Wann ist die Schwelle vom Privatverkäufer zum Unternehmer überschritten?

Das Widerrufsrecht und die Informationspflichten im Fernabsatz gelten nur für Unternehmer. Insbesondere bei Verkäufen über Portale wie eBay taucht immer wieder die Frage auf, wann die Schwelle vom Privatverkäufer zum Unternehmer überschritten ist. Der BGH entschied, dass eine Gewinnerzielungsabsicht nicht erforderlich ist. Aber welche Kriterien gelten genau?

Das OLG Frankfurt a. M. (Beschluss v. 21.03.2007, 6 W 27/07) und das OLG Hamburg (Beschluss v. 27.2.2007, 5 W 7/07) haben sich bereits vor einiger Zeit mit dem Begriff des Unternehmers i. S. v. § 14 BGB befasst und entschieden, dass die Unternehmereigenschaft eine dauerhafte, planmäßige Ausrichtung auf eine Vielzahl von Geschäfte voraussetzt. Damit haben die Gerichte den Vorgaben des BGH (Urteil v. 29.03.2006, VIII ZR 173/05) Rechnung getragen.

484 Bewertungen bei eBay in einem Jahr

Im vom OLG Frankfurt a. M. entschiedenen Fall wickelte ein Verkäufer über eBay binnen eines Jahres 484 (bewertete) Geschäfte ab, wobei er durchweg als Verkäufer auftrat. Nach seiner eigenen Darstellung stellt er ca. 20 bis 30 Stempel pro Woche zur Veräußerung ein. Im September bzw. Oktober 2006 bot er zeitgleich 369 Artikel zum Verkauf an.

Das OLG Frankfurt a. M. enschied, der Verkäufer habe unternehmerisch gehandelt. Der Begriff des Unternehmers ist in § 14 BGB definiert. Danach ist ein Unternehmer eine natürliche oder juristische Person oder eine rechtsfähige Personengesellschaft, die bei Abschluss eines Rechtsgeschäfts in Ausübung ihrer gewerblichen oder selbständigen beruflichen Tätigkeit handelt.

Planmäßigkeit und Dauerhaftigkeit der Verkaufstätigkeit

Diese Anforderungen konkretisiert das Gericht so:

„Eine gewerbliche Tätigkeit setzt ein selbständiges und planmäßiges, auf eine gewisse Dauer angelegtes Anbieten entgeltlicher Leistungen am Markt voraus …, wobei eine Gewinnerzielungsabsicht nicht erforderlich ist … . Bei der Frage, welches Maß an Planmäßigkeit und Dauerhaftigkeit die Verkaufstätigkeit insoweit erreichen muss, ist auch die Funktion der Abgrenzung zwischen privater und gewerblicher Tätigkeit zu beachten."

Powerseller und Shops sind immer Unternehmer

Eine Verkaufstätigkeit über die elektronische Handelsplattform eBay sei regelmäßig als gewerblich einzustufen, wenn der Anbieter als „PowerSeller“ registriert ist. Die (freiwillige) Registrierung als „PowerSeller“ sei jedoch umgekehrt keine notwendige Voraussetzung für die Bewertung einer Internet-Verkaufstätigkeit als unternehmerisch. Diese Einstufung könne sich vielmehr auch aus anderen Umständen des Einzelfalls ergeben, wobei der Dauer und dem Umfang der Verkaufstätigkeit wesentliche Bedeutung zukommt.

Umfang und Ausgestaltung der Verkaufstätigkeit

Auch der Umfang und die Ausgestaltung (eBay-Shop) der Verkaufstätigkeit belegen nach diesen Maßstäben im entschiedenen Fall eindeutig eine gewerbliche Tätigkeit, so das OLG Frankfurt a. M.:

„Der Umstand, dass der Antragsgegner die zum Verkauf gestellten Stempel aus einer privaten Sammlung entnimmt, sie also nicht zuvor selbst eingekauft hat, ändert an der Gewerblichkeit seiner Tätigkeit nichts. Richtig ist allerdings, dass das Merkmal des Weiterverkaufs in der Abgrenzung zu privaten Gelegenheitsverkäufen für eine gewerbliche Tätigkeit spricht, während Verkäufe aus einem privaten Bestand eher dem nicht unternehmerischen Bereich zuzuordnen sein werden.“

Diese Ansicht hat das OLG Frankfurt a. M. mit seinem späteren Beschluss v. 04.07.2007 (6 W 66/07) in einem vergleichbaren Fall bestätigt:

„Im vorliegenden Fall hat da Landgericht zu Recht maßgeblich darauf abgestellt, dass der Beklagte einen eigenen ebay Shop x mit einer beträchtlichen Anzahl von eingestellten Artikeln unterhält und diesen mit dem Slogan x bewirbt. Über diesen Shop hat der Beklagte kontinuierlich über einen längeren Zeitraum hinweg und mit einem nicht nur geringfügigen Verkaufserfolg am Marktgeschehen teilgenommen, wobei er – in Abgrenzung zu einer gelegentlichen Verkaufstätigkeit etwa auf Flohmärkten – mit einer Vielzahl von Angeboten für eine unüberschaubare Menge potentieller Interessenten ständig im Internet präsent war. Diese in ihrer Gesamtheit zu würdigenden Umstände qualifizieren den Beklagten als Unternehmer.“

Anzahl der Verkäufe

Das OLG Hamburg setzt sich mit dem Beschluss 27.2.2007 (5 W 7/07) auch mit dem Kriterium der Anzahl der Verkäufe auseinander:

„Die Unternehmereigenschaft eines Verkäufers bei E-Bay ist vor diesem Hintergrund bei Würdigung der Gesamtumstände des Einzelfalls anhand von Indizien zu bestimmen. Indizien, aus denen die Unternehmereigenschaft folgen kann, sind Zahl und Häufigkeit der vom Verkäufer durchgeführten Auktionen, wobei auch der Geschäftsgegenstand - Neuware, Veräußerung gleicher oder unterschiedlicher Waren - eine Rolle spielt, der Auktionsumsatz, ein Auftritt oder die Verwendung von Werbebeschreibungen, die einen professionellen Eindruck machen oder das Betreiben eines eBay-Shops.

Allerdings sei allein die Anzahl der Auktionen oder die abgegebenen Bewertungen der Ersteigerer für sich genommen - zumindest unter einer bestimmten Größenschwelle - noch kein zuverlässiges Indiz für die Unternehmereigenschaft des Anbieters. Voraussetzung für eine gewerbliche Tätigkeit sei immer auch die dauerhafte, planmäßige Ausrichtung auf eine Vielzahl von Geschäften.

"Zwar muss der Umfang einer Verkaufstätigkeit hierfür kein zwingendes Indiz sein, wenn z.B. umfangreiche private Sammlungen aufgelöst oder eine Vielzahl nicht zusammenhängender Gegenstände (z.B. aus Anlass einer Haushaltsauflösung) veräußert werden.“

Der Beklagte hat in diesem Fall in einem Zeitraum von ca. 2 Jahren insgesamt 242 Bewertungen als Verkäufer erhalten. Schon mit dem Ausmaß der daraus ersichtlichen Geschäftstätigkeit sei er auf der Grundlage der einschlägigen Rechtsprechung im Regelfall als Unternehmer anzusehen.

Angebot gleichartiger Ware

Maßgeblich für die Annahme einer Unternehmereigenschaft im vom OLG Hamburg entschiedenen Fall sei insbesondere auch der Umstand, dass der Beklagte nicht in erster Linie eine Vielzahl unterschiedlicher Gegenstände zum Verkauf anbiete, sondern selbst offensiv mit dem Verkauf gleichartiger bzw. sachlich in Zusammenhang stehender Waren in großem Umfang werbe:

„Seine Werbebehauptungen „Gebrauchte Hardware in Massen“ …,„Tonnenweise Hardware“ sowie „eine Riesen-Menge Hardware“… vermitteln den angesprochenen Verkehrskreisen ohne Weiteres den Eindruck, dass der Beklagter – wie dies auch tatsächlich der Fall ist – in großem Umfang Waren zum Verkauf anbietet.

Aus welchen inneren Beweggründen er dies tut, auf welchem Weg er sich diese Waren beschafft hat, insbesondere ob diese ausschließlich aus privaten Beständen stammen, und ob diese noch brauchbar sind oder nicht ist für die Frage, ob der Beklagte als Unternehmer i.S.v. § 14 BGB zu behandeln ist, ohne Bedeutung. Hierauf hat das Landgericht zutreffend hingewiesen.“

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05.11.08