Immer wieder lassen Kleinstunternehmen durch Anwälte Abmahnungen ausprechen, deren Kostenrisiko den Jahresumsatz des Unternehmens deutlich übersteigt. Der Abmahner kann auf den Anwaltskosten sitzen bleiben, wenn sich die Abmahnung als unberechtigt erweist oder bei dem Abgemahnten nichts zu holen ist. Liegt der Verdacht nahe, dass der Anwalt dieses Kostenrisiko zuweilen übernimmt.
Aber nur wenn dies nachweisbar ist, sei eine solche Abmahnung rechtsmissbräuchlich, entschied das OLG Frankfurt a. M.
Im entschiedenen Fall (Beschluss 04.07.2007, 6 W 66/07) wurde ein ebay-Shop-Betreiber nach erfolgloser Abmahnung wegen vermeintlicher Rechtsverstöße durch einen Konkurrenten auf Unterlassung verklagt. Da die Klägerin ihrerseits eine umfangreiche Abmahntätigkeit aufwies, wollte der Beklagte sich auf Missbrauch berufen.
Das OLG Frankfurt a. M. hat entschieden, dass in Fällen, in denen es keinen Ansatzpunkt für die Annahme gebe, der Anspruchsteller wolle seinen Mitbewerbern schlicht Schaden oder Unannehmlichkeiten bereiten, der Missbrauchsvorwurf ein sog. kollusives Zusammenwirken zwischen dem Unterlassungsgläubiger und dem von ihm beauftragten Rechtsanwalt voraussetze, wobei es genüge, dass der Rechtsanwalt den Mandanten von dessen Kostenrisiko vollständig oder zum großen Teil freistellt.
„Eine Vielzahl einschlägiger Abmahnungen genügt für sich genommen nicht, um ein kollusives Zusammenwirken zwischen dem Anspruchsteller und seinem Rechtsanwalt feststellen zu können.
Wenn ein, auch wirtschaftlich unbedeutendes, Unternehmen, das die gesetzlichen Vorgaben beachtet, seine Mitbewerber ebenfalls zur Einhaltung dieser Bestimmungen zwingen möchte, ist dies an sich ohne weiteres nachvollziehbar und nicht zu missbilligen. ...
Dann erscheint es im Hinblick auf die regional nicht begrenzte Wettbewerbssituation im Fernabsatzhandel auch konsequent, nicht nur gegen einige wenige, sondern gegen alle Mitbewerber und deren – im Internet unschwer auffindbaren – Wettbewerbsverstöße vorzugehen.“
Allerdings könne das finanzielle Risiko des Anspruchstellers den Verdacht begründen, der Anspruchsteller handle in kollusivem Zusammenwirken mit seinem Anwalt, um zu dessen finanziellen Vorteil Kostenerstattungsansprüche zu erzeugen.
Für die Feststellung eines kollusiven Zusammenwirkens genügten diese Überlegungen jedoch nicht. Hierfür bedürfte es weiterer belastbarer und überzeugungskräftiger Indizien.
Das OLG Frankfurt a. M. hat weiterhin entschieden, dass der Beklagte als einen Unternehmer zu behandeln sei, was diese zunächst bestritt.
„Eine gewerbliche Tätigkeit setzt ein selbständiges und planmäßiges, auf eine gewisse Dauer angelegtes Anbieten entgeltlicher Leistungen am Markt voraus ..., wobei eine Gewinnerzielungsabsicht nicht erforderlich ist ... .“
Nach ständiger Rechtssprechung des OLG Frankfurt a. M. ist die Verkaufstätigkeit über die elektronische Handelsplattform eBay regelmäßig als gewerblich einzustufen, wenn der Anbieter als „PowerSeller“ registriert ist. Die (freiwillige) Registrierung als „PowerSeller“ sei jedoch umgekehrt keine notwendige Voraussetzung für die Bewertung einer Internet- Verkaufstätigkeit als unternehmerisch.
Diese Einstufung könnte sich vielmehr auch aus anderen Umständen des Einzelfalls ergeben, wobei der Dauer und dem Umfang der Verkaufstätigkeit, aber auch deren Geschäftsbezogener Ausgestaltung, wie sie sich in dem Betrieb eines eBay- Shops und seiner werblichen Aufmachung manifestieren könnte, wesentliche Bedeutung komme.
„Unternehmer kann auch derjenige sein, der die angebotenen Waren aus einem für ihn verfügbaren Bestand entnimmt, die Waren also nicht vorher seinerseits eingekauft oder selbst hergestellt hat ...
Zwar spricht das Merkmal des Weiterverkaufs in der Abgrenzung zu privaten Gelegenheitsverkäufen für eine gewerbliche Tätigkeit, während Verkäufe aus einem privaten Bestand eher dem nicht unternehmerischen Bereich zuzuordnen sein werden. Denn bei Verkäufen aus Privatvermögen wird es häufig an dem Merkmal einer auf Dauer angelegten wirtschaftlichen Betätigung fehlen. ...
Zwingend ist dies jedoch nicht. Eine auf Dauer angelegte wirtschaftliche Betätigung kann auch dann anzunehmen sein, wenn Verkäufe aus Privatvermögen, die sich wegen des Umfangs bzw. einer Geschäftsbezogenen Ausgestaltung von einer gängigen privaten Verkaufstätigkeit abheben, kontinuierlich über eine längeren Zeitraum hinweg fortgesetzt werden.“
Im vorliegenden wurde maßgeblich darauf abgestellt, dass der Beklagte einen eigenen ebay Shop mit einer beträchtlichen Anzahl von eingestellten Artikeln unterhält und diesen mit einem Slogan bewirbt. Über diesen Shop hat der Beklagte kontinuierlich über einen längeren Zeitraum hinweg und mit einem nicht nur geringfügigen Verkaufserfolg am Marktgeschehen teilgenommen, wobei er – in Abgrenzung zu einer gelegentlichen Verkaufstätigkeit etwa auf Flohmärkten – mit einer Vielzahl von Angeboten für eine unüberschaubare Menge potentieller Interessenten ständig im Internet präsent war.
Diese in ihrer Gesamtheit zu würdigenden Umstände qualifizieren den Beklagten als Unternehmer, so das Gericht. Damit konnte er auch wegen rechtlicher Fehler kostenpflichtig abgemahnt werden. (cf)