Viele Shopbetreiber glauben, dass es bei Abmahnungen meist um Klauseln im Kleingedruckten geht. Häufiger werden jedoch ganz andere Dinge abgemahnt, wie zum Beispiel das Fehlen eines Hinweises auf Versandkosten bei den Preisen oder unzutreffende Lieferfristangaben, die mit AGB nichts zu tun haben. Da in den AGB häufig auch Informationen im Fernabsatz (wie zum Beispiel das Widerrufsrecht) integriert sind, sind Fehler an dieser Stelle zwar auch abmahnbar. Ob jedoch jede unwirksame AGB-Klausel ein Abmahnungsgrund ist, ist seit einiger Zeit Gegenstand einer Meinungsverschiedenheit zwischen verschiedenen Oberlandesgerichten. Das OLG Köln entschied nun mit Urteil vom 30.3.2007 (6 U 249/06), dass es sich bei den Bestimmungen der §§ 305 ff. BGB in der Regel nicht um sog. Marktverhaltensregelungen i. S. des § 4 Nr. 11 UWG handele, so dass ein Konkurrent nicht jede unwirksame AGB-Klausel abmahnen kann.
Im entschiedenen Fall stritten sich zwei Konkurrenten, die mit Kosmetikartikeln handeln. Der eine mahnte den anderen ab, weil dieser in seinen AGB eine Schriftform-, eine Selbstbelieferungs- und eine Nachbesserungs-Klausel verwendete, die AGB-rechtlich unzulässig waren. Das Landgericht wies den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung bereits ab, auch die Berufung blieb erfolglos.
Das OLG Köln stellte klar, dass unwirksame AGB-Klauseln in erster Linie von Verbraucherverbänden beziehungsweise den sonst durch § 3 des Unterlassungsklagengesetzes (UKlaG) anspruchsberechtigten Stellen, nicht jedoch von Konkurrenten abgemahnt werden können. Bei den §§ 305 ff. BGB handele es sich nicht um so genannte Marktverhaltensregelungen, so dass ein Verstoß hiergegen nicht automatisch zu wettbewerbswidrigem Verhalten führe.
Damit distanziert sich das OLG Köln ausdrücklich von der Rechtsprechung des Kammergerichts Berlin, das meint, unwirksame AGB-Klauseln seien stets durch Konkurrenten abmahnfähig. Auch das OLG Frankfurt ist der Ansicht, dass Verstöße gegen die Regelungen zu allgemeinen Geschäftsbedingungen in BGB stets zugleich wettbewerbswidrig sind. Die Planmäßigkeit des wettbewerbswidrigen Vorgehens ergebe sich schon daraus, dass Allgemeine Geschäftsbedingungen stets für eine Vielzahl von Geschäften verwendet werden, so das OLG Frankfurt.
Im Sinne des OLG Köln entschied jedoch kürzlich das OLG Hamburg. Nach Auffassung dieses Gerichtes könnte allenfalls die Verwendung solcher allgemeiner Geschäftsbedingungen Gegenstand eines Verbots nach § 4 Nr. 11 UWG sein, deren Verwendung sich im Markt, d.h. bei der Nachfrageentscheidung des Verbrauchers im Vorfeld des Vertragsschlusses auswirkt. Dazu zähle etwa das Widerrufsrecht, nicht jedoch eine Teillieferung-, Vorkasse- oder Gewährleistungsverkürzungsklausel, so das OLG Hamburg.
Das OLG Köln vertiefte nun diese Argumentation und spricht sich klar dagegen aus, unwirksame AGB Klauseln zum Gegenstand von Wettbewerbsprozessen zu machen. Dabei wird zunächst mit dem Verbandsklagerecht aus dem Unterlassungsklagengesetz argumentiert, das überflüssig wäre, wenn immer auch aus dem Wettbewerbsrecht gegen unwirksame AGB vorgegangen werden könnte. Gegen die Abmahnfähigkeit von unwirksamen AGB-Klauseln durch Konkurrenten sprächen jedoch auch sachliche Erwägungen. Der wettbewerbsrechtliche Schutz des Verbrauchers sei nicht mit dem allgemeinen zivilrechtlichen Verbraucherschutz gleichzusetzen. Ziel des Wettbewerbsrechts sei es, das Interesse der Allgemeinheit an einem funktionsfähigen Wettbewerb zu schützen, der Schutz sonstiger Allgemeininteressen sei nicht Aufgabe des UWG. Daher reiche es für die Bejahung wettbewerbswidrigen Verhaltens gemäß § 4 Nr. 11 UWG nicht aus, dass die verletzte Norm ausdrücklich oder erkennbar den Verbraucher schützt, vielmehr komme es auf seinen Schutz als am Markt agierende Person an.
Den Vorschriften des bürgerlichen Gesetzbuches zur Nichteinbeziehung oder Unwirksamkeit von AGB-Klauseln fehle in der Regel ein solcher Marktbezug, es würden nur die individuellen Interessen der Vertragspartner geschützt:
„Nicht auf den Schutz des Verbrauchers als eines Nachfragers von Waren oder Dienstleistungen im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 2 UWG beziehen sich insbesondere diejenigen Vorschriften, die das Verhalten bei der Abwicklung von Verträgen regeln. Namentlich die Nicht- oder Schlechterfüllung vertraglicher Pflichten hat in aller Regel keine unmittelbaren Auswirkungen auf den Wettbewerb; eine – unlautere – Wettbewerbshandlung hat die Rechtsprechung daher in diesem Bereich bisher nur dann angenommen, wenn der Rechtsverletzer seinen Vorteil dadurch sucht, dass er eine Irreführung seiner Kunden zum Mittel seines Wettbewerbs macht.“
Die Vorschriften zur Gestaltung von Verträgen durch AGB (§§ 305 ff. BGB) beziehen sich in der Regel nur auf die Abwicklung konkret abgeschlossener Verträge und wirken sich nur auf die jeweiligen Vertragspartner aus. Unmittelbare Auswirkungen auf die Nachfrageentscheidung des Kunden hätten die Klauseln meist nicht. Zwar sei es auch möglich, dass sich ein Klauselverwender später auf unwirksame AGB bezieht und sich so einen Vorteil verschafft, weil Kunden möglicherweise später von der Geltendmachung ihrer Rechte abgehalten werden. Dies begründe, so das OLG Köln, jedoch keine Qualität der AGB-Vorschriften als Marktverhaltensregelungen:
„Allein daraus, dass der Klauselverwender möglicherweise zu einem späteren Zeitpunkt Vorteile aus einer Fehlvorstellung des Verbrauchers zieht, die mit der gesetzlich angeordneten Unwirksamkeit der zur Zeit des Vertragsabschlusses planmäßig verwendeten AGB zusammenhängt, folgt ebenfalls keine wettbewerbsbezogene Schutzfunktion der betreffenden Gesetzesbestimmungen. Wer mit der Verwendung von AGB planmäßig eine vom dispositiven Gesetzesrecht abweichende, den Vertragspartner entgegen Treu und Glauben unangemessen benachteiligende Verteilung der vertraglichen Rechte und Pflichten durchzusetzen versucht, beeinträchtigt damit zwar objektiv fremde Interessen; jedoch handelt es sich hierbei um – dem Wettbewerbsverhalten nachgelagerte – Interessen seiner jeweiligen Vertragspartner innerhalb des konkreten Schuldverhältnisses, nicht um eine Beeinträchtigung ihres Konsum- und Nachfrageverhaltens als Verbraucher am Markt.“
Die Vorschriften zur Gestaltung von AGB im bürgerlichen Gesetzbuch seien nur ausnahmsweise dazu bestimmt, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln, nämlich dann, wenn sie sich mit gesetzlichen Informationspflichten (z.B. Widerrufsbelehrung) überschneiden. Dies sei jedoch bei den streitgegenständlichen Klauseln (Schriftformklauseln, Selbstbelieferungsvorbehalt) nicht der Fall. Hierdurch werde auch nicht die Leichtgläubigkeit der juristisch nicht vorgebildeten und geschäftlich unerfahrenen Verbraucher ausgenutzt, so dass auch nicht der Tatbestand der irreführenden Werbung verwirklicht sei.
Dem Urteil ist uneingeschränkt zuzustimmen. Gerade im Onlinehandel werden vielfach AGB verwendet, die durch Copy and Paste zusammengestellt wurden. Es fehlt in der Regel die Absicht, Kunden durch unwirksame Klauseln zu übervorteilen, sondern meist ist gar nicht bekannt, welche Klauseln zulässig sind oder nicht. Es ist nicht nachvollziehbar, warum eine unwirksame Schriftformklausel den Wettbewerb beeinträchtigen soll. Eine solche Klausel wird sich allenfalls im späteren Vertragsverhältnis aus, und der Verbraucher kann sich auf die Unwirksamkeit der Klausel berufen. Jedoch wird ein Händler nicht dadurch in unlauterer Weise mehr Kunden haben, wenn er eine solche Klausel verwendet.
Das Urteil zeigt auch, dass längst nicht jede Abmahnung eines Konkurrenten berechtigt ist. Auch wenn unwirksame Klauseln verwendet werden, heißt dies noch nicht, dass ein Konkurrent diese auch abmahnen kann. Es macht daher immer Sinn, die Begründung der Abmahnung ganz genau zu prüfen und diese dann im Zweifel zurückzuweisen. Dies sollte allerdings nicht auf eigene Faust geschehen, sondern jeweils mit Unterstützung eines Rechtsanwaltes, der sich in diesem Bereich auskennt. Zudem ist natürlich zu berücksichtigen, dass das Kammergericht Berlin und das OLG Frankfurt anderer Auffassung sind, so dass der abmahnende Konkurrent sich an diese Gerichte wenden kann. Es bleibt zu hoffen, dass der Bundesgerichtshof sich bald zu der strittigen Rechtsfrage äußert. (cf)
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Das Urteil ist falsch. Ein Händler, der zB die Gewährleistung oder das Widerrufsrecht ausschließt, kann ganz anders kalkulieren, weil er keine Kosten für Rücksendung oder Nachbesserung usw. einplanen muss, denn erfahrungsgemäß wird nur ein Bruchteil der betroffenen Käufer Nachbesserung/Rücknahme verlangen, wenn dies ausgeschlossen ist. Erst recht werden nur die wenigsten Käufer einen teuren, womöglich noch an einem weit entfernten Gericht zu führenden Rechtsstreit riskieren.
Das OLG Köln hätte bei einer fehlerhaften oder fehlenden Widerrufsbelehrung durchaus einen Wettbewerbsverstoß angenommen, denn hier handelt es sich nicht in erster Linie um AGB, sondern um eine Informationspflicht, die klar als Marktverhaltensregel eingestuft wird. Bzgl. Gewährleistung stellt sich die Frage, ob es nicht ausreicht, wenn der Kunde den Händler später evtl. auf Nacherfüllung in Anspruch nehmen kann. Es werden ja hoffentlich nicht viele Fälle sein, in denen ein Produkt sich später als defekt herausstellt. Aber muss das von Konkurrenten abgemahnt werden können? Dafür gibt es doch das Vertragsrecht zwischen Händler und Kunde, und nicht zu vergessen: die Möglichkeit von Verbraucherverbänden, so etwas zu verfolgen.
Ich halte das Urteil ebenfalls sachlich für richtig. Es bleibt jedem Verbraucher überlassen, im Fall von unwirksamen AGB individuell gegen den Verwender, der darauf beruhende Ansprüche stellt, sich zur Wehr zu setzen.
Darüber hinaus ist das Urteil allein deshalb sehr zu begrüßen, weil es eine weitere Hürde in den unsäglichen Abmahnwellen aufbaut.
Wie das LG Paderborn zutreffend ausführt, wird der Kläger keinen einzigen Artikel mehr verkaufen, weil der Beklagte unwirksame AGB verwendet. Nur darauf, nämlich auf den Wettbewerbsvorteil, aber kommt es im Rahmen des UWG an, wie der Name schon sagt.
M.E. sollten die Gerichte viel öfter den Mut haben, auf die Mißbrauchsklausel des § 8 Abs.4 UWG zuurückzugreifen, statt den Abmahnwahn auch noch durch Ansatz aberwitziger Streitwerte zu fördern.
Eghard Teichmann
Rechtsanwalt
Und wie soll sich der Verbraucher zur Wehr setzen, wenn er nicht einmal weiß, dass und welche Rechte ihm zustehen? Selbst für Juristen ist der Gesetzesdschungel manchmal nicht überschaubar; von einem in dieser Hinsicht nicht Vorgebildeten kann man in der Regel erst recht nicht verlangen, dass er ohne Belehrung seine Rechte kennt. Wenn das Beispiel Paderborn Schule macht, ist das Verbot des Gewährleistungsausschlusses für die Katz. Wer, wenn nicht die Konkurrenz, soll dann den schwarzen Schafen noch auf die Finger klopfen?
Dass der Nachweis von Umsatzverlusten nötig sein soll, ist mit der herrschenden Rechtslage nicht im mindesten vereinbar, zumal ein solcher Nachweis in der Regel nicht möglich ist.
Rolex wird übrigens ebenfalls keine einzige Uhr weniger verkaufen, weil in Hongkong Repliken für 20 Tacken angeboten werden. Trotzdem regt sich keiner darüber auf, wenn im Hamburger Hafen die Dampfwalzen über die Plagiate rollen.