Artikel aus der Frankfurter Allgemeinen Zeitung v. 29. August 2006 von Carsten Föhlisch. Deutsche Internethändler haben es nicht leicht. Rund 30 Verbraucherinformationen müssen sie auf der Internetseite plazieren, darunter auch eine Information zur Möglichkeit des Kunden, einen Kaufvertrag zu widerrufen.
Deutsche Internethändler haben es nicht leicht. Rund 30 Verbraucherinformationen müssen sie auf der Internetseite plazieren, darunter auch eine Information zur Möglichkeit des Kunden, einen Kaufvertrag zu widerrufen. Dies ist seit dem Jahr 2000 fester Bestandteil des deutschen Rechts und war immer wieder Anlaß für Kritik. So bemängelte der Deutsche Anwaltverein in einer Stellungnahme, daß die Vorschriften über Fernabsatzverträge „in ihrer sprachlichen Qualität nicht dem Standard des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB)“ entsprächen. Bis heute ist unklar, wie die Widerrufsbelehrung im Internethandel genau auszusehen hat und wo sie in welcher Form im Bestellablauf eines Online-Shops untergebracht werden muß. Bei Fehlern drohen dem Händler neben verlängerten Rückgabemöglichkeiten der Kunden vor allem Abmahnungen durch Konkurrenten, die zu einer lästigen und kostspieligen Begleiterscheinung des Internethandels geworden sind.
Um den Händlern die erforderliche Rechtssicherheit zu geben, hat das Bundesjustizministerium zum 1. September 2002 ein amtliches Muster für die Widerrufsbelehrung eingeführt und in § 14 der BGB-Infomationspflichten-Verordnung (BGB-InfoV) bestimmt, daß derjenige den gesetzlichen Vorgaben genügt, der dieses Muster verwendet. Tausende Internethändler nahmen dieses Angebot dankbar an und verwenden seitdem – auch auf Rat ihrer Anwälte – das amtliche Muster. Geht es allerdings nach einem Urteil des Landgerichts Halle, stehen die Internet-händler bei Verwendung des amtlichen Musters nicht auf der rechtssicheren Seite (Az.: 1 S 28/05).
Unwirksames Muster
Der Text des Bundesjustizministeriums, so die Urteilsbegründung, mache den Verbrauchern nicht deren Rechte deutlich, wie vom Gesetz verlangt, sondern führe durch unklare Formulierungen in die Irre. So sei die im Muster vorgesehene Information darüber, wann die Widerrufsfrist „frühestens“ beginnt, nicht geeignet, dem Verbraucher die Ausübung dieses Rechtes in allen Fällen zu ermöglichen. In der Konsequenz sei § 14 BGB-InfoV samt Musterbelehrung wegen Verstoßes gegen höherrangiges Recht unwirksam und nichtig. Wer also den amtlichen Vordruck verwendet, müsse hinnehmen, daß Kunden die Ware auch nach Jahren noch zurückgeben, erklärten die Richter. Denn werden bei der Widerrufsbelehrung Fehler gemacht, wozu auch die Verwendung des Musters zähle, verlängert sich die Widerrufsfrist auf unbestimmte Zeit (§ 355 Absatz 3 BGB).
Die Argumente des Gerichtes sind nicht neu. Die Fehler des Musters sind schon frühzeitig in der Rechtswissenschaft kritisiert worden. Gleichwohl hielt der Gesetzgeber an dem Muster fest und verkündete es im Dezember 2004 noch einmal neu und unverbessert im Fernabsatzänderungsgesetz. Damit sollte klargestellt werden, daß die Belehrung trotz etlicher Unschärfen rechtssicher eingesetzt werden kann und fortan nicht mehr den Rang einer Ministerialverordnung, sondern eines Bundesgesetzes hat. Insofern hat das Urteil aus Halle wohl nur für Online-Käufe vor dem 8. Dezember 2004 praktische Konsequenzen.
Gefährliche Anpassungen
Gleichwohl bereitet das Muster in der Praxis immer wieder Kopfzerbrechen. Wird es beispielsweise nur in einzelnen Teilen verwendet oder werden einzelne Worte verändert, kann es nach einem Urteil des Landgerichts Stuttgart nicht mehr rechtssicher eingesetzt werden (Az.: 38 O 79/05 KfH). Anpassungen sind aber häufig erforderlich, etwa wenn der Händler über den genauen Betrag informiert, der im Falle einer Benutzung der Ware während der Widerrufsfrist fällig wird, wie von Verbraucherschützern gefordert. Hier enthält das Muster nur einen Pauschalhinweis, der dem Verbraucher wenig Klarheit verschafft. Auch die nach § 312c BGB vorgeschriebenen Hinweise auf ein mögliches Nichtbestehen des Widerrufsrechtes (zum Beispiel bei Maßanfertigungen) fehlen gänzlich im Muster.
Seit einem Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) in Karlsruhe vor knapp zwei Jahren ist klar, daß das Widerrufsrecht auch bei gewerblichen Verkäufen über die Internet-Plattform Ebay gilt (Az.: VIII ZR 375/03). Über die Frage wurde zuvor in der Rechtswissenschaft kontrovers diskutiert, sind doch gewerbliche Online-Auktionen in einigen Mitgliedstaaten der Europäischen Union vollständig vom Widerrufsrecht ausgeschlossen.
Im europäischen Vergleich ist auch die deutsche Widerrufsfrist von zwei Wochen ungewöhnlich lang. Die Fernabsatzrichtlinie schreibt nur sieben Werktage vor. Daß der deutsche Verbraucherschutz im Internet noch weiter reicht, hat nun das Berliner Kammergericht entschieden (Az.: 5 W 156/06). Bei gewerblichen Auktionen über die Plattform Ebay betrage die Widerrufsfrist nicht zwei Wochen, sondern einen Monat. Geht es nach den Berliner Richtern, kann der Kunde nun zum Beispiel einen bei Ebay erworbenen Großbildfernseher während der Fußball-Europameisterschaft einen Monat lang benutzen und ihn dann ohne Begründung gegen volle Kaufpreisrückerstattung zurückgeben. Dem Mißbrauch sind dabei Tür und Tor geöffnet.
Belehrung kommt zu spät
Grund dafür ist der technische Ablauf des Vertragsschlusses bei Ebay, den der Händler nicht beeinflussen kann. Der Kaufvertrag kommt hier bereits durch das Höchstgebot des Kunden zustande und nicht erst durch eine E-Mail-Bestätigung, wie sie bei vielen Online-Shops üblich ist. Daher kann die erforderliche Belehrung in „Textform“ erst einige Sekunden nach Vertragsschluß erfolgen, zum Beispiel mit einer Bestätigungsnachricht des Auktionshauses. Zu spät, so die Berliner Richter, denn für die zweiwöchige Frist ist nach dem Wortlaut des Gesetzes (§ 355 Absatz 2 Satz 2 BGB) eine Belehrung vor Vertragsschluß erforderlich. Bei Belehrung nach Vertragsschluß verlängert sich die Frist dagegen auf einen Monat. Auch ein Wertersatzanspruch wegen Benutzung der Ware setzt nach § 357 Absatz 3 BGB eine Textformbelehrung „spätestens bei“ Vertragsschluß voraus. Der Händler kann diese gesetzlichen Voraussetzungen beim Verkauf über Ebay schlichtweg nicht erfüllen, weil der Vertragspartner kurz vor Auktionsablauf noch unbekannt ist.
Sollte sich diese Rechtsprechung durchsetzen, wird der Verbraucher künftig kaum noch Schnäppchen in Ebay-Auktionen ergattern können, da das erweiterte Widerrufsrecht in die Preiskalkulation einfließen muß. Anpassungen der Gesetze zum Verbraucherschutz, die gleichermaßen Bankgeschäfte, Ebay-Auktionen und Teleshopping regeln, scheinen dringend erforderlich. Gewinner der verworrenen Rechtslage sind derzeit vor allem Rechtsanwälte, die Belehrungstexte auf Fehler durchsuchen. Die nächste Abmahnwelle wird nicht lange auf sich warten lassen.
Der Autor ist Rechtsanwalt und Justitiar der Trusted Shops GmbH.
Text: F.A.Z.