Europäischer GerichtshofDer Europäische Gerichtshof (EuGH) hat in einem Urteil v. 17.4.2008 (C-404/06) die Rechte von Verbrauchern beim Austausch defekter Produkte gestärkt. Zeigt sich innerhalb der zweijährigen Gewährleistungszeit ein Mangel, so darf der Händler dem Verbraucher bei Neulieferung eines mangelfreien Produktes keine Gebühr für die Nutzung des defekten Produktes in Rechnung stellen. Damit unterlag das Versandhaus Quelle gegen den Bundesverband der Verbraucherzentralen (vzbv).

Lesen Sie mehr über die Entscheidung und mögliche Auswirkungen des Urteils auf den Onlinehandel.

Im August 2002 lieferte das Versandhandelsunternehmen Quelle einer deutschen Verbraucherin ein Herd-Set. Anfang 2004 stellte die Verbraucherin fest, dass das Gerät mangelhaft war. An der Innenseite des zu dem Herd-Set gehörenden Backofens hatte sich die Emailleschicht abgelöst. Da eine Reparatur nicht möglich war, gab die Verbraucherin das Gerät an Quelle zurück, die es durch ein neues Gerät ersetzte. Quelle verlangte jedoch von der Verbraucherin die Zahlung von 69,97 Euro als Wertersatz für die Vorteile, die sie aus der Nutzung des ursprünglich gelieferten Geräts gezogen hatte.

Der Bundesverband der Verbraucherzentralen und Verbraucherverbände verlangte, gestützt auf eine Ermächtigung durch die Verbraucherin, dass der von ihr geleistete Wertersatz an sie zurückgezahlt wird. Daneben beantragte er, Quelle zu verurteilen, es zu unterlassen, im Fall einer Ersatzlieferung für eine dem Kaufvertrag nicht entsprechende Ware deren Nutzung in Rechnung zu stellen.

Der Bundesgerichtshof (BGH), der in letzter Instanz über den Rechtsstreit zu entscheiden hat, hat festgestellt, dass nach deutschem Schuldrecht der Verkäufer im Fall der Ersatzlieferung für eine mangelhafte Sache Anspruch auf Wertersatz für die Vorteile habe, die der Käufer aus der Nutzung dieser Sache bis zu deren Austausch durch eine neue Sache gezogen habe.

Da der BGH Zweifel an der Vereinbarkeit der deutschen Regelung mit der Gemeinschaftsrichtlinie über die Verbrauchsgüter1 hat, hat er dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften die Frage vorgelegt, ob die Bestimmungen der Richtlinie der Verpflichtung des Verbrauchers entgegenstehen, dem Verkäufer Wertersatz für die Nutzung eines vertragswidrigen Verbrauchsguts zu leisten:

“Dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften wird folgende Frage zur Auslegung des Gemeinschaftsrechts gemäß Art. 234 EG zur Vorabentscheidung vorgelegt: Sind die Bestimmungen des Art. 3 Abs. 2 in Verbindung mit Abs. 3 Satz 1 und Abs. 4 oder des Art. 3 Abs. 3 Satz 3 der Richtlinie 1999/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Mai 1999 zu bestimmten Aspekten des Verbrauchsgüterkaufs und der Garantien für Verbrauchsgüter dahin auszulegen, dass sie einer nationalen gesetzlichen Regelung entgegenstehen, die besagt, dass der Verkäufer im Falle der Herstellung des vertragsgemäßen Zustandes des Verbrauchsgutes durch Ersatzlieferung von dem Verbraucher Wertersatz für die Nutzung des zunächst gelieferten vertragswidrigen Verbrauchsgutes verlangen kann?” (BGH, Beschluss v. 16.8.2006, VIII ZR 200/05)

In seinem heute verkündeten Urteil bejaht der Europäische Gerichtshof diese Frage.

Er erinnert zunächst daran, dass nach dem Wortlaut der Richtlinie der Verkäufer dem Verbraucher für jede Vertragswidrigkeit haftet, die zum Zeitpunkt der Lieferung des Verbrauchsguts besteht. Im Fall der Vertragswidrigkeit kann der Verbraucher vom Verkäufer die unentgeltliche Nachbesserung des Verbrauchsguts oder eine unentgeltliche Ersatzlieferung verlangen, sofern nicht die Erfüllung seiner Forderung unmöglich oder die Forderung unverhältnismäßig ist.

Der Gerichtshof stellt fest, dass die Unentgeltlichkeit der Herstellung des vertragsgemäßen Zustands durch den Verkäufer den Verbraucher vor drohenden finanziellen Belastungen schützen soll, die ihn in Ermangelung eines solchen Schutzes davon abhalten könnten, seine Ansprüche geltend zu machen. Die Unentgeltlichkeit der Herstellung des vertragsgemäßen Zustands entspricht auch dem Zweck der Richtlinie, mit der ein Beitrag zur Erreichung eines hohen Verbraucherschutzniveaus geleistet werden soll.

Der Gerichtshof weist sodann die Auffassung zurück, dass die Richtlinie einen allgemeinen Grundsatz enthalte, der die Mitgliedstaaten ermächtige, in sämtlichen Fällen, in denen sie dies wünschten, die Benutzung eines vertragswidrigen Verbrauchsguts durch den Verbraucher zu berücksichtigen. Nur im Fall der Vertragsauflösung schreibt nämlich die Richtlinie den Grundsatz der gegenseitigen Herausgabe der erlangten Vorteile fest.

Der Verkäufer erfüllt nach den Ausführungen des Gerichtshofs anders als der Verbraucher, der bereits den Kaufpreis gezahlt hat, seine vertragliche Verpflichtung nicht ordnungsgemäß, wenn er ein nicht vertragsgemäßes Verbrauchsgut liefert. Er muss daher die Folgen dieser Schlechterfüllung tragen. Seine finanziellen Interessen werden jedoch zum einen durch die Verjährungsfrist von zwei Jahren und zum anderen durch die Möglichkeit geschützt, die Ersatzlieferung zu verweigern, wenn sich diese Abhilfe als unverhältnismäßig erweist, weil sie ihm unzumutbare Kosten verursachen würde.

Der Gerichtshof kommt damit zu dem Ergebnis, dass die Richtlinie einer nationalen Regelung entgegensteht, die einem Verkäufer, der ein vertragswidriges Verbrauchsgut geliefert hat, gestattet, vom Verbraucher Wertersatz für die Nutzung des vertragswidrigen Verbrauchsguts bis zu dessen Austausch durch ein neues Verbrauchsgut zu verlangen.

Die Entscheidung ist zwar nicht auf Widerrufe im Fernabsatz übertragbar, könnte aber gleichwohl wegweisend sein. Nach deutschem Recht (§ 357 Abs. 3 BGB) muss der Kunde auch Wertersatz für eine Verschlechterung der Ware leisten, die während der Widerrufsfrist durch bestimmungsgemäße Ingebrauchnahme entsteht. Kritiker äußern bereits seit längerem Zweifel daran, ob diese Regelung mit EU-Recht (Art. 6 Abs. 2 der Fernabsatzrichtlinie) vereinbar ist. Das AG Lahr (Beschluss vom 26.10.2007, Az. 5 C 138/07) hat daraufhin diese Frage dem EuGH zur Entscheidung vorlegt:

„Sind die Bestimmungen des Art. 6 Abs. 2 in Verbindung mit Abs. 1 Satz 2 der Richtlinie 97/7/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Mai 1997 zu bestimmten Aspekten des Verbraucherschutzes bei Vertragsabschlüssen im Fernabsatz dahin auszulegen, dass sie einer nationalen gesetzlichen Regelung entgegenstehen, die besagt, dass der Verkäufer im Falle des fristgerechten Widerrufes durch den Verbraucher Wertersatz für die Nutzung des gelieferten Verbrauchsgutes verlangen kann?“

Würde der EuGH diese Frage im gleichen Sinne entscheiden, würde dies erhebliche Auswirkungen auf den Onlinehandel haben. Verbraucher könnten dann noch mehr als bislang das Widerrufsrecht missbrauchen, um Waren kostenfrei auszuleihen und danach gegen volle Kaufpreisrückerstattung zurückzusenden. Eine solche Entscheidung hätte dann auch wieder Auswirkungen auf die Widerrufsbelehrung selbst, die ja vor kurzem erst vom Bundesjustizministerium geändert wurde. Es bleibt abzuwarten, wie der EuGH hierzu entscheidet. (cf)

Quellen: Pressemitteilung 28/08 des EuGH, eigene Recherche

Die Entscheidung des EuGH ist hier abrufbar.

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