Der BGH hatte in einer Pressemeldung zu einem Urteil vom 12. April 2007 (Az.: VII ZR 122/06) Hoffnung gemacht, dass die amtliche Muster-Widerrufsbelehrung durch dieses Urteil gestärkt wurde. Die Muster-Belehrung war die jüngst von einigen Untergerichten in Frage gestellt worden. In der Pressemeldung hieß es: “Die Widerrufsbelehrung muss, wenn sie nicht genau einem gesetzlichen Muster entspricht (Anlage 2 zu § 14 Abs. 1 BGB-InfoV), den Anforderungen genügen, die das Gesetz an verschiedenen Stellen formuliert.” Die Urteilsbegründung liegt nun vor und ist enttäuschend. Aus dem Urteil lässt sich, anders als die Pressemeldung hoffen ließ, rein gar nichts über die Muster-Belehrung schlussfolgern.
Klargestellt wurde, dass bei selbst erstellten Belehrungen der Verbraucher nicht nur über seine Pflichten, sondern auch seine Rechte aufgeklärt werden muss.
"Der Widerruf der Beklagten war schon deshalb rechtzeitig, weil die Widerrufsbelehrung nicht den Anforderungen des Gesetzes entspricht. Die Klägerin hat lediglich auf die Pflichten, nicht jedoch auf wesentliche Rechte des Verbrauchers hingewiesen. Eine derartige Widerrufsbelehrung genügt nicht den Anforderungen des § 312 Abs. 2 BGB, wonach die Widerrufsbelehrung auf die Rechtsfolgen des § 357 Abs. 1 und 3 BGB hinweisen muss. Die Widerrufsbelehrung ist deshalb unwirksam, so dass eine Widerrufsfrist nicht laufen konnte."
Auf das Widerrufs-Muster des Bundesjustizministeriums geht der BGH nur am Rande ein, leider ohne die Frage der Wirksamkeit des Musters zu entscheiden.
"a) Die Klägerin hat kein Formular verwendet, das dem Muster gemäß § 14 Abs. 1 Anlage 2 BGB-InfoV entspricht. Sie kann schon deshalb keine ihr günstigen Rechtswirkungen aus der BGB-InfoV herleiten."
Sodann führt der Senat aus, dass der Verbraucher eben nicht nur über seine Pflichten (z.B. Wertersatz bei Beschädigung der Ware), sondern auch über seine Rechte (z.B. Rückerstattung des ggf. verzinsten Kaufpreises durch den Unternehmer) informiert werden muss:
"b) Der Schutz des Verbrauchers erfordert eine möglichst umfassende, unmissverständliche und aus dem Verständnis der Verbraucher eindeutige Belehrung (BGH, Urteil vom 4. Juli 2002 - I ZR 55/00, ZIP 2002, 1730, 1731). Eine diesen Anforderungen genügende Information über die Rechtsfolgen des § 357 Abs. 1 und 3 BGB kann sich nicht darauf beschränken, allein die Pflichten des Verbrauchers wiederzugeben, denn zu den in § 357 Abs. 1 BGB geregelten Rechtsfolgen gehören ebenso Rechte des Verbrauchers. Auch § 355 Abs. 1 BGB fordert, dass der Verbraucher über seine Rechte informiert wird. ...
Nach § 312c Abs. 1 Satz 1 BGB muss der Unternehmer u.a. die Informationen zur Verfügung stellen, für die dies in der Rechtsverordnung nach Artikel 240 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch bestimmt ist. Nach § 1 Abs. 1 Nr. 10 BGB-InfoV muss der Verbraucher über die Rechtsfolgen des Widerrufs oder der Rückgabe, einschließlich der Informationen über den Betrag, den der Verbraucher im Falle des Widerrufs oder der Rückgabe gemäß § 357 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches für die erbrachte Dienstleistung zu zahlen hat, informiert werden."
Ob das Muster alle erforderlichen Informationen enthält bzw. welche ganau dies sind, wenn eine selbst erstellte Belehrung verwendet wird, lassen die Karsruher Richter ebenfalls offen:
"d) Der Senat muss nicht entscheiden, in welchem Umfang der Verbraucher im Einzelnen über seine sich aus § 357 Abs. 1 und Abs. 3 BGB ergebenden Rechte zu informieren ist. Der Schutzzweck der Regelung erfordert jedenfalls eine Belehrung über die wesentlichen Rechte, die sich aus den Vorschriften über den gesetzlichen Rücktritt ergeben. Dazu gehört, dass auch der Unternehmer die empfangenen Leistungen zurückzugewähren und gegebenenfalls gezogene Nutzungen herauszugeben hat. Dementsprechend sieht auch das Muster in Anlage 2 zu § 14 Abs. 1 BGB-InfoV den Text vor: "Im Falle eines wirksamen Widerrufs sind die beiderseits empfangenen Leistungen zurückzugewähren und ggfls. gezogene Nutzungen (z.B. Zinsen) herauszugeben." Die Widerrufsbelehrung der Klägerin informiert demgegenüber lediglich darüber, dass der Verbraucher die Pflicht zur Rückgewähr und zur Herausgabe gezogener Nutzungen hat. Das ist eine einseitige Darstellung, die geeignet ist, Unsicherheit beim Verbraucher darüber hervorzurufen, inwieweit der Unternehmer in gleicher Weise verpflichtet ist. Sie wird dem Ziel, den Verbraucher möglichst unmissverständlich zu belehren, nicht gerecht. Diesem drängt sich die unbeantwortete Frage auf, wieso nur seine Verpflichtung zur Rückgabe und nicht die des Unternehmers zur Rückzahlung erwähnt wird. Insbesondere wird ihm die Information vorenthalten, dass auch der Unternehmer die gezogenen Nutzungen, z.B. Zinsen, herauszugeben hat."
Mit dem Urteil wurde also weder die Frage geklärt, ob das Muster zur Belehrung in Textform eingesetzt werden kann, noch ob der Unternehmer das Muster zur Information auf der Website einsetzen kann. Das ist umso bedauerlicher vor dem Hintergrund des LG Berlin Beschlusses vom 15.03.2007 (52 O 88/07) zur Wertersatzklausel in Textform. Das Muster ist evident fehlerhaft, wenn bei Mitteilung der Widerrufbelehrung NACH Vertragsschluss die Frist gem. Gestaltungshinweis 1 auf einen Monat zu ändern ist, aber der Wertersatzpassus unverändert bleibt.
Denn nach § 357 Abs. 3 ist für Wertersatz wegen bestimmungsgemäßer Ingebrauchnahme eine Belehrung “spätestens BEI Vertragsschluss in Textform” erforderlich. Nach Vertragsschluss ist nicht (mehr) bei Vertragsschluss. In § 305 Abs. 2 BGB bedeutet “bei Vertragsschluss” sogar “vor Abgabe der Vertragserklärung”. Ein entsprechender Gestaltungshinweis im Muster, die Wertersatzaufklärung zu ändern in “Jedoch bleibt die durch die bestimmungsgemäße Ingebrauchnahme entstandene Verschlechterung außer Betracht.” fehlt jedoch gänzlich.
Damit enthält das Muster einen weiteren Fehler, der m.E. viel schwerwiegender ist als Ungenauigkeiten beim Fristbeginn und dazu führt, dass die Verwendung des Musters sowohl zur vorvertraglichen Info (siehe OLG Hamm) als auch zur Belehrung in Textform immer ungeeigneter wird. Ich kann nicht nachvollziehen, warum die Bundesregierung, wenn sie schon das Muster nicht überarbeiten will, dieses nicht zumindest ganz zurückzieht, um Unternehmer und Verbraucher nicht weiter in die Irre zu führen. (cf)
Siehe zum Thema auch:
Ist die Muster-Widerrufsbelehrung noch zu retten?
FDP beantragt Überarbeitung der Muster-Widerrufsbelehrung
Justizministerium hält Muster-Widerrufsbelehrung für abmahnsicher
Bundesregierung hält Muster-Widerrufsbelehrung für wirksam
FDP fordert Korrekturen beim Widerrufsrecht im Internethandel
LG Münster: Muster-Widerrufsbelehrung hat Gesetzesrang
F.A.Z.: Der Internethandel ist ein rechtliches Minenfeld
Urteil: Vorgabe des Justizministeriums zum Widerrufsrecht rechtswidrig