LG Berlin: Widerrufsfrist bei Amazon-Marketplace Verkäufen beträgt zwei Wochen

justitia-iDas Landgericht Berlin hat mit Urteil v. 24.5.2007 (16 O 149/07) entschieden, dass Angebote auf dem Amazon-Marketplace im Gegensatz zu eBay-Angeboten noch keine bindenden Vertragsangebote sind. Der Unternehmer fordere lediglich zur Abgabe von Bestellungen auf, die er dann annehmen könne oder nicht (sog. invitatio ad offerendum). Belehre der Verkäufer dann in der Bestellannahme-E-Mail über das Widerrufsrecht, sei dies "bei Vertragsschluss" in Textform und damit rechtzeitig für den Lauf der regulären Zweiwochenfrist. § 355 Abs. 2 S. 2 BGB (Monatsfrist) finde - anders als bei eBay - keine Anwendung. Zudem sei die Formulierung auf der Internetseite, dass die Frist "mit Erhalt dieser Belehrung" beginne zwar nicht ganz richtig, aber nicht wettbewerbswidrig, weil der verständige Verbraucher nicht annehmen würde, dass bereits mit Lektüre der Bildschirmbelehrung der Fristlauf beginnt. Anders hatten diese Frage das Kammergericht und das OLG Hamm entschieden.

Im entschiedenen Fall stritten sich zwei Unternehmer, die im Internet mit Computerartikeln handeln. Der abgemahnte Händler (Antragsgegnerin) bot über den Amazon-Marketplace ein Multifunktionsgerät an. Das Angebot enthielt einen Link „Widerrufsbelehrung & Andere Verkäuferinformationen“, bei dessen Betätigung u.a. die folgende Information erschien: „Sie können Ihre Vertragserklärung innerhalb von zwei Wochen ohne Angabe von Gründen in Textform (z.B. per Brief, Fax, E-Mail) oder durch Rücksendung der Sache widerrufen. Die Frist beginnt frühestens mit Erhalt dieser Belehrung.“

Das LG Berlin erließ zunächst eine einstweilige Verfügung und untersagte der Antragsgegnerin, bei Verkäufen über diesen Vertriebskanal eine Widerrufsfrist von zwei Wochen anzugeben und über den Beginn der Widerrufsfrist mit „frühestens mit Erhalt dieser Belehrung“ zu informieren. Dagegen legte die Antragsgegnerin Widerspruch ein und beantragt, die einstweilige Verfügung aufzuheben und den Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung zurückzuweisen. Sie behauptet, sie übersende ihren Kunden im Moment der Warenversendung eine Email mit der Bestätigung des Vertragsschlusses, welche erneut die Widerrufsbelehrung enthalte. Die Belehrung über den Fristbeginn „frühestens mit dieser Belehrung“ entspreche dem Muster Anlage 2 zu § 14 BGB-InfoV.

Das LG Berlin gab dem abgemahnten Händler Recht und hob die einstweilige Verfügung auf.

Zunächst betrage die Widerrufsfrist bei Verkäufen über den Amazon-Marketplace zwei Wochen und nicht einen Monat, wenn der Kunde rechtzeitig mit der E-Mail-Bestätigung über das Widerrufsrecht belehrt wird:

"Hier ist von einer Belehrung bei Vertragsschluss auszugehen, so dass es bei der Regelfrist verbleibt. Die unter www.amazon.de abrufbare Offerte der Antragsgegnerin, bestehend aus der Artikelbeschreibung eines Multifunktionsgerätes Lexmark P 6350 nebst Preisangabe und sonstigen Kaufinformationen beinhaltet noch keine bindende, auf den Verkauf der Ware gerichtete Willenserklärung im Sinne des § 145 BGB, sondern stellt lediglich eine Aufforderung an den Betrachter dar, seinerseits ein Kaufangebot abzugeben (so genannte invitatio ad offerendum). Der Vertrag kommt erst mit Annahme dieses Angebotes durch die Antragsgegnerin zustande. Das geschieht nach ihren Angaben in der Widerspruchsschrift durch Versendung einer den Vertragsschluss bestätigenden Email, der eine Widerrufsbelehrung beigefügt ist. Die Verkörperung der Belehrung in einer Email wahrt das Textformerfordernis des § 126b BGB, weil die Botschaft dem Empfänger übermittelt wird und er sie jederzeit von seinem eigenen Server abrufen und speichern kann (Palandt-Heinrichs, 66. Aufl., Rdnr. 3 zu § 126b). Die Antragsgegnerin belehrt ihre Kunden daher schon bei Vertragsschluss über ihr Recht zum Widerruf. Es verbleibt mithin bei der zweiwöchigen Widerrufsfrist. Das ergibt sich im Umkehrschluss aus § 355 Abs. 2 Satz 2 BGB, denn der Gesetzgeber knüpft den längeren Fristlauf nach dieser Bestimmung ausdrücklich an die Voraussetzung einer erst nach – und nicht bei – Vertragsschluss erfolgten Belehrung."

Ob eine Warenpräsentation im Internet bereits ein verbindliches Vertragsangebot sei, müsse durch Auslegung ermittelt werden. Mangels anderer Anhaltspunkte seien Angebote auf dem Amazon-Marketplace lediglich unverbindliche Offerten, und der Kunde gebe seinerseits durch Bestellung erst ein verbindliches Vertragsangebot ab. Auch aus den Amazon-AGB ergebe sich nichts anderes, zumal diese den Käufern gar nicht bekannt seien und explizit keine Aussage zum Vertragsschluss treffen:

"Die Situation ist vergleichbar der Präsentation des Multifunktionsgerätes in einem stationären Ladengeschäft, bei dem ein Verkaufsschild die notwendigen Informationen vermittelt. Hier wie dort möchte sich der Unternehmer im Zweifel noch nicht endgültig binden, etwa weil die eingehenden Anfragen seinen Vorrat möglicherweise übersteigen oder er sich die Prüfung des Kunden vorbehalten will."

Je nachdem, wie die Bestellbestätigung formuliert ist, komme zwar ein anderer Ablauf in Betracht, hierfür lagen im entschiedenen Fall jedoch keine Anhaltspunkte vor. Insbesondere sei der Amazon-Marketplace nicht mit eBay zu vergleichen:

"Wenn das Kammergericht in seinem Beschluss vom 18. Juli 2006 – 5 W 156/06 (MMR 2006, Seite 678) bei einer vergleichbaren Belehrung über das Widerrufsrecht gleichwohl zu einer anderen Beurteilung gelangte, so ist dies, wie den Ausführungen unter Ziffer 2 d cc des Beschlusses zu entnehmen ist, den Besonderheiten bei Ebay geschuldet; denn dort ist nach den allgemeinen Geschäftsbedingungen, denen sich jeder Teilnehmer unterwerfen muss, tatsächlich von bindenden Angeboten der Verkäufer auszugehen, die durch einen einfachen Klick angenommen werden. Eine vergleichbare Bestimmung bei Amazon.de fehlt aber."

Besonders erwähnenswert ist die Auffassung des LG Berlin, dass die Verwendung des amtlichen Musters der Widerrufsbelehrung auch auf der Internetseite möglich sei. Diese Aufassung ist zutreffend, weil die Verwendung des Textes nach § 1 Abs. 4 S. 2 BGB-InfoV auch ausdrücklich in dieser Form vom Gesetzgeber für zulässig erklärt wird. Anders hatten dies jedoch das Kammergericht und das OLG Hamm gesehen, so dass abzuwarten bleibt, ob die Entscheidung des LG Berlin insoweit Bestand hat. Die Richterin führt dazu aus:

"Soweit sich die Antragsgegnerin daneben gegen die Angabe zum Beginn des Fristenlaufs mit „frühestens mit Erhalt dieser Belehrung“ wendet, steht ihr der geltend gemachte Unterlassungsanspruch ebenfalls nicht zu. Sie beanstandet die Information, die die Antragsgegnerin dem Verbraucher zukommen lässt, bevor er seine Vertragserklärung abgibt. Es kommt daher § 312c Abs. 1 Satz 1 BGB zur Anwendung. Danach ist der Unternehmer verpflichtet, dem Verbraucher rechtzeitig vor Abgabe von dessen Vertragserklärung in einer dem eingesetzten Fernkommunikationsmittel entsprechenden Weise klar und verständlich die Information zur Verfügung zu stellen, für die dies u.a. in § 1 Abs. 1 Nr. 10 BGB-InfoV bestimmt ist. Dazu zählen Informationen über das Bestehen oder Nichtbestehen des Widerrufsrechts sowie die Bedingungen, Einzelheiten der Ausübung etc. Zwar erweist sich die Angabe zum Fristbeginn danach als unklar, weil sie nicht mit Erhalt dieser, gerade angezeigten Widerrufsbelehrung zu laufen beginnt, sondern erst mit der in Textform noch gesondert mitzuteilenden Belehrung, die dem Verbraucher mit der den Vertragsschluss bestätigenden Email übermittelt wird. Unter diesen Umständen entfaltet die objektiv unzutreffende Belehrung nach § 312c Abs. 1 Satz 1 BGB aber keine wettbewerbliche Relevanz, weil sie den Verbraucher in der Wahrnehmung seiner Rechte nicht behindert. Dies wäre nur dann der Fall, wenn der Empfänger der Nachricht annähme, die Widerrufsfrist beginne schon in dem Zeitpunkt, in dem er die Widerrufsbelehrung erstmals am Bildschirm wahrgenommen hat. In diesem Fall wäre die Frist um die Zeit verkürzt, die bis zum Erhalt der Email verstrichen ist. Ein solches Verständnis eines durchschnittlich informierten und aufmerksamen Verbrauchers erscheint allerdings fern liegend. Nahe liegend ist die (zutreffende) Annahme, die gerade empfangene elektronische Post beinhalte den „Erhalt“ der Belehrung und setze den Fristlauf in Gang. Der Verbraucher, der einen Kaufvertrag abgeschlossen hat, ist daher nicht gehindert, seine Vertragserklärung fristgerecht zu widerrufen. Anders wäre es dann, wenn der Kunde die Email – sei es generell, sei es im Einzelfall – nicht erhielte. Einen solchen Sachverhalt trägt die Antragsgegnerin aber nicht vor." (cf)

Warum trotzdem Abmahnungen wegen einer Zweiwochenfrist denkbar sind?

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20.06.07