LG Berlin: Achtung Abmahngefahr - Fehlende Auslandsversandkosten sind kein Bagatellverstoß

Versand nach ganz EuropaBietet ein Onlinehändler Lieferung auch in das europäische Ausland an, dann muss er auch die Auslandsversandkosten angeben, und zwar nicht erst auf Anfrage des Kunden, sondern schon in der Werbung mit Preisen, so das Gesetz. Nun entschied das LG Berlin, dass dies insbesondere für Unternehmen mit einem nicht nur unerheblichen Auslandsumsatz und gezielter Werbung gilt. Werden hier die Versandkosten nicht genannt, könne dies - in Abgrenzung zur Rechtsprechung des Kammergerichts - kein Bagatellverstoß sein.

Lesen Sie mehr über die Abmahnbarkeit fehlender Angaben zu Auslandsversandkosten.

Im dem vom LG Berlin (Urteil v. 24.06.2008 - 16 O 894/07) entschiedenen Fall mahnte ein eBay-Händler von Garten- und Outdoorartikeln einen Mitbewerber wegen dessen lückenhaften eBay-Angebots ab und nahm ihn dann gerichtlich auf Unterlassung und Schadensersatz in Anspruch.

Im Angebot hieß es u. a. unter „Verpackung und Versand“ „Versand nach: Europäische Union“. Angaben zu den Versandkosten gab es jedoch lediglich für Deutschland, Großbritannien, Österreich, Dänemark, Benelux, Italien, Frankreich und Spanien.

Versandkosten für alle Liefer-Länder

Das LG Berlin hat im sogenannten Hauptsacheverfahren einen Verstoß gegen die §§ 1 Abs. 2 S. 2 PAngV, 1 Abs. 1 Nr. 8 BGB-InfoV bejaht und somit die Entscheidung aus dem einstweiligen Verfügungsverfahren bestätigt:

„Die Kammer hat in der einstweiligen Verfügung dazu ausgeführt: „Nach §§ 1 Abs. 2 S. 2 PAngV, 1 Abs. 1 Nr. 8 BGB-InfoV sind zusätzlich anfallende Liefer- und Versandkosten der Höhe nach anzugeben....“

Daran ist festzuhalten. Die Antragsgegnerin bietet ausdrücklich den Versand in die gesamt Europäische Union an. Ob aus einzelnen EU-Staaten derzeit keine konkrete Nachfrage (Antragsgegnerin: „In die eine Lieferung praktisch nicht stattfindet“) besteht, spielt keine Rolle, denn die Antragsgegnerin erklärt sich insoweit lieferbereit.

Der Verbraucher soll vor Vertragsschluss über die – gerade im Auslandversand nicht unerheblichen und damit den Zahlbetrag erheblich verteuernden – Lieferkosten informiert werden, nicht zuletzt damit ihm überhaupt erst ein Preisvergleich mit dem stationären Handel vor Ort oder dem Versandhandel im Herkunftsland ermöglicht wird. Es handelt sich mithin um eine wettbewerbserhebliche Informationspflicht.“

Auslandsumsatz und Werbung entscheidend

Zu beachten sei hier, dass die Antragsgegnerin gezielt mit einem Versand in die gesamte Europäische Union wirbt, so das LG Berlin:

Der Auslandsumsatz ist auch nicht völlig unbedeutend. Der Antragssteller nennt für sein Unternehmen einen Anteil von bis zu 20%, der sich je nach Warengruppe um bis zu 13% reduziert habe, als er sich vorübergehend auf Österreich beschränkt habe. Es ist mangels gegenteiligen Vorbringens der Antragsgegnerin davon auszugehen, dass bei ihr die Verhältnisse ähnlich liegen. ...

Nicht zu vernachlässigen ist schließlich die zusätzliche Werbesprache, welche die Antragsgegnerin mit einer Abrufbarkeit von allen eBay-Portalen in Europa erreicht, indem sie in der Rubrik „Versand nach:“ in der eBay-Angebotsmaske „Europäische Union“ angibt, während bei einer räumlich weiter eingeengten Angabe der Zielländer das Angebot auch nur über die entsprechenden nationalen eBay-Portale abrufbar wäre.“

Anhand dieser Kriterien hatte zuvor das KG Berlin (Beschluss v. 7.9.2007, 5 W 266/07) die Wettbewerbserheblichkeit eines Verstoßes gegen die Preisangabenverordnung verneint. Im damals zu entscheidenden Fall begehrte die Antragsstellerin die Unterlassung der Angabe „Versand nach Europa“, ohne die diesbezügliche Versandkosten zu nennen.

Das KG ist seinerzeit von einer geringen Marktbedeutung des Händlers und daher von einem unverhältnismäßigen Aufwand und geringer Nachahmungsgefahr ausgegangen.

Eine andere Ansicht hatte jedoch das OLG Hamm (Beschluss v. 28.03.2007 - 4 W 19/07) vertreten. Nach Ansicht dieses Gerichtes liegt unabhängig von der Marktstärke des Anbieters ein beachtlicher Wettbewerbsverstoß vor, wenn die Auslands-Versandkosten fehlen.

Keine Widerrufsbelehrung durch externe Grafikdatei

Weiterhin entschied das LG Berlin, dass die Verlinkung auf eine externe Grafikdatei zu Erfüllung der Informationspflichten des Unternehmers nach § 312c Abs. 1 BGB i.V.m. § 1 Abs. 1 Nr. 10 BGB-InfoV (Widerrufsrechts- bzw. Rückgaberechtsbelehrung) nicht genüge:

„Denn es ist dadurch nicht sichergestellt, dass der als Grafik abgelegte Text unabhängig vom verwendeten Browsertyp abrufbar ist. Das gilt insbesondere bei der Nutzung des WAP-Portals von eBay (OLG Frankfurt, Beschluss vom 6. November 2006 – 6 W 203/06).

Hinzu kommt, dass der Inhalt der verlinkten Datei jederzeit – auch während des Angebotszeitraumes – geändert werden kann, ohne dass dem Verbraucher dies bewusst wird, die Suchfunktion des Browser in Grafikdateien nicht funktioniert und die Lesbarkeit des Ausdrucks der Angebotsseite – abhängig vom verwendeten Browser und Drucker – eingeschränkte sein kann.“

Somit hat das LG Berlin seine frühere Rechtsprechung zu dieser Frage bestätigt (vgl. Beschluss v. 09.10.2007 - 15 S 5/07).

Tipp: Auslands-Versandkosten rechtzeitig nennen

Die zu späte oder gänzlich fehlende Nennung der Versandkosten für das europäische Ausland ist ein besonders häufiger Fehler. Nach den aktuellen Entscheidungen könnten verstärkt Abmahnungen in diesem Bereich ausgesprochen werden.

Zu beachten ist, dass es nicht ausreicht, die Versandkosten erst nach Einleitung des Bestellvorgangs oder gar erst auf Anfrage des Kunden zu nennen, sondern dass die Versandkosten bereits dem Kunden klar sein müssen, der sich nur oberflächlich mit dem Angebot befasst. D.h. es muss eine Versandkostentabelle (oder ein Versandkostenrechner) vorhanden sein, die unabhängig davon aufgerufen werden kann, ob der Kunde ein Produkt in den Warenkorb legt oder nicht.

Weitere Besonderheiten bei Lieferung an ausländische Verbraucher

Bei gezielter Ausrichtung des Online-Angebots sind neben der Nennung der spezifischen Versandkosten eine Reihe weiterer Besonderheiten zu beachten.

So gilt z.B. in Malta und Slowenien eine 15-tägige Widerrufsfrist, in Griechenland und Estland gibt es keinerlei Ausnahmen vom Widerrufsrecht (z.B. bei Maßanfertigungen oder zur Rücksendung nicht geeigneten Waren), in Finnland muss immer der Händler die Rücksendekosten tragen (auch bei Waren unter 40 EUR) und in Spanien muss der doppelte Kaufpreis rückerstattet werden, wenn eine Rückzahlung nach Widerruf nicht binnen 30 Tagen erfolgt.

Ein höheres nationales Verbraucherschutzniveau kann dem Verbraucher auch bei einer (prinzipiell möglichen) Rechtswahl nicht entzogen werden. Daher macht es u.U. Sinn, das Liefergebiet klar zu begrenzen oder zumindest keinen aktiv ausgerichteten Vertrieb (Drop-Down-Box mit Länderauswahl) zu betreiben. Denn sonst droht neben einer Abmahnung wegen fehlender Versandkosten auch noch eine Abmahnung wegen einer fehlerhaften Widerrufsbelehrung.

Die Europäische Kommission hat Besserung angekündigt und strebt eine Vollharmonisierung mit einheitlichen Regeln für alle Mitgliedsstaaten an. Bis diese Regelungen tatsächlich in Kraft treten, wird jedoch noch einige Zeit vergehen. (cf)

Siehe auch: Handelsblatt, EU will Internet-Handel erleichtern

28.08.08