Wie schon Juni hier im Blog berichtet, plant die Bundesregierung eine Neuordnung des Widerrufs- und Rückgaberechts zum 31. Oktober 2009. Gestern am 5.11.2008 wurde nun der entsprechende Kabinettsentwurf verabschiedet. Demnach wird nicht nur das Widerrufsmuster als formelles Gesetz gefasst und somit unangreifbar, sondern auch die Ungleichbehandlung von Online-Shops und eBay-Verkäufern bei Widerrufsfrist und Wertersatz aufgehoben.
Lesen Sie mehr über die geplanten Neuregelungen zugunsten der Shop-Betreiber.
Das Bundeskabinett hat am 5.11.2008 den Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Verbraucherkreditrichtlinie, des zivilrechtlichen Teils der Zahlungsdiensterichtlinie sowie zur Neuordnung der Vorschriften über das Widerrufs- und Rückgaberecht beschlossen. Mit diesem Gesetz werden die genannten europäischen Richtlinien in nationales Recht umgesetzt. Neben Regelungen zu Verbraucherdarlehen und Zahlungsdiensten wird auch das Widerrufs- und Rückgaberecht neu geregelt.
"Mit dem heute beschlossenen Gesetzentwurf wird das Schutzniveau für die Verbraucher bei Verbraucherkreditverträgen verbessert. Das gilt sowohl für den Abschluss als auch für die Durchführung von Darlehen. Verbraucher werden besser über den Vertragsinhalt informiert und unseriösen Lockvogelangeboten wird ein Riegel vorgeschoben.
Außerdem vereinfachen wir die Widerrufs- und Rückgaberechte bei Verbraucherverträgen und schaffen mehr Rechtssicherheit bei der Verwendung der entsprechenden Musterbelehrungen. Darüber hinaus schaffen wir für den europäischen Markt einheitliche Rechte und Pflichten für den bargeldlosen Zahlungsverkehr. Davon profitieren die Kunden und die Zahlungsdienstleister"
erklärte Bundesjustizministerin Brigitte Zypries.
Die bereits bestehenden Vorschriften über das Widerrufs- und Rückgaberecht werden neu geordnet. Dies führt zu mehr Rechtssicherheit und zwar nicht nur bei Verbraucherverträgen, sondern - durch eine Änderung des Versicherungsvertragsgesetzes - auch bei Versicherungsverträgen.
Zum 1. April 2008 war nach jahrelanger Kritik bereits eine korrigierte Musterbelehrung in Kraft getreten. Bereits damals war jedoch klar, dass das Bundesministerium der Justiz in naher Zukunft Vorschläge für ein formelles Gesetz unterbreiten wollte, das auch Regelungen zu den Mustern enthalten wird. Die Neufassung der Muster im Verordnungswege stellte also lediglich einen unverzichtbaren Zwischenschritt auf dem Weg zu Mustern mit Gesetzesrang dar.
Dass die Muster nach wie vor nur Verordnungsrang haben, wurde einhellig kritisiert, weil sie trotz umfangreicher Korrekturen theoretisch weiterhin von einzelnen Gerichten für unwirksam erklärt und somit von findigen Anwälten abgemahnt werden könnten.
Bislang blieben erfolgreiche Abmahnungen zwar aus, und das Muster wurde von gewichtigen Stimmen in der juristischen Literatur als weitgehend gelungen bewertet, so von dem renommierten Rechtsanwalt Dr. Andreas Masuch, Kommentator des Vorschriften zum Widerrufsrecht im Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch (Verlag C.H. Beck):
„Die Neufassung des Musters einer Widerrufsbelehrung in Anlage 2 zur BGB-InfoV stellt eine deutliche Verbesserung der bisherigen Rechtslage dar. Jedenfalls außerhalb des Bereichs verbundener Verträge hält sich das Muster nunmehr im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben.“ (Masuch, NJW 2008, 1700, 1703).
Wichtige Änderungen finden sich in dem geplanten § 355 Abs. 2 Satz 2 BGB-E. Damit will die Bundesregierung die Rechtslage bei eBay-Verkäufen der Rechtslage bei Verkäufen über Online-Shops anpassen, weil es keinen sachlichen Grund für eine Ungleichbehandlung gibt.
Hierzu heißt es in der ausführlichen Begründung:
"Die unterschiedliche Behandlung von Fernabsatzgeschäften über eine Internetauktionsplattform und solchen, die sich in einem „normalen“ Internetshop vollziehen, beruht ausschließlich auf der rechtlichen Konstruktion des Vertragsschlusses. Unterschiede in der Sache bestehen nicht.
Deshalb stellt § 355 Abs. 2 Satz 2 zukünftig bei Fernabsatzverträgen eine unverzüglich nach Vertragsschluss in Textform mitgeteilte Widerrufsbelehrung einer solchen bei Vertragsschluss gleich, wenn der Unternehmer den Verbraucher gemäß Artikel 246 § 1 Abs. 1 Nr. 10 EGBGB-E zuvor über sein Widerrufs- oder Rückgaberecht unterrichtet hat. Damit ist sichergestellt, dass der Verbraucher vor Abgabe seiner Vertragserklärung in jedem Fall über sein Widerrufsrecht informiert werden muss, wenn die Widerrufsfrist 14 Tage betragen soll.“
Diese Gleichstellung hatte u.a. auch Trusted Shops in einer gemeinsamen Stellungnahme mit der Verbraucherkommission Baden-Württemberg und dem DIHK gefordert.
Analog zur Angleichung der Widerrufsfrist wird auch die Regelung zum Wertersatz für eine durch die sog. bestimmungsgemäße Ingebrauchnahme der Sache entstandene Verschlechterung bei Online-Shops und eBay angeglichen. Hierzu wird der § 357 Abs. 3 BGB entsprechend geändert, indem nach Satz 1 folgender Satz eingefügt wird:
„Bei Fernabsatzverträgen steht ein unverzüglich nach Vertragsschluss in Textform mitgeteilter Hinweis einem solchen bei Vertragsschluss gleich, wenn der Unternehmer den Verbraucher rechtzeitig vor Abgabe von dessen Vertragserklärung in einer dem eingesetzten Fernkommunikationsmittel entsprechenden Weise über die Wertersatzpflicht und eine Möglichkeit zu ihrer Vermeidung unterrichtet hat.“
Um das sachlich gerechtfertigte Ergebnis, nämlich eine rechtliche Gleichbehandlung von Internetauktionshäusern mit „normalen“ Internetshops, zu erreichen, wird ein dem § 355 Abs. 2 Satz 2 BGB in der Fassung des Entwurfes nachgebildeter Satz eingefügt, so das Bundesjustizministerium:
„Mit dieser neuen Regelung, die § 355 Abs. 2 Satz 2 BGB in der Fassung des Entwurfes nachgebildet ist, wird den Besonderheiten bei Internetauktionen Rechnung getragen. Nach § 357 Abs. 3 Satz 1 kann der Unternehmer vom Verbraucher Wertersatz für eine durch die bestimmungsgemäße Ingebrauchnahme der Sache entstandene Verschlechterung nur verlangen, wenn der Verbraucher „spätestens bei Vertragsschluss“ in Textform auf diese Rechtsfolge und eine Möglichkeit hingewiesen worden ist, sie zu vermeiden. Durch die Einfügung des neuen Satzes wird sichergestellt, dass Fernabsatzgeschäfte über eine Internetauktionsplattform und solche, die sich in einem „normalen“ Internetshop vollziehen, rechtlich nicht unterschiedlich behandelt werden. …
Eine weitere Kernregelung, die dazu führt, dass Gerichte das Widerrufsbelehrungsmuster nicht mehr angreifen können, enthält § 360 Abs. 3 BGB-E. Hier wurde die bisherige Privilegierung aus § 14 BGB-InfoV übernommen, die das Muster für rechtens erklärt. Da es diese Frage bislang jedoch nur in einer Rechtsverordnung geregelt ist, konnten Gerichte das Muster gleichwohl für unwirksam erklären. Dies wurde u.a. von Trusted Shops kritisiert und ändert sich nun:
„Durch die Aufnahme der Gesetzlichkeitsfiktion in das BGB erlangt diese den Rang eines formellen Gesetzes. Die Muster sollen als Anlagen zum Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuche ebenfalls den Rang eines formellen Gesetzes haben. Damit ist es Gerichten verwehrt, die Muster als unwirksam zu verwerfen und aufgrund dessen die Gesetzlichkeitsfiktion für eine den Mustern entsprechende Belehrung zu versagen.“
Das gestern vom Bundeskabinett beschlossene Gesetz muss noch vom Deutschen Bundestag beraten und verabschiedet werden. Es soll am 31. Oktober 2009 in Kraft treten. Einer Zustimmung des Bundesrates bedarf es nicht. (cf)
Quellen:
Siehe auch hier im Blog:
Weitere Diskussion:
Zur Historie:
Abmahnradar Oktober 2024
Abmahnradar September 2024
Abmahnradar August 2024