Leserumfrage: Sollten Kunden bei Widerruf immer die Rücksendekosten tragen?

Tauziehen um Muster WiderrufsbelehrungDer Onlinehandel leidet zunehmend unter betrügerischen Kunden, die Waren nur in der Absicht bestellen, sich diese auszuleihen und dann im Rahmen des Widerrufsrechtes kostenlos zu retournieren. So zumindest ein Bericht der Netzzeitung. Unsere Leserumfrage zum Thema ergab bislang, dass die Tragung der Rücksendekosten bei einem Widerruf durch den Kunden als wirkungsvollste Maßnahme gegen den Missbrauch des Widerrufsrechtes angesehen wird.

Diese Idee ist nicht neu, vielmehr hat schon der deutsche Gesetzgeber des Fernabsatzgesetzes im Jahr 2000 genau über diese Frage diskutiert. Und in fast allen europäischen Mitgliedsstaaten trägt der Kunde heute die Rücksendekosten. Anlass für eine Neuregelung 2008?

Lesen Sie mehr über das damalige Tauziehen um die Rücksendekosten im Bundestag und stimmen Sie ab.

Grundlage des deutschen Fernabsatzrechts ist die europäische Fernabsatzrichtlinie (FARL) aus dem Jahr 1997. In Art. 6 Abs. 2 S. 2 FARL wird den Mitgliedsstaaten die Möglichkeit eingeräumt, Regelungen zu erlassen, nach denen der Händler dem Kunden die Kosten der Rücksendung bei Ausübung des Widerrufsrechtes auferlegen kann. In der Richtlinie heißt es:

"Die einzigen Kosten, die dem Verbraucher infolge der Ausübung seines Widerrufsrechts auferlegt werden können, sind die unmittelbaren Kosten der Rücksendung der Waren."

Hiervon haben die meisten Mitgliedsstaaten Gebrauch gemacht. In Italien und Österreich kann der Verbraucher im Wege der Parteivereinbarung zur Tragung der Rücksendekosten verpflichtet werden. In Belgien trägt der Verbraucher die direkten Kosten der Rücksendung, es sei denn, der Online Shop erfüllt seine Informationspflichten nicht oder die gelieferten Waren stimmen nicht mit der Produktbeschreibung überein. In Dänemark, Frankreich, Griechenland, Irland, Luxemburg, Litauen, den Niederlanden, Polen, Portugal, Schweden und Spanien hat der Verbraucher die direkten Kosten der Rücksendung zu tragen. Allein in Finnland hat der Unternehmer dem Verbraucher die Kosten der Warenrücksendung zu ersetzen, sofern die zurückgesendete Ware durch die Post transportiert werden kann (Siehe hierzu die EU Consumer Law Acquis Database).

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In Deutschland gab es seit Ende 1999 ein langes Hin und Her um die Frage, wer nun die Kosten der Rücksendung tragen soll. Dieses politische Tauziehen führte sogar dazu, dass die von der EU vorgegebene Umsetzungsfrist für die Richtlinie überschritten wurde. 

1. HIN - In Deutschland sah hingegen der Referentenentwurf des Bundesjustizministeriums von 1999 vor, dass der Händler nicht nur die Kosten der Rücksendung tragen sollte, sondern sogar die Ware abholen musste. Man zog sich darauf zurück, dass das höhere deutsche Niveau nach dem sog. Mindestharmonierungsprinzip des Art. 14 FARL aufrecht erhalten bleiben durfte.

„Der Verbraucher ist demnach nach deutschem Recht nicht einmal zur Rücksendung der Ware, sondern nur zur Herausgabe an den Unternehmer verpflichtet, der diese gegebenenfalls abholen bzw. abholen lassen muss.“

2. HER - Nach dem Regierungsentwurf des Fernabsatzgesetzes vom 9.2.2000 sollte dann plötzlich der Verbraucher bei Vereinbarung mit dem Unternehmer die Kosten der Rücksendung unabhängig vom Bestellwert tragen. Begründet wurde diese plötzliche Kehrtwende im Regierungsentwurf nicht. Vorausgegangen waren allerdings entsprechende Änderungsanträge der Länder Sachsen und Niedersachsen.

3. HIN - In seiner Stellungnahme zum RegE FernAbsG  beantragte der Bundesrat dann am 15.3.2000, die vom BMJ ursprünglich avisierte Lösung wieder einzuführen, dass der Unternehmer die Kosten der Rücksendung in jedem Fall trägt, wobei der Verbraucher daüber hinaus immerhin zur Rücksendung der Ware verpflichtet sein sollte. Hier tauchte erstmals die Formulierung auf:

„Der Verbraucher ist zur Rücksendung auf Kosten und Gefahr des Unternehmers verpflichtet.“

4. HER - Da das Thema Rücksendekosten weiter strittig blieb, stimmten CDU/CSU und der FDP am 13.4.2000 in zweiter Beratung gegen den Entwurf. In der Parlamentsdebatte bringt Dr. Susanne Tiemann, MdB die Argumente gegen eine Kostentragungspflicht des Händlers auf den Punkt:

  • Durch das Widerrufsrecht werde dem Verbraucher ein Vorteil zulasten eines Unternehmers eingeräumt, obwohl diesem als Vertragspartner kein missbilligendes Verhalten vorgeworfen werden könne, weshalb dem Verbraucher, der sich von einem aus freier Willenserklärung abgeschlossenen Vertrag löst, wenigstens die Kosten und die Gefahr der Rücksendung auferlegt werden könnten.
  • Die großen Versandhäuser übernähmen ohnehin schon als besonderen Kundendienst freiwillig die Rücksendekosten des Verbrauchers. Wenn nun alle Versandunternehmen verpflichtet würden, diese Rücksendekosten zu tragen, bestehe aber die Gefahr, dass gerade die kleinen und mittelständischen Unternehmen dies finanziell nicht verkraften können, bzw. wenn sie die Kosten der Rücksendung durch eine Preisanhebung zu kompensieren versuchen, nicht konkurrenzfähig blieben.
  • Weiterhin werde dem Missbrauch des Widerrufsrechtes Tür und Tor geöffnet, was nicht Sinn des Verbraucherschutzes sei. Dadurch, dass durch die Neuregelung das Unternehmen die Kosten der Rücksendung nicht vertraglich auf den Kunden übertragen kann, werde dieses Problem verstärkt auftreten.

Die FDP stimmte übrigens ebenfalls gegen das Gesetz, weil die ursprüngliche Kostentragungsklausel von Verbraucherschützern „aus ideologischen Gründen kaputtgemacht worden“ sei.

5. HIN- Der Bundesrat beschloss am 19. Mai 2000, dass der Vermittlungsausschuss einberufen wird. Begründung: Bei Büchern solle der Händler die Kosten der Rücksendung nur bei entsprechender vertraglicher Vereinbarung tragen. Denn die Rücksendungsquote beim Buchhandel betrage zwischen 5 und 10 %. Bei einer weiteren Belastung mit den Rücksendekosten wäre dies für den mittelständischen Buchhandel nicht verkraftbar. 

6. HER- Der Vermittlungsausschuss empfahl dann schließlich, die als bürokratisches Monstrum bekannte 40-EUR-Klausel einzuführen, die in ihrer damaligen, am 30.6.2000 in Kraft getretenen Fassung lautete dann:

„Der Verbraucher ist vorbehaltlich abweichender Vorschriften zur Rücksendung auf Kosten und Gefahr des Unternehmers verpflichtet; dem Verbraucher dürfen bei einer Bestellung bis zu einem Betrag von 40 Euro die regelmäßigen Kosten der Rücksendung vertraglich auferlegt werden, es sei denn, dass die gelieferte Ware nicht der bestellten entspricht.“

7. HIN - Im Dezember 2004 musste die europäische Fernabsatzrichtlinie für Finanzdienstleistungen umgesetzt werden. Die Rücksendekosten haben mit dieser Richtlinie nichts zu tun. Gleichwohl wurde das Thema auf Initiative des Rechts- und Wirtschaftsausschusses erneut in das Gesetzgebungsverfahren eingebracht. Die Ausschüsse empfahlen dem Bundesrat, den Vermittlungsausschuss mit dem Ziel anzurufen, dass § 357 Abs. 2 S. 3 BGB folgende Fassung erhält.

„Die Gefahr der Rücksendung trägt bei Widerruf der Unternehmer; die regelmäßigen Kosten der Rücksendung dürfen dem Verbraucher vertraglich auferlegt werden, es sei denn, dass die gelieferte Ware nicht der bestellten entspricht.“

Begründung des Rechtsausschusses 2004:

Die geltende Regelung habe sich als nicht sachgerecht erwiesen und belaste den Versandhandel erheblich. Die Möglichkeit, im Versandhandel bestellte Waren bei einem Bestellwert von mehr als 40 Euro kostenfrei zurückzusenden, werde in stärkerem Maße als im Gesetzgebungsverfahren angenommen missbräuchlich ausgenutzt. Die vertragliche Überwälzung der Rücksendekosten auf den Verbraucher bei Ausübung des Widerrufsrechts erscheine auch nicht unbillig, da der Verbraucher auch beim Umtausch wegen Nichtgefallens im allgemeinen Handel gewohnt sei, die Kosten des Rücktransports der Ware zum Händler zu tragen.

Dieser Vorschlag konnte sich aber nicht durchsetzen. Vielmehr wurde die ohnehin schon komplizierte 40-EUR-Klausel wurde als verkappter politischer Kompromiss nochmals geändert und weiter verkompliziert. Der heute geltende § 357 Abs. 2 S. 3 BGB lautet nun:  

"Wenn ein Widerrufsrecht nach § 312d Abs. 1 Satz 1 besteht, dürfen dem Verbraucher die regelmäßigen Kosten der Rücksendung vertraglich auferlegt werden, wenn der Preis der zurückzusendenden Sache einen Betrag von 40 Euro nicht übersteigt oder wenn bei einem höheren Preis der Sache der Verbraucher die Gegenleistung oder eine Teilzahlung zum Zeitpunkt des Widerrufs noch nicht erbracht hat, es sei denn, dass die gelieferte Ware nicht der bestellten entspricht. "

Bei so einem Hin und Her verlieren selbst gestandene Parlamentarier den Überblick. Dies belegt die Rede von Petra Pau im Bundestag anlässlich der Ablehnung des 40-EUR-Kompromissvorschlags durch die PDS im Jahr 2000. Frau Pau argumentierte damals:

"Wer über Versandhäuser oder im Internet Waren im Wert bis zu 40 Euro ordert und diese reklamieren will, muss für das Rückversandporto selbst aufkommen. Wenn also künftig meine Oma im Internet eine Bluse für 10 DM bestellt, die sich dann als zu groß oder als schadhaft erweist, dann darf sie den üblicherweise viel zu großen Karton für ein Porto von circa 10 DM zurückschicken."

Daraufhin Dr. Heribert Blens von der CDU/CSU:

"Das stimmt nicht! Dann haben Sie den Text falsch gelesen!"

Stimmt. Petra Pau hat den Text falsch gelesen. Denn wenn die bestellte Ware mangelhaft ist, trägt natürlich immer der Händler die Rücksendekosten. Verbraucher müssen also ganz genau lesen. Ist nur die Frage, ob heutzutage überhaupt jemand solche komplizierten Rechtstexte in Onlineshops liest. Spätestens, wenn die Widerrufsbelehrung vier Seiten lang wird, wie es das Bundesjustizministerium plant, wird jeder Verbraucher nach den ersten Sätzen aussteigen. Vielleicht wäre die Überarbeitung der Musterbelehrung 2008 zugleich ein guter Anlass, einmal kräftig zu entrümpeln im deutschen Fernabsatzrecht. (cf)

23.01.08