Der Deutsche Bundestag hat am 20. Juni 2008 ein Gesetz zu besseren Durchsetzung von Forderungen innerhalb der Europäischen Union verabschiedet. Mit dem „Gesetz zur Verbesserung der grenzüberschreitenden Forderungsdurchsetzung und Zustellung“ werden die deutschen Ausführungsbestimmungen für zwei EG-Verordnungen geschaffen.
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Zu dem neuen Gesetz erklärte Bundesjustizministerin Brigitte Zypries:
„Es reicht nicht, nur den Warenverkehr im europäischen Binnenmarkt zu vereinfachen. Wir müssen dafür sorgen, dass Bürger und Unternehmen auch tatsächlich zu ihrem Recht kommen, wenn sie in Europa unternehmerisch oder als Privatperson aktiv sind.
Bislang konnten sprachliche Barrieren und die Unkenntnis der fremden Rechtsordnung Einzelne von der gerichtlichen Durchsetzung ihrer berechtigten Forderungen abhalten. Das wollen wir ändern. Für den grenzüberschreitenden Rechtsverkehr werden für bestimmte Ansprüche europaweit einheitliche gerichtliche Verfahren geschaffen, die diese Hürden abbauen."
Die neuen Verfahren werden als Alternative zu den nationalen Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Verfügung gestellt.
Zu den Regelungen im Einzelnen:
Das Europäische Mahnverfahren nach der Verordnung (EG) Nr. 1896/2006 bietet einem Gläubiger die Möglichkeit, schnell und kostengünstig einen Titel zu bekommen, wenn der Schuldner die Forderung voraussichtlich nicht bestreiten wird. Anwendbar ist die Verordnung bei Geldforderungen. Es muss außerdem ein grenzüberschreitender Fall vorliegen, d. h. die Parteien müssen grundsätzlich in verschiedenen Mitgliedstaaten ansässig sein.
Die Verordnung (EG) Nr. 861/2007 schafft ein einheitliches europäisches Zivilverfahren, das vor den Gerichten der Mitgliedstaten der EU – mit Ausnahme Dänemarks – Anwendung findet. Forderungen bis 2.000 Euro können damit leichter durchgesetzt werden. Die Verordnung gilt – wie das Europäische Mahnverfahren – nur für grenzüberschreitende Fälle.
Das vom Deutschen Bundestag verabschiedete Gesetz enthält die erforderlichen nationalen Durchführungsvorschriften für die genannten EG-Verordnungen. Diese Verordnungen gelten zwar unmittelbar. An einigen Stellen verweisen sie aber ausdrücklich auf das nationale Recht oder geben dem nationalen Gesetzgeber Spielraum. Diese Schnittstellen füllt das Gesetz aus.
In Deutschland wird für die Bearbeitung von Anträgen im Europäischen Mahnverfahren allein das Amtsgericht Berlin-Wedding zuständig sein, soweit es nicht um arbeitsrechtliche Ansprüche geht. Diese mit dem Land Berlin und den übrigen Bundesländern abgestimmte Zuständigkeitskonzentration erspart den Ländern doppelte Arbeit bei der Entwicklung der technischen Voraussetzungen für die Bearbeitung der Mahnanträge und der Schulung des Personals. Die Zuständigkeitskonzentration erleichtert es dem Antragsteller – der in der Regel im EU-Ausland ansässig ist – außerdem erheblich, seinen Antrag beim zuständigen Gericht einzureichen.
Anträge im Europäischen Mahnverfahren sollen so weit wie möglich automatisiert bearbeitet werden, soweit es sich nicht um arbeitsrechtliche Ansprüche handelt. Das Land Berlin schafft derzeit in einem gemeinsamen Pilotprojekt mit der österreichischen Justizverwaltung die dafür erforderlichen technischen Voraussetzungen. Bis dahin sind Anträge in Papierform einzureichen. Die verbindliche Einführung der maschinellen Bearbeitung wird durch eine Verordnung des Landes Berlin erfolgen.
Zum europäischen Verfahren für geringfügige Forderungen enthält das verabschiedete Gesetz einige Anpassungen und Klarstellungen sowohl für das Verfahren bis zum Urteil als auch für die Zwangsvollstreckung. Sie betreffen insbesondere die Regelungen über die Beweisaufnahme und zum Gang des Verfahrens. Die Durchführung des Verfahrens wird dadurch in der deutschen Gerichtspraxis noch anwenderfreundlicher. Zugleich wird die Geltendmachung grenzüberschreitender Forderungen bis 2.000 Euro nach dem europäischen Verfahren in den deutschen Zivilprozess eingebettet.
Neben den Ausführungsvorschriften für das Europäische Mahnverfahren und das europäische Verfahren für geringfügige Forderungen enthält das neue Gesetz einige zivilprozessuale Bestimmungen zur Vereinfachung und Beschleunigung von Zustellungen in EU-Mitgliedstaaten und Nicht-Mitgliedstaaten. Außerdem wird die bundesweite Tätigkeit von Dolmetschern und Übersetzern erleichtert: Sind sie in einem Bundesland allgemein beeidigt bzw. ermächtigt worden, können sie sich künftig vor allen Gerichten des Bundes und der Länder hierauf berufen.
Die Ausführungsbestimmungen werden zeitgleich mit den jeweiligen EU-Verordnungen in Kraft treten. Das Europäische Mahnverfahren gilt ab dem 12. Dezember 2008, das europäische Verfahren für geringfügige Forderungen ab dem 1. Januar 2009. (cf)
Quelle: Pressemitteilung des Bundesministeriums der Justiz v. 20.6.2008