Während es zu den Kosten der Rücksendung im Falle des Widerrufs eine klare gesetzliche Vorgabe gibt, fehlt eine Regelung zu den Kosten des ursprünglichen Versandes (sog. Hinsendekosten) vollständig im Gesetz. Schon bislang entschieden die Gerichte überwiegend, dass der Kunde diese Kosten nicht tragen muss. Am 1. Oktober wird nun der BGH über diese Frage ein Grundsatzurteil fällen. Viele Onlinehändler erwarten die Entscheidung mit Spannung, wir erwarten allerdings keine grundlegenden Änderungen gegenüber der bisherigen Rechtsprechung.
Lesen Sie mehr über den Stand der Dinge zu “Hinsendekosten” und warum wir keine Entscheidung des BGH zugunsten der Händler erwarten.
Der Rechtsstreit betrifft die Frage, ob es bei einem Fernabsatzgeschäft gegen verbraucherschützende Vorschriften verstößt, wenn der Verbraucher mit Versandkosten für die Hinsendung der Ware an ihn belastet wird, sofern er von seinem Widerrufs- bzw. Rückgaberecht Gebrauch macht und die Ware vollständig an den Verkäufer zurücksendet.
Verbraucherzentrale NRW gegen Heine Versand
Klägerin ist die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen. Die Beklagte, der Heine-Versand, betreibt ein Versandhandelsunternehmen. Ihre Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthalten folgende Klauseln:
“Kauf auf Probe
Bei Heine kaufen Sie auf Probe, d.h. Sie können gelieferte Ware ohne Angabe von Gründen innerhalb von 14 Tagen zurückgeben. Der Kaufvertrag/Kreditkaufvertrag wird ab Erhalt der Ware durch Ihre Billigung wirksam, spätestens jedoch nach Ablauf dieser 14-tägigen Frist.Lieferung und Versandkosten
Die Firma H. trägt einen Großteil der Kosten für die sorgfältige Verpackung und die zuverlässige Zustellung der Ware. Ihr Versandkostenanteil beträgt pro Bestellung aktuell nur pauschal € 4,95.”
Der Kläger nimmt die Beklagte auf Unterlassung der Erhebung von Kosten für die Zusendung der Ware (Versandkosten) nach Ausübung des Widerrufs- bzw. Rückgaberechts in Anspruch. Das Landgericht hat der Klage stattgeben. Das Oberlandesgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen.
Verstößt Praxis gegen europäisches Recht?
Das OLG Karlsruhe begründet seine Rechtsauffassung wie folgt: Die Fernabsatzrichtlinie (Richtlinie 97/7/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Mai 1997 über den Verbraucherschutz bei Vertragsabschlüssen im Fernabsatz) gebiete es, den Verbraucher bei Ausübung seines Widerrufs- bzw. Rückgaberechts im Rahmen eines Fernabsatzgeschäfts von Hinsendekosten freizustellen. Gemäß Art. 6 Abs. 1 Satz 2 der Fernabsatzrichtlinie seien die einzigen Kosten, die dem Verbraucher infolge der Ausübung seines Widerrufsrechts auferlegt werden könnten, die unmittelbaren Kosten der Rücksendung der Ware.
Dagegen wendet sich die Beklagte mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision. Der BGH wird hierüber am 2.10.2008 verhandeln.
Bisherige Rechtsprechung in Deutschland
Bislang gibt es ausschließlich Urteile, die dem Kunden die Hinsendekosten zusprechen, nämlich
- LG Hamburg, 02.12.2005, 406 O 127/05
- AG Gütersloh, 25.05.2005, 10 C 314/05
- OLG Frankfurt, 28.11.2001, 9 U 148/01
- OLG Karlsruhe, 5.9.2007, 15 U 226/06
Rechtslage in Frankreich
Im französischen Recht ist die Auferlegung der Hinsendekosten auf den Händler seit 1.6.2008 durch das Artikelgesetz „Loi Chatel“ (Änderung des Art. L121-20-1 Code de la Consommation) explizit so gesetzlich festgeschrieben worden. Hier gab es zuvor auch schon entsprechende Rechtsprechung.
«Article L121-20-1
Modifié par LOI n°2008-3 du 3 janvier 2008 – art. 31
Lorsque le droit de rétractation est exercé, le professionnel est tenu de rembourser le consommateur de la totalité des sommes versées, dans les meilleurs délais et au plus tard dans les trente jours suivant la date à laquelle ce droit a été exercé. Au-delà, la somme due est, de plein droit, productive d’intérêts au taux légal en vigueur. Ce remboursement s’effectue par tout moyen de paiement. Sur proposition du professionnel, le consommateur ayant exercé son droit de rétractation peut toutefois opter pour une autre modalité de remboursement. »
http://www.codes-et-lois.fr/code-de-la-consommation/toc-partie-legislative-texte-integral
Noch deutlicher das entsprechende Papier des französischen Ministeriums zu dieser Gesetzesänderung des Art. L121-20-1:
“précision selon laquelle le remboursement d’un consommateur ayant exercé son droit de rétractation comprend toutes les sommes versées (y compris les frais de port aller, les éventuels frais de traitement de commande, …)”
Argumente pro Verbraucher
Für diese Auffassung spricht, dass der Kunde insbesondere bei geringwertigen Warenwerten oder besonders hohen Versandkosten (z.B. Speditionskosten) durch eine Pflicht zur Tragung der Hinsendekosten vom Widerruf abgehalten werden könnte. Dies betont auch NRW-Verbraucherzentralen Vorstand Klaus Müller:
„Die Praxis, dass Versandhändler beim Widerruf auf Zahlung der Hinsendekosten pochen, war für Käufer bislang ein Hemmschuh, ihr Widerrufsrecht wahrzunehmen. Denn vor allem bei Bestellungen mit geringem Warenwert war ein Widerruf aufgrund der hohen Kosten für Hin- und Rücksendung nicht wirtschaftlich.“
Argumente pro Händler
Gegen diese Sichtweise wird allerdings vorgebracht (z.B. Becker/Föhlisch, NJW 2005, 3377, 3380), dass es sich bei den Hinsendkosten ja nicht um eine Leistung handelt, die der Händler im Rahmen der Rückabwicklung zurück erhält, sondern die Kosten in jedem Fall verbraucht sind. Nach den allgemeinen Rücktrittsregeln ist in diesem Fall nichts zurück zu gewähren (§ 346 Abs. 2 Nr. 1 BGB).
Mit Art. 6 Abs. 2 der Fernabsatzrichtlinie wollte der europäische Gesetzgeber verhindern, dass der Händler seine Kunden durch Straf- oder Bearbeitungsgebühren von einem Widerruf abhält. Hinsendekosten sind damit m.E. nicht zu vergleichen, weil der Händler diese verliert und nicht davon profitiert.
Die Belastung durch die Rücksendekosten ist in Deutschland im Vergleich zu fast allen anderen europäischen Ländern schon sehr hoch, zumal der Händler nach der Rechtsprechung des OLG Hamburg auch noch gezwungen ist, unfreie Pakete anzunehmen.
Abweichende Gerichtsentscheidungen
Anderer Auffassung waren bislang nur das LG und das OLG Nürnberg (Beschluss v. 5.10.2004, 3 U 2464/04), die meinten, dass die Geltendmachung von anteiligen Versandkosten bei Rückgabe der Ware im Versandhandelskauf („Hinsendekosten“) keinen Verstoß gegen die §§ 312b-d BGB darstellt.
Neue EU-Richtlinie im Oktober 2008
Wie aus Lobbyistenkreisten zu hören ist, will die Kommission allerdings in der neuen “Directive on Consumer Contractual Rights”, die dem Vollharmonisierungsprinzip folgen soll, die Hinsendekosten ausdrücklich dem Händler auferlegen (Rec. 37, Art. 17), der allerdings dann die Möglichkeit haben soll, dem Verbraucher immer die Rücksendekosten aufzuerlegen, wie dies in den meisten EU-Staaten heute schon der Fall ist.
Insofern erwarte ich, dass der BGH ebenfalls im Sinne des OLG Karlsruhe entscheiden wird. Die neue EU-Richtlinie soll im Oktober vorgestellt werden. (cf)
Weitere Informationen
Verhandlungstermin beim BGH:
1. Oktober 2008 – VIII ZR 268/07
Vorinstanzen:
LG Karlsruhe – Urteil vom 19. Dezember 2005 – 10 O 794/05
OLG Karlsruhe – Urteil vom 5. September 2007 – 15 U 226/06
Siehe auch hier im Blog:
Ich bin gespannt.
Aber wie auch hier vermutet wird, ist auch zum wiederholten male der Kunde
König. Ob der Händler dabei Verlust erleidet ist sehr wahrscheinlich unrelevant.
Verstehen kann ich es nicht, denn wenn ein Kunde Ware bestellt, sollte Ihm
bewusst sein, das man die Ware nicht nach Lust und Laune wieder zurück senden kann. Und eben diese Situation wird dem Käufer zu einfach gemacht.
Spaßkäufe auf Verkäuferkosten sind keine Seltenheit.
Bei Probefahrten mit Spritgutschein für 2 Wochen würden wahrscheinlich auch alle Autohäuser streiken. Nur mit dem Unterschied, dass der Versandhandel gesetzlich dazu gezwungen wird.
Das ist einfach unerträglich.
Geht jemand in den Laden und kauft etwas und will es später umtauschen hat der Käufer auch Anfartskosten und zwr zweimal, einmal beim Kauf und einmal beim Umtausch, die dieser nicht ersetzt bekommt.
Das ist eine krasse Ungleichbehandlung.
Wieso wird jemand, der im Internet etwas kauft aus potetiell Blöde angesehen? Mehr Informnationsmöglichkeiten als im Internet über den Kaufgegenstand kann dieser garnicht einholen. Das ist so im Stationären Handel gar nicht möglich.
Wer sich nicht informiert ist selber schuld.
Anstatt Kunden zu einem sorgsamen Umgang mit einkäufen im Internet anzuhalten, wird hier bewusst alles so vereinfacht, das hier zu lasten von Händlern der Kunde keinerlei Verantwortung mehr für sein Tun übernehmen muss.
Was ist denn das für eine Rechtsauffassung. Das ist mehr als Weltfremd.
Diejenigen die für diesen Quatsch Verantwortung tragen sollten das mal am eigenen Leibe im Tagtäglich Verkaufskampf erleben müsen, dann würde das wohl ganz schnell zu anderen vernünftigen Entscheidungen verhelfen..