Das OLG Hamburg hat mit Urteil vom 25.11.2004 (5 U 22/04) entschieden, dass das Anschreiben eines Online Händlers an Kunden, die in der Vergangenheit überdurchschnittlich viele Artikel wieder zurückgesandt hatten, bei der nächsten Bestellung nur solche Artikel zu bestellen, die man auch wirklich behalten wolle, weil anderenfalls ein Abbruch der Geschäftsbeziehung drohe, keine unzulässige Einschränkung des Rückgaberechtes ist.
Im vorliegenden Fall hatte ein großes Versandhandelsunternehmen Kunden, deren Retourenverhalten aus Sicht des Unternehmens in der Vergangenheit ein nicht mehr akzeptables Ausmaß erreicht hatte, nach deren Bestellung angeschrieben. In dem Schreiben hieß es unter anderem: „Leider haben wir festgestellt, dass Sie in den letzten beiden Jahren mehr als die Hälfte aller Artikel zurückgeschickt haben. Damit liegt Ihre Rücksendequote dauerhaft ganz erheblich über dem Durchschnitt. ... Wir bitten Sie daher, bei Ihren nächsten Bestellungen wirklich nur solche Artikel zu bestellen, die sie mit hoher Wahrscheinlichkeit behalten wollen. Denn eine deutliche Absenkung Ihrer Rücksendequote ist eine notwendige Voraussetzung für die positive Fortsetzung unserer Geschäftsbeziehung.“ Kunden, die auch nach Erhalt dieses ersten Schreibens mindestens 50% der bestellten Waren wieder zurücksandten, erhielten von dem Versandhandelsunternehmen daraufhin ein weiteres Schreiben, in dem es hieß: „Leider haben wir in den letzten Monaten feststellen müssen, dass wir Sie mit unserer Ware nicht zufrieden stellen können. Sie haben wieder deutlich mehr als die Hälfte der gelieferten Artikel zurückgeschickt. Wir bedauern sehr, Ihnen mitteilen zu müssen, dass wir unter diesen Umständen nicht bereit sind, Sie weiter zu beliefern.“ Wegen dieser Anschreibepraxis hat eine Verbraucherzentrale das Versandhandelsunternehmen auf Unterlassung verklagt. Dabei wurde argumentiert, das Unternehmen versuche hiermit, die Kunden in rechtswidriger Art und Weise von der Ausübung des ihnen gesetzlich uneingeschränkt eingeräumten Rückgaberechts abzuhalten. Zudem sei die Erstellung von Kundenprofilen über das Konsum- und Bestellverhalten der Verbraucher datenschutzrechtlich unzulässig und verstoße gleichzeitig gegen das Wettbewerbsrecht.
Das OLG Hamburg gab dem Versandhandelsunternehmen in diesem Fall Recht. Nach Auffassung des Gerichts ist es nicht unlauter im Sinne von § 4 Nr. 1 i.V.m. § 3 UWG, wenn durch die fraglichen Anschreiben ein gewisser Druck auf die Adressaten ausgeübt wird und beabsichtigt ist. Nicht jede Ausübung von Druck sei wettbewerbsrechtlich unlauter, sondern nur solche Einwirkungen, die unangemessen unsachlich sind. Im vorliegenden Fall bestehe kein „psychischer Kaufzwang“, da die Ankündigung des beklagten Versandhandelsunternehmens keine gegenwärtige Bestellung betreffe, sondern sich ausschließlich auf künftige Bestellungen beziehe. Dem Unternehmen stehe es frei, ob es mit einem Kaufinteressenten eine vertragliche Beziehung eingehen will oder nicht. Dem entsprechend stehe es dem Online Händler frei, seine Kunden darauf hinzuweisen, dass er unter bestimmten Voraussetzungen zu einem erneuten Vertragsschluss nicht mehr bereit ist.
Wenn sich auf Grund der über einen längeren Zeitraum der mit einem Kunden bereits bestehenden Geschäftsbeziehung ergibt, dass diese unwirtschaftlich ist, könne, so das Gericht, keinem Wirtschaftsteilnehmer die Verpflichtung zugemutet werden, gleichwohl stets neue Folgeverträge anzubieten und damit weitere wirtschaftliche Verluste in Kauf zu nehmen. Gerade weil die §§ 356, 357 BGB das wirtschaftliche Risiko im Zusammenhang mit den Kosten der Rücksendung praktisch vollständig einseitig dem Unternehmer zuweisen, steht es außerhalb kartellrechtlicher Kontrahierungszwänge und Diskriminierungsverbote dem Unternehmen frei, unter bestimmten Umständen zukünftig von derartigen Vertragsbeziehungen Abstand nehmen zu können. Durch ein entsprechendes Schreiben nach einer Vielzahl retournierter Bestellungen wird der angeschriebene Kunde in die Lage versetzt, sein Bestellverhalten zu überprüfen und abzuwägen, ob er bei einer Fortsetzung des beanstandeten Verhaltens den Abbruch der Geschäftsbeziehungen durch den Online Händler riskieren wolle. Dies gelte zumindest dann, wenn ein entsprechendes Schreiben nicht an alle Kunden, sondern nur an solche verschickt wird, bei denen objektive Voraussetzungen vorliegen, die eine unrentable Geschäftsbeziehung begründen.
Durch das Schreiben werde auch keine Geschäftsbeziehung „gekündigt“, sondern lediglich eine weitere Belieferung abgelehnt. Eine „Geschäftsbeziehung“ bestehe, so das Gericht, zwischen dem Online Händler und denjenigen ihrer Kunden, die bereits mehrfach Bestellungen aufgegeben haben, nicht in rechtlicher, sondern allenfalls in faktischer Hinsicht. Da durch jede Einzelbestellung ein gesonderter Vertrag über einen Kauf zustande kommt, fehlt es hier an einem rechtlich relevanten Dauerschuldverhältnis, welches gekündigt werden könnte. Weder den Kunden des Versandhandelsunternehmens noch der Verbraucherzentrale obliege es zu entscheiden, bis zu welcher Grenze der Online Händler bei einem Einzelkunden die wirtschaftlichen Risiken hinzunehmen hat. Diese Einschätzung obliege allein der unternehmerischen Entscheidung des Online Händlers. Dieser müsse auf Grund der verbraucherschützenden Vorschriften aus §§ 356, 357 BGB zwar hinnehmen, dass jede Einzelbestellung für den Händler wirtschaftlich unrentabel bzw. defizitär sein kann. Daraus folge jedoch keine Rechtspflicht, auch für die Zukunft mit demselben Kunden stets erneut potentiell unwirtschaftliche Vertragsverhältnisse eingehen zu müssen.
Schließlich liege auch kein Verstoß gegen datenschutzrechtliche Vorschriften vor. Der Online Händler erhob im vorliegenden Fall keinerlei Daten über Einkaufs- bzw. Verbrauchsgewohnheiten der Kunden, die Rückschlüsse auf deren Konsumverhalten zulassen könnten. Vielmehr wurden allein Daten über die Art der Vertragsabwicklung, insbesondere das Retourenverhalten der Kunden erhoben. Hierbei handele es sich ausschließlich um abwicklungstechnische Vertragsdaten, die im Rahmen der Zweckbestimmung des Vertragsverhältnisses bzw. zur Wahrung berechtigter Interessen gem. § 28 Abs. 1 Nr. 2 BDSG gespeichert und verarbeitet werden dürfen. Denn das Versandhandelsunternehmen hat aus den genannten Gründen ein berechtigtes Interesse daran, „Hochretournierer“ sowie andere Kunden, die die Vorteile eines kostenfreien Rückgaberechts zu Lasten des Online Händlers ausnutzen bzw. übermäßig beanspruchen, ermitteln zu können, um künftige Vertragabschlüsse mit diesen Kunden unterbinden zu können. Schutzwürdige Interessen der Kunden würden hierdurch weder tangiert noch überwiegen sie dem Interesse des Online Händlers an der Speicherung.
Dieses aus Sicht der Online Händler sehr begrüßenswerte Urteil stellt klar, dass Kunden, die in der Vergangenheit übermäßigen Gebrauch von ihrem Rückgaberecht gemacht haben, von künftigen Belieferungen ausgeschlossen werden können. Zudem ist es zulässig, Daten über das Rücksendeverhalten der Kunden zur Wahrung der berechtigten Interessen zu speichern und zu verarbeiten.
Zu beachten ist jedoch, dass die Anschreiben des Online Händlers im vorliegenden Fall nicht auf gegenwärtige, sondern künftige Bestellungen bezogen waren. Es ist nicht möglich, den Kunden durch ein vergleichbares Anschreiben von der Ausübung seines Rückgaberechtes bei einer laufenden Bestellung abzuhalten. Derartige Einschränkungen des Rückgaberechts sind unzulässig und können zu Abmahnungen bzw. Unterlassungsverpflichtungen führen.
Entsprechende Anschreiben machen daher nur Sinn, sofern sie an Bestandskunden gerichtet werden, die künftig nicht mehr beliefert werden sollen. Werden Neukunden in AGB oder auch Schreiben, die der Warenlieferung beiliegen, in ähnlicher Weise aufgefordert, nur solche Waren zu bestellen, die auch mit hoher Wahrscheinlichkeit behalten werden, ist dies eine unzulässige Einschränkung des Widerrufsrechts. Jede Einschränkung sollte wegen des damit verbundenen Abmahnrisikos nur nach einer eingehenden Rechtsberatung vorgenommen werden.