ohne deren Einwilligung ist zwar schon nach geltendem Recht ausdrücklich verboten. Sie stellt eine unzumutbare Belästigung nach dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb dar (§ 7 Abs. 2 Nr. 2 UWG). Dort heißt es derzeit schon:
Eine unzumutbare Belästigung ist stets anzunehmen ... bei Werbung mit einem Telefonanruf gegenüber einem Verbraucher ohne dessen Einwilligung oder gegenüber einem sonstigen Marktteilnehmer ohne dessen zumindest mutmaßliche Einwilligung;...
Wer diesem Verbot zuwider handelt, kann unter anderem von Mitbewerbern oder von Organisationen wie zum Beispiel den Verbraucherschutzverbänden auf Unterlassung in Anspruch genommen werden.
Unseriöse Firmen setzten sich aber zu Lasten der Verbraucher immer wieder über dieses Verbot hinweg und die Durchsetzung des geltenden Rechts stoße in der Praxis auf Schwierigkeiten, so Ministerin Zypries.
Verstöße gegen das bestehende Verbot der unerlaubten Telefonwerbung gegenüber Verbrauchern können künftig mit einer Geldbuße bis zu 50.000 Euro geahndet werden. Außerdem wird im Gesetz klargestellt, dass ein Werbeanruf nur zulässig ist, wenn der Angerufene vorher ausdrücklich erklärt hat, Werbeanrufe erhalten zu wollen. So wird verhindert, dass sich Anrufer auf Zustimmungserklärungen berufen, die der Verbraucher in einem völlig anderen Zusammenhang oder nachträglich erteilt hat.
Bei Werbeanrufen darf der Anrufer seine Rufnummer nicht mehr unterdrücken, um seine Identität zu verschleiern. Viele unerwünschte Werbeanrufe werden bislang nicht verfolgt, weil sich nicht feststellen lässt, wer angerufen hat. Denn die Unternehmen machen in der Regel von der Möglichkeit Gebrauch, ihre Rufnummer zu unterdrücken.
Dies wird nun durch das Telekommunikationsgesetz (TKG) verboten. Bei Verstößen gegen das Verbot der Rufnummernunterdrückung droht eine Geldbuße bis zu 10.000 Euro.
Verbraucherinnen und Verbraucher bekommen mehr Möglichkeiten, Verträge zu widerrufen, die sie am Telefon abgeschlossen haben. Verträge über die Lieferung von Zeitungen, Zeitschriften und Illustrierten sowie über Wett- und Lotterie-?Dienstleistungen können künftig widerrufen werden so wie es heute schon bei allen anderen Verträgen möglich ist, die Verbraucher am Telefon abgeschlossen haben.
In diesen Bereichen komme es besonders zu unerlaubter Telefonwerbung, um Verbraucher zu einem Vertragsabschluss zu bewegen. Bislang gibt es hier kein Widerrufsrecht (§ 312d Absatz 4 Nummer 3 und 4 BGB). Diese Ausnahmen werden beseitigt. Es kommt für das Widerrufsrecht nicht darauf an, ob der Werbeanruf unerlaubt war. Die Vorschrift ermöglicht einen Widerruf, aus welchen Gründen auch immer.
Quellen: Pressemeldung des Bundesjustizministeriums v. 26.3.2009, eigene Recherchen
Siehe auch hier im Blog:
Weitere Informationen finden Sie auf der Website des Bundesjustizministeriums.