Darf für die Nutzung der Ware während der Widerrufsfrist eine Gebühr verlangt werden?

Friteusen bald kostenfrei ausleihen?Kürzlich hat der BGH in einem Verfahren des Bundesverbandes der Verbraucherzentralen gegen den Versender Quelle entschieden, dass der Umtausch einer mangelhaften Ware kostenlos möglich sein muss. Quelle darf, so eine Vorgabe des EuGH, dem Kunden deshalb keine Gebühr für die Nutzung der mangelhaften Ware in Rechnung stellen. Doch wie sieht es eigentlich aus, wenn die Ware nicht mangelhaft ist, sondern im Rahmen des Widerrufs retourniert wird? Das AG Lahr hat bereits vor einiger Zeit diese Frage dem EuGH vorgelegt.

Darf dem Kunden für die Nutzung der Ware während der Widerrufsfrist eine Gebühr in Rechnung gestellt werden oder nicht?

Onlinehändler kennen die Problematik gut: Ein Kunde kauft z.B. einen Fernseher, nutzt diesen während der WM und gibt ihn dann nach Ausübung des Widerrufsrechtes zurück. Beliebt sind auch Navigationsgeräte oder Digitalkameras, die für einen Urlaub genutzt und dann zerkratzt zurück gegeben werden.

Händler trägt wirtschaftliches Risiko

Der Händler trägt in diesen Fällen bereits die Rücksendekosten und nach überwiegender Rechtsprechung auch die Hinsendekosten. Doch was ist eigentlich mit dem Verlust, der durch die Nutzung oder auch die erstmalige Ingebrauchnahme der Ware entsteht? Während die "Prüfung" wie im Ladengeschäft (also z.B. Anprobieren einer Hose) kostenfrei möglich sein muss, darf der Händler für die Ingebrauchnahme (z.B. Tragen der Hose für einen Tag) oder die Nutzung (zwei Wochen Tragen) Wertersatz verlangen.

Wertersatz wegen Nutzung der Ware 

Die zugrunde liegende Regelung des § 357 Abs. 3 S. 1 BGB wurde schon seit längerer Zeit seitens der Rechtswissenschaft kritisiert, da sie nicht mit EU-Recht vereinbar sei und der Verbraucher dadurch vom Widerruf abgehalten werden könne. Im deutschen Gesetz heißt es seit 2002:

"Der Verbraucher hat abweichend von § 346 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Wertersatz für eine durch die bestimmungsgemäße Ingebrauchnahme der Sache entstandene Verschlechterung zu leisten, wenn er spätestens bei Vertragsschluss in Textform auf diese Rechtsfolge und eine Möglichkeit hingewiesen worden ist, sie zu vermeiden."

Amtsgericht hat Bedenken 

Das AG Lahr hat mit Beschluss vom 26.10.2007 (5 C 138/07) die Frage, ob der Händler im Fall des Widerrufs berechtigt ist, Wertersatz für die durch den Verbraucher gezogenen Nutzungen zu verlangen, dem EuGH vorgelegt, da es Bedenken hat, dass die deutschen Regelungen mit Art. 6 der Europäischen Fernabsatzrichtlinie 97/7/EG im Einklang stehen.

Im entschiedenen Fall erwarb die Klägerin im Onlineshop ein gebrauchtes Notebook zum Preis von 278,00 Euro. In den verwendeten AGB hieß es u.a.:

„(...) Schließlich möchten wir ausdrücklich darauf hinweisen, dass Sie Wertersatz für die durch bestimmungsgemäße Ingebrauchnahme eingetretene Verschlechterung der bei uns bestellten Ware leisten müssen und wir dürfen Ihnen empfehlen, gewissenhaft Ihre Entscheidung zur Ingebrauchnahme der bei uns bestellten Waren zu treffen, wenn Sie unsicher sind, ob Sie die Ware behalten möchten.

Sie haben sicherlich Verständnis dafür, dass eine schon benutzte Ware an andere Kunden nur mit Abschlag veräußert werden kann. In der Regel beträgt der Abzug hierfür 15% des Warenwertes. Eine Verpflichtung zum Wertersatz besteht nicht bei original verpackter Ware, die nicht in Gebrauch genommen wurde. Es bleibt Ihnen dennoch unbenommen, die bei uns erworbene Ware zu prüfen.“

Kaufvertrag über gebrauchtes Notebook widerrufen 

Nach dem Kauf kam es zu einem Defekt des Displays des Computers. Als die Beklagte eine kostenlose Beseitigung des Defektes ablehnte, hat die Klägerin den Kaufvertrag widerrufen und das Notebook dem Beklagten Zug um Zug gegen Rückzahlung des Kaufpreises angeboten.

Der Händler wendete ein, dass der Kunde jedenfalls für ihre Nutzung des Notebooks Wertersatz zu leisten habe. Bei einem vergleichbaren Notebook liege der Mietpreis im Marktdurchschnitt bei 118,80 Euro für 3 Monate, so dass sich für die Nutzungszeit der Klägerin ein Wertersatz von 316,80 Euro ergebe, das dem geltend gemachten Zahlungsanspruch entgegen gehalten werden könne.

Widerruf nach 8 Monaten wegen falscher Widerrufsbelehrung 

Die Klägerin habe den Vertrag vor Ablauf der Widerrufsfrist widerrufen, da ihr keine wirksame Widerrufsbelehrung zugegangen sei, so das AG Lahr.

„Das Gericht geht nach seiner derzeitigen Rechtsauffassung davon aus, dass die Widerrufs- und Widerrufsfolgenbelehrung der Beklagten unter anderem aus folgenden Gründen unwirksam ist:

  • Es wird nicht darauf hingewiesen, dass die Widerrufsfrist erst ab dem Erhalt der Widerrufsbelehrung beginnt.
  • Der Verbraucher soll Kosten und Gefahr der Rücksendung tragen.
  • Nichtangekündigte Rücksendungen sollen nicht abgenommen werden.
  • Es wird nicht ausdrücklich darauf hingewiesen, dass nach § 357 Abs. 3 BGB kein Wertersatz zu zahlen ist im Falle der Verschlechterung der Ware, die ausschließlich auf die Prüfung der Sache zurückzuführen ist.“

Verstoß gegen EU-Recht?

Es sei davon auszugehen, dass die Klägerin das Notebook lediglich bestimmungsgemäß in Gebrauch genommen hat, so dass die Wertersatzpflicht nach § 357 Abs. 3 BGB hier eingreife, so das AG Lahr.

Das AG Lahr erklärte aber Zweifel, ob diese Auslegung mit der Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates 97/7/EG vom 20. Mai 1997 vereinbar sei, nach deren Art. 6 Abs. 1 und 2 die einzigen Kosten, die dem Verbraucher infolge der Ausübung seines Widerrufsrechtes auferlegt werden können, die unmittelbaren Kosten der Rücksendung der Waren sind.

Deutscher Gesetzgeber hält Regelung für wirksam 

Im Regierungsentwurf zur Einführung des § 357 Abs. 3 BGB wird die EG-rechtliche Zulässigkeit der Wertersatzpflicht bei einer Verschlechterung des Kaufgegenstandes infolge bestimmungsgemäßer Ingebrauchnahme bejaht:

„In der Diskussion ... ist aber zu Recht darauf hingewiesen worden, dass es hier nicht um Kosten geht, die „infolge des Widerrufes“ entstehen. Es geht vielmehr um die Rückabwicklung von Vorteilen und Schäden, die durch die vorübergehende Benutzung entstehen. Diese Frage regelt die Fernabsatzrichtlinie nicht."“

Anders als der deutsche Gesetzgeber ist das Amtsgericht jedoch der Auffassung, dass die Fernabsatzrichtlinie keinen Raum für solchen Wertersatz lässt.

„Im Erwägungsgrund 14 der Richtlinie 97/7/EG heißt es im dritten Satz: „Damit es sich um mehr als ein bloß formales Recht handelt, müssen die Kosten, die, wenn überhaupt, vom Verbraucher im Fall der Ausübung des Widerrufsrechtes getragen werden, auf die unmittelbaren Kosten der Rücksendung der Waren begrenzt werden.“

Dies kann so ausgelegt werden, dass jegliche über die Pflicht zur Rückgabe der Vertragswaren hinausgehenden Zahlungsverpflichtungen des Verbrauchers mit Ausnahme der Rücksendekosten ausgeschlossen werden sollen.“

Der Rechtsstreit wurde daher ausgesetzt und die Frage dem EuGH zur Entscheidung vorgelegt. Ein Entscheidungstermin steht noch nicht fest.

Friteusen bald kostenlos ausleihen?

Würde der EuGH die Ansicht des AG Lahr teilen, könnten Friteusen, Fernseher, Brautkleider, Kameras, Navigationssysteme und beliebige andere Produkte bald ungestraft kostenfrei im Internet ausgeliehen werden.

Die Ansicht des AG Lahr ist jedoch unzutreffend. Denn anders als bei mangelhaften Produkten ist dem Verkäufer bei Ausübung des Widerrufsrechts keinerlei Pflichtverletzung vorzuwerfen. Zudem wird die Gebühr gerade nicht wegen der Ausübung des Widerrufsrechtes, sondern wegen Nutzung der Ware verlangt, die nicht notwendig ist, sondern in der freien Entscheidung des Verbrauchers liegt.

Schließlich plant der europäische Gesetzgeber, in der neuen Verbraucherrechtsrichtlinie den Wertersatzanspruch ausdrücklich festzuschreiben. Dort heißt es in Art. 17 Abs. 2:

"Der Verbraucher haftet für einen etwaigen Wertverlust der Waren nur, wenn dieser Wertverlust auf einen zur Prüfung der Eigenschaften und des Funktionierens der Waren nicht notwendigen Umgang mit ihnen zurückzuführen ist."

Ungeachtet des Vorlagebeschlusses des AG Lahr können also Kunden weiterhin Gebühren für die Nutzung von Waren während der Widerrufsfrist in Rechnung gestellt werden. Eine andere Entscheidung des EuGH ist nicht zu erwarten. (cf)

Siehe auch:

04.12.08