Das KG Berlin hat mit Beschluss vom v. 9.11.2007 (5 W 276/07) entschieden, dass der Verbraucher in der Widerrufsbelehrung vollständig über die Rechtsfolgen eines Widerrufs aufgeklärt werden muss. Dazu gehöre auch die Belehrung darüber, dass ggf. gegen ihn Wertersatzansprüche geltend gemacht werden können, wenn der Wert der Widerrufssache gemindert wird und diese Wertminderung nicht durch die bestimmungsgemäße Ingebrauchnahme verursacht wurde.
Lesen Sie mehr über die Ansicht des Kammergerichts zur Belehrung über die Rechtsfolgen eines Widerrufs.
Im entschiedenen Fall hat der Beklagte auf einer Handelsplattform Speicherbausteine gewerblich angeboten. Die hierbei verwendete Widerrufsbelehrung enthielt keinen Hinweis auf auf eine mögliche Haftung auf Wertersatz wegen Verschlechterung oder Untergangs der empfangenen Sache eines Widerrufs.
Dies sei nicht ausreichend, entschied das Kammergericht. In der Widerrufbelehrung müsse der Unternehmer den Verbraucher umfassend über sein Widerrufsrecht informieren, einschließlich der Rechtsfolgen des Widerrufs § 312c Abs. 1 BGB i. V. m. § 1 Abs. 1 Nr. 10 BGB-InfoV:
"Der Sinn und Zweck des § 312c Abs. 1 BGB und des § 1 Abs. 1 Nr. 10 BGB-InfoV stehen einer Beschränkung der Informationspflichten des Unternehmers auf die Besonderheiten des Fernabsatzrechts entgegen. Der Verbraucher soll durch diese Vorschriften nicht nur vor den mit Fernabsatzverträgen einhergehenden Gefahren geschützt werden, sondern eine gesicherte Grundlage für die Entscheidung erhalten, ob er das Widerrufsrecht ausüben will oder nicht"
Die Rechtsfolgen des Widerrufs beschränken sich nicht darauf, dass der Verbraucher nach § 357 Abs. 1 BGB i.V. mit § 346 Abs. 1 BGB die empfangenen Leistungen zurückzugewähren und die gezogenen Leistungen herauszugeben hat. Die Rechtsfolgen des Widerrufs ergeben sich auch den Vorschriften des §§ 357 Abs. 1 Satz 1, 346 BGB. Nach § 346 Abs. 2 BGB ist unter bestimmten Umständen statt einer Rückgewähr der Widerrufssache einen Wertersatz möglich.
Nach § 346 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BGB schuldet der Verbraucher keinen Wertersatz, wenn die Verschlechterung der Widerrufssache auf eine bestimmungsgemäße Ingebrauchnahme zurückzuführen ist. Diese Vorschrift wird durch § 357 Abs. 3 BGB zum Nachteil des Verbrauchers modifiziert:
„§ 357 Abs. 3 BGB schränkt die Haftung des Verbrauchers auf Wertersatz im Fall des Widerrufs nicht ein ... Das Gegenteil ist der Fall. Die Vorschriften des § 357 Abs. 3 BGB weichen zu Lasten des Verbrauchers vom gesetzlichen Rücktrittsrecht ab.“
§ 357 Abs. 3 Satz 1 BGB ermöglicht dem Unternehmer, den Verbraucher auch bei Wertminderung durch eine sog. bestimmungsgemäße Ingebrauchnahme in Anspruch zu nehmen, wenn er diesen spätestens bei Vertragsschluss in Textform auf diese Rechtsfolge und eine Möglichkeit hingewiesen hat, sie zu vermeiden.
Nach dem Wortlaut des § 1 Abs. 1 Nr. 10 BGB-InfoV sei der Verbraucher aber nicht nur über die Besonderheiten des Widerrufs von Fernabsatzverträgen, sondern allgemein über die Rechtsfolgen des Widerrufs zu informieren. Folglich muss der Verbraucher in der Widerrufsbelehrung nicht nur über die Rückgewähr empfangener und die Herausgabe gezogener Leistungen, sondern auch über die weiteren möglichen Wertersatzansprüche belehrt werden.
Anders entschied dies zuvor das LG Wuppertal (Urteil v. 22.8.2006, 14 O 87/06) in einem Fall, in dem es um die Folgen des Verbrauchs von Kosmetika ging:
"Einer Belehrung über die Folgen eines Verbrauchs bedarf es aber nach den genannten Vorschriften nicht, denn der gänzliche oder teilweise Verbrauch des empfangenen Gegenstandes hat immer zur Folge, dass Wertersatz zu leisten ist. Dies ist in § 346 Abs. 2 Nr. 2 BGB ausdrücklich so bestimmt. Dabei hat der Gesetzgeber, wie die weitere Regelung in § 346 Abs. 2 Nr. 3 BGB zeigt, zwischen Verbrauch einerseits und Ingebrauchnahme andererseits unterschieden."
In einem weiteren Beschluss vom 09.11.2007 (5 W 304/07) stellte das KG jedoch klar, dass die Rechtsfolgenbelehrung umfassend sein müsse. In diesem Fall wurde einen Händler durch einen Konkurrenten wegen einer Widerrufsbekehrung bei eBay mit u. a. folgendem Inhalt abgemahnt:
"Im Übrigen können Sie die Wertersatzpflicht vermeiden, indem Sie die Sache nicht wie ein Eigentümer in Gebrauch nehmen und alles unterlassen, was deren Wert beeinträchtigt."
Das Gericht hat diese Belehrung zwar für „grundsätzlich zutreffend“ erklärt, da derjenige, der die Sache nicht wie ein Eigentümer in Gebrauch nehme und alles unterlasse, was deren Wert beeinträchtige, weithin vermeiden könne, den oben dargestellten Wertersatzansprüchen nach § 357 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 346 Abs. 2 Satz 1 BGB ausgesetzt zu werden.
Da bei eBay der Vertrag aus technischen Gründen aber bereits in dem Moment geschlossen ist, in dem der Kunde die Sofort-Kaufen-Option ausübt bzw. Höchstbieter ist, kann keine für den Wertersatz nach § 357 Abs. 3 erforderliche Belehrung in Textform "spätestens bei Vertragsschluss" erfolgen. Denn eine E-Mail mit der Belehrung kann erst nach Vertragsschluss geschickt werden. Das sieht auch das KG so, hält die Formulierung aber gleichwohl für eine wettbewerbsrechtlich nicht relevante Ungenauigkeit:
„Problematisch ist die beanstandete Belehrung des Antragsgegners allenfalls unter einem anderen Gesichtspunkt. Sie informiert den Verbraucher über die Rechtsfolgen des Widerrufs eines über die Internethandelsplattform eBay im Rahmen einer sogenannten Auktion abgeschlossenen Fernabsatzvertrages missverständlich, soweit der Verbraucher die erhaltene Ware nicht nur geprüft, sondern bestimmungsgemäß in Gebrauch genommen hat. ...
Es ist im vorliegenden Fall aber - wie oben ausgeführt - nicht anzunehmen, dass der Antragsgegner den Verbraucher spätestens bei Vertragsschluss in Textform auf die in § 357 Abs. 3 Satz 1 BGB vorgesehene Erweiterung seiner Haftung auf Wertersatz hinweist.“
Die Rechtsfolgen einer fehlenden und einer ungenauen Belehrung über die Wertersatz-Rechtsfolgen des Widerrufs müssen also unterschieden werden, so das Kammergericht. Der Mangel jeglicher Belehrung über den Wertersatz (wie im ersten Fall) sei geeignet, den Wettbewerb zum Nachteil der Mitbewerber, der Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer im Sinne von § 3 UWG mehr als nur unerheblich zu beeinträchtigen:
„Es liegt hier kein Bagatellverstoß vor. Vielmehr werden durch die unvollständige Belehrung zumindest für Verbraucher wesentliche Belange berührt. Ihre durch das Gesetz geschützten Interessen an einer umfassenden Information über das Widerrufsrecht und dessen Rechtsfolgen werden durch die unvollständige Belehrung des Antragsgegners nicht unwesentlich beeinträchtigt. Der Verbraucher ist einer Wertersatzpflicht auch in Fällen ausgesetzt, in denen er nicht ohne weiteres damit rechnen muss.“
Eine missverständliche Belehrung (wie im zweiten Fall des KG) begründe hingegen keine nicht unerhebliche Beeinträchtigung des Wettbewerbs im Sinne von § 3 UWG, so das KG Berlin:
„Die beanstandete Belehrung lässt den Verbraucher darüber im Unklaren, dass Wertersatzansprüche wegen einer durch Ingebrauchnahme erfolgten Verschlechterung der Ware auch dann nicht in Betracht kommen, wenn er die Ware nicht nur, wie ihm das etwa in einem Geschäft möglich ist, prüft, sondern bestimmungsgemäß in Gebrauch nimmt. ...
Da einerseits anzunehmen ist, dass sich aufgrund dieser Unklarheit nur in Ausnahmefällen ein Verbraucher davon abhalten lässt, nach Belieben mit der gekauften Sache zu verfahren, und gegebenenfalls von seinem Widerrufsrecht Gebrauch zu machen, und andererseits zu berücksichtigen ist, dass die Forderung nach einer lückenlosen Aufklärung des Verbrauchers über die Rechtsfolgen des Widerrufsrechts sowohl den Unternehmer wie auch den Verbraucher, für den die Belehrung verständlich bleiben soll, überfordert, erscheint ein etwaiger Verstoß des Antragsgegner gegen eine Markverhaltensvorschrift hier als nicht verfolgenswerte Bagatelle.“
Die äußerst komplexen Entscheidungen des KG verdeutlichen, wie wichtig jeder einzelne Satz der Widerrufsbelehrung ist. Um Fehler zu vermeiden, sollte daher unbedingt die zum 1. April 2008 korrigierte Muster-Belehrung des Bundesjustizministeriums verwendet werden. Diese enthält nun sogar eine Differenzierung bei der Wertersatz-Aufklärung, je nachdem, ob über einen "normalen" Online-Shop oder eBay verkauft wird (Gestaltungshinweis 7). (cf)