OLG Stuttgart: 15.000 EUR Streitwert bei falscher Widerrufsbelehrung

Unterschiedliche StreitwerteAufgrund des sog. fliegenden Gerichtsstandes kann sich der Abmahner das Gericht aussuchen, bei dem er seine Unterlassungsanspüche weiter verfolgt. Die Gerichte haben nicht nur unterschiedliche Auffassungen zu der Beurteilung von Rechtsverstößen, sondern auch zur Höhe des Streitwertes, der für die Kosten der Abmahnung und des Gerichtsverfahrens maßgeblich ist. Das OLG Stuttgart hat mit 15.000 € den Streitwert für eine falsche Widerrufsbelehrung im Vergleich zu anderen Gerichten relativ hoch angesetzt.

Lesen Sie mehr über die Begründung des OLG Stuttgart und die Streitwertentscheidungen anderer Gerichte.

In dem vom OLG Stuttgart (Beschluss v. 07.08.2007 - 2 W 42/07) entschiedenen Fall hat das vorinstanzliche Gericht in einem Wettbewerbsverletzungsverfahren zwischen zwei eBay-Händlern der Streitwert auf 15.000 € festgesetzt. Inhaltlich ging es um eine fehlerhafte Widerrufsbelehrung.

Im Internet konkurrieren Händler bundesweit

Dem Abgemahnten erschien dies zu hoch, vor allem, weil er nicht am gleichen Standort tätig sei wie der Abmahner. Die Beklagte hat daraufhin eine Beschwerde beim OLG Stuttgart eingereicht, die jedoch mit folgender Begründung zurückgewiesen wurde:

„Mit seinem Vorbringen, das Wettbewerbsverhältnis der Parteien sei schon nicht durch unmittelbaren Wettbewerb am selben Standort geprägt, verkennt der Antragsgegner die wettbewerblichen Gegebenheiten des Internethandels. Beide Parteien stehen sich auf der Handelsplattform e. im Wesentlichen genauso gegenüber wie konkurrierende Händler auf einem Marktplatz. Denn ihre Angebote sind prinzipiell für dieselben Kunden zur selben Zeit einsehbar."

Umsatzbeeinträchtigung nicht maßgeblich 

Dass die Antragstellerin durch diese Wettbewerbsverletzung - ebenso wie jeder andere Wettbewerber im gesamten Bundesgebiet - durch das Angebot des Antragsgegners bei e. betroffen ist, verringere das streitwertprägende Interesse der Antragstellerin an lauterem Verhalten des Antragsgegners nicht.

"Dass es bei einer derartigen Sachlage keinem Wettbewerber möglich sei, auch nur halbwegs sicher abzuschätzen, in welchem Maße seine Umsatzinteressen durch die beanstandete Werbung betroffen seien, führt nicht dazu, dass der Streitwert besonders niedrig festzusetzen wäre, sondern verhindert lediglich, dass derartige Umsatzeinbußen als konkreter, streitwertbildender Faktor herangezogen werden könnten. Sie entheben das Gericht nicht seiner Aufgabe, den Wert nach § 3 ZPO nach freiem Ermessen zu schätzen.“

Gerichte entscheiden Gleiches unterschiedlich 

Anders hat kurz zuvor noch das OLG Naumburg entschieden. Im entschiedenen Fall stritten sich zwei Händler von Computerartikeln im Internet. Der Antragsgegner bot über eine Internetplattform ein Computergehäuse an und verwendete dabei folgende Widerrufsbelehrung:

„Sie können die erhaltene Ware ohne Angabe von Gründen innerhalb von zwei Wochen durch Rücksendung der Ware zurückgeben. … Die Frist beginnt frühestens mit Erhalt der Rechnung… .”

Die Antragstellerin hält diese Art der Widerrufsbelehrung für rechtswidrig, mahnte die Beklagte ab und forderte sie auf, eine strafbewährte Unterlassungserklärung abzugeben. Da diese die Erklärung nicht abgab, hat die Antragstellerin eine einstweilige Verfügung des Landgerichts Magdeburg erwirkt. Das Landgericht hat den Streitwert auf 15.000,– Euro festgesetzt. Hiergegen hat der Antragsgegner Streitwertbeschwerde gerichtet.

Das OLG Naumburg hielt es für angemessen, für jeden Fehler der Widerrufsbelehrung einen Wert von 2.000 € zu Grunde zu legen:

Bei der Vielzahl der Wettbewerber, die im Internet Computerartikel vertreiben, dürfte zwar eine unzutreffende Widerrufsbelehrung bei einem einzigen Mitwettbewerber für die Marktposition der Antragstellerin wohl kaum ins Gewicht fallen. ...”

Dieser - für Wettbewerbssachen - geringe Streitwert spiegele die geringe Betroffenheit in der Marktposition wieder. Er verhindere auch, dass das Recht zur Abmahnung als „Kampfmittel” zur Schädigung von Mitbewerbern eingesetzt werden kann. Durch eine noch weitere Herabsetzung des Streitwerts werde aber der Verbraucherschutz über § 8 UWG nicht mehr wirksam realisiert werden können. Denn kein Mitbewerber oder sonstiger Berechtigter werde abmahnen oder eine Unterlassungsklage erheben, wenn dies für ihn von vorn herein ein Verlustgeschäft bedeutete.

Wer bietet mehr? 900, 2.000, 5.000 oder 15.000 €

Das LG Berlin (Beschluss v. 22.4.2008 - 96 O 344/07) setzte den Streitwert für Verstöße gegen die Pflichten im elektronischen Geschäftsverkehr (§ 312e Abs. 1 Nr. 2 BGB i.V.m. § 3 Nr. 1, 2 und 4 BGB-InfoV) auf 5.000 € fest. Noch geringer bemisst der 20. Zivilsenat des OLG Düsseldorf den Streitwert in solchen Fällen, nämlich auf "bis zu 900 €".

Diese Unterschiede erinnern an eine Art Roulette: je nachdem, welches Gericht ausgewählt wird, entstehen sehr unterschieldiche Kosten für eine Abmahnung. Ein Abgemahnter muss bei der Wahl seiner Vorgehensweise aber davon ausgehen, dass das für ihn ungünstigste Gericht ausgewählt wird. Eine Begrenzung des "fliegenden Gerichtsstandes" im Wettbewerbsrecht ist derzeit nicht in Sicht. (cf)

Siehe auch:

OLG Düsseldorf: Nur 120 EUR Abmahnkosten bei falscher Widerrufsbelehrung

Fliegender Gerichtsstand: Was kostet eine falsche Widerrufsbelehrung?

OLG Düsseldorf kürzt erneut Abmahnkosten drastisch

OLG Düsseldorf kürzt Abmahnkosten von 750 € auf 100 €

05.08.08