Neue Vorgaben für die Abgabe bestimmter Biozide ab 1.1.2025

Für Biozidprodukte gelten neben speziellen Kennzeichnungsvorschriften auch besondere Vorgaben für die Werbung. Seit dem 28.6.2021 gilt außerdem die Biozidrechts-Durchführungsverordnung. Ab dem 1.1.2025 treten dann verschärfte Regeln für die Abgabe im Online- und Versandhandel in Kraft. Ab diesem Zeitpunkt muss der Unternehmer bei bestimmten Arten von Bioziden durch technische oder organisatorische Anforderungen sicherstellen, dass vor Abschluss des Kaufvertrags die Einhaltung der persönlichen Anforderungen durch eine sachkundige Person überprüft wird und ein Abgabegespräch erfolgt.

Hintergrund

Eine falsche Kennzeichnung von Bioziden ist häufig ein Grund für Abmahnungen. Seit dem 1.9.2013 gilt bereits die europäische Biozid-Verordnung (Biozid-VO, VO [EU] Nr. 528/2012) für Biozidprodukte und behandelte Waren. Sie enthält unmittelbar geltende unionsrechtliche Vorschriften insbesondere zur Zulassung und Kennzeichnung von Biozidprodukten. Biozidprodukte dienen bestimmungsgemäß der Abtötung oder sonstigen Kontrolle von Schadorganismen; auf Grund dieser Wirkungsweise bergen Biozidprodukte ein hohes Gefährdungspotential für die menschliche Gesundheit, Nichtzielorganismen und die Umwelt, was grundsätzlich auch für Produkte gilt, für die eine Zulassung erteilt wird.

Mit der Biozidrechts-Durchführungsverordnung (ChemBiozidDV) hat der deutsche Gesetzgeber bereits 2021 nationale Regelungen über die Abgabe von Biozidprodukten getroffen, die in erster Linie dazu dienen, die Einhaltung der inhaltlichen Vorgaben der Zulassungen für Biozidprodukte, insbesondere darin enthaltener Abgabebeschränkungen und Anwendungsbestimmungen, sicherzustellen.

Ab dem 1.1.2025 tritt mit §§ 10–13 ChemBiozidDV ein Verbot der Selbstbedienung für bestimmte Biozidarten in Kraft. Mit diesen Vorgaben sollen dann die Anforderungen des stationären Handels an die Abgabe von Biozidprodukten auf den Online- und Versandhandel übertragen werden.

Was ändert sich?

Ab diesem Zeitpunkt gilt § 12 ChemBiozidDV. Danach müssen Unternehmer im Fernabsatz bei bestimmten Biozidarten durch technische oder organisatorische Anforderungen sicherstellen, dass vor Abschluss des Kaufvertrags die Einhaltung der persönlichen Anforderungen nach § 11 Abs. 2 Nr. 1 ChemBiozidDV durch eine sachkundige Person überprüft wird und ein Abgabegespräch nach § 11 Abs. 2 Nr. 2 ChemBiozidDV erfolgt. Diese Regelung wird den Onlinehandel betroffener Produkte vor große Herausforderungen stellen.

§ 12 Anforderungen an die Abgabe im Online- und Versandhandel

Erfolgt die Abgabe im Online-Handel oder sonst im Versandwege, gelten § 10 Absatz 2 und § 11 Absatz 2 mit der Maßgabe, dass durch technische oder organisatorische Maßnahmen sicherzustellen ist, dass vor Abschluss des Kaufvertrages über das Biozid-Produkt

1.die Einhaltung der Voraussetzungen des § 11 Absatz 2 Nummer 1 durch eine nach § 13 sachkundige Person überprüft wird und

2.ein fernmündliches oder ein per Videoübertragung geführtes Abgabegespräch nach § 11 Absatz 2 Nummer 2 durch eine nach § 13 sachkundige Person nachweisbar erfolgt.

Gegen die entsprechenden Regelungen gerichtete Anträge auf Aussetzung der Anwendung im einstweiligen Rechtsschutz blieben bisher ohne Erfolg (VG Braunschweig, Beschl. v. 16.3.2023 – 1 B 263/22; VG Bayreuth, Beschl. v. 3.8.2023 – B 10 E 23.223).

Anwendungsbereich

Die neuen Vorgaben gelten für Biozidprodukte nach § 10 Abs. 2 und § 11 Abs. 2 ChemBiozidDV. Erfasst werden danach folgende Kategorien nach Anh. V BiozidVO:

  • Biozidprodukte, wenn eine oder mehrere Verwendungen dieser Produkte gemäß der durch die Zulassung vorgegebenen Kennzeichnung nicht durch die breite Öffentlichkeit gestattet sind,
  • Beschichtungsschutzmittel, Produktart 7,
  • Holzschutzmittel, Produktart 8,
  • Schutzmittel für Baumaterialien, Produktart 10,
  • Rodentizide, Produktart 14,
  • Insektizide, Akarizide und Produkte gegen andere Arthropoden (Produkte zur Bekämpfung von Arthropoden [z.B.Insekten, Spinnentiere und Schalentiere] durch andere Mittel als Fernhaltung oder Köderung), Produktart 18,
  • Antifouling-Produkte (Produkte zur Bekämpfung des Wachstums und der Ansiedlung von bewuchsbildenden Organismen [Mikroben und höhere Pflanzen- und Tierarten] an Wasserfahrzeugen, Ausrüstung für die Aquakultur und anderen im Wasser eingesetzten Bauten), Produktart 21.

Die nachfolgenden Voraussetzungen gelten jedoch nicht für Biozidprodukte, die nach Art. 25 Biozid-VO im vereinfachten Zulassungsverfahren zugelassen wurden, § 10 Abs. 3 S. 1 ChemBiozidDV:

Die Absätze 1 und 2 gelten nicht für Biozid-Produkte, die nach Artikel 25 der Verordnung (EU) Nr. 528/2012 im vereinfachten Zulassungsverfahren zugelassenen wurden.

In solchen Fällen kann generell von einem günstigen Profil für die Umwelt oder die Gesundheit von oder Tier ausgegangen werden. Solche Biozidprodukte sind anhand der Zulassungsnummer erkennbar (BR-Drs. 404/21, 26).

Abgabegespräch durch sachkundige Person

Die oben genannten Produkte dürfen nur angeboten und abgegeben werden, wenn durch organisatorische Maßnahmen sichergestellt ist, dass vor Abschluss des Kaufvertrags durch eine sachkundige Person, die die Anforderungen des § 13 ChemBiozidDV erfüllt, ein Abgabegespräch mit den Inhalten des § 11 Abs. 2 Nr. 2 ChemBiozidDV stattfindet. Danach muss der Erwerber in dem Gespräch über folgendes informiert werden:

  • Mögliche präventive Maßnahmen zur Bekämpfung von Schadorganismen sowie mögliche alternative Maßnahmen mit geringem Risiko,
  • die bestimmungsgemäße und sachgerechte Anwendung des Biozidprodukts gemäß der Gebrauchsanweisung, insbesondere über Verbote und Beschränkungen,
  • die mit der Verwendung des Biozidprodukts verbundenen Risiken und mögliche Risikominderungsmaßnahmen,
  • die notwendigen Vorsichtsmaßnahmen beim bestimmungsgemäßen Gebrauch und für den Fall des unvorhergesehenen Verschüttens oder Freisetzens sowie
  • die sachgerechte Lagerung und ordnungsgemäße Entsorgung.

Abweichend von den oben genannten Kategorien ist bei Biozidprodukten, wenn eine oder mehrere Verwendungen dieser Produkte gemäß der durch die Zulassung vorgegebenen Kennzeichnung nicht durch die breite Öffentlichkeit gestattet sind, ein Abgabegespräch nicht erforderlich, § 12 i.V.m. § 11 Abs. 2 Nr. 2 ChemBiozidVO.

Eine weitere Ausnahme von der Pflicht, ein Abgabegespräch zu führen, betrifft bei Beschichtungsmitteln, Holzschutzmitteln und Schutzmitteln für Baumaterialien den Fall, dass der abgebenden Person bekannt ist oder der Erwerber durch Vorlage geeigneter Unterlagen glaubhaft macht, dass die Anwendung des Biozidprodukts in Ausübung der beruflichen Tätigkeit des Erwerbers erfolgt, § 10 Abs. 3 S. 2 ChemBiozidDV:

Ein Abgabegespräch nach Absatz 2 ist nicht erforderlich, wenn der abgebenden Person bekannt ist oder der Erwerber ihr durch Vorlage geeigneter Unterlagen glaubhaft macht, dass die Anwendung des Biozid-Produkts in Ausübung der beruflichen Tätigkeit des Erwerbers erfolgt.

Sachkunde für die Abgabe

Welche Voraussetzungen an die Sachkunde der abgebenden Person zu stellen sind, bestimmt § 13 ChemBiozidDV.

Nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 ChemBiozidDV ist die Sachkunde stets bei Vorliegen der Sachkunde nach § 11 ChemVerbotsV gegeben. Die anderweitigen Qualifikationen nach § 11 Abs. 3 ChemVerbotsV sind von dem Verweis ebenfalls umfasst, so dass diese nicht erneut aufgeführt werden müssen. Die Eingrenzung auf Sachkunden nach der ChemVerbotsV, die die Abgabe von Biozidprodukten umfassen, bedeutet allerdings, dass, sofern eine nach Maßgabe von § 11 Abs. 2 S. 2 ChemVerbotsV eingeschränkte Sachkundeprüfung abgelegt wurde, die Sachkunde nach § 11 nur vorliegt, wenn die Sachkundeprüfung zur Abgabe von Biozid-Produkten nach der Chemikalien-Verbotsverordnung berechtigt.

Nach § 13 Abs. 1 Nr. 2 ChemBiozidVO ist bei Vorliegen der Voraussetzungen nach § 9 PflSchG die Sachkunde für die Abgabe nach dieser Verordnung gegeben, sofern zusätzlich eine Fortbildungsveranstaltung nach § 11 Abs. 1 Nr. 2 ChemVerbotsV, welche Kenntnisse über Biozidprodukte vermittelt, entweder erstmalig oder als Wiederholungsveranstaltung innerhalb der in § 11 Abs. 1 Nr. 2 ChemVerbotsV genannten Zeiträume besucht wurde.

Nach § 13 Abs. 1 Nr. 3 ChemBiozidVO wird die Sachkunderegelung für die Anwendung von Biozidprodukten nach § 15c Abs. 3 GestStoffV auch für die Abgabe von Biozid-Produkten nach dieser Verordnung anerkannt, sofern sich die Sachkunde auf die Produktart bezieht, der das abgegebene Biozidprodukt zuzuordnen ist. In anderen Mitgliedstaaten der EU oder anderen EWR-Staaten erworbene Nachweise können anerkannt werden, worüber im Einzelfall jedoch die zuständige Landesbehörde zu entscheiden hat.

Überprüfung der persönlichen Voraussetzungen

Zudem müssen die Anforderungen nach § 11 Abs. 2 Nr. 1 ChemBiozidDV eingehalten werden. Danach dürfen die erfassten Biozidprodukte nur abgegeben werden, wenn der abgebenden Person bekannt ist oder sie sich vom Erwerber hat bestätigen oder durch Vorlage entsprechender Unterlagen nachweisen lassen, dass dieser zu der in der Zulassung genannten Verwenderkategorie gehört und die Biozidprodukte in bestimmungsgemäßer und sachgerechter Weise verwenden will. Hiervon erfasst wird z.B. ein Maler, der eine biozidbehandelte Farbe verwenden will (BR-Drs. 404/21, 26).

Umsetzung

Die sachkundige Person muss nicht dem Betrieb angehören, sodass auch auf externe Anbieter zurückgegriffen werden kann (BR-Drs. 404/21, 27). Für die Überprüfung der persönlichen Eigenschaften wird zudem kein Kommunikationsmittel genannt. Der Kunde kann daher die Glaubhaftmachung und die entsprechenden Unterlagen ebenfalls per Video übertragen (BR-Drs. 404/21, 27). Es kann aber auch eine Übertragung per E-Mail erfolgen. In jedem Falle muss sichergestellt werden, dass ein Erwerber die persönlichen Voraussetzungen erfüllt sowie ein Abgabegespräch tatsächlich durchgeführt wurde. In diesem Rahmen können Sie die konkrete Ausgestaltung in eigener Verantwortung und unter Beachtung der einschlägigen datenschutzrechtlichen Vorgaben wählen. Als eine mögliche Ausgestaltung nennt die Gesetzesbegründung den Erhalt eines Codes für den Erwerber nach Abschluss des Abgabegesprächs, den er dann bei der Bestellung des Produkts, d.h. bei Kaufvertragsschluss, anzugeben hat (BR-Drs. 404/21, 28; BT-Drs. 19/28890, 6). Zudem wird keine Aufzeichnung des Beratungsgesprächs durch die Neuregelung gefordert (BT-Drs. 19/28890, 6).

Entscheidend ist, dass die Vorkehrungen wirksam verhindern, dass das Produkt verkauft wird, ohne dass die oben genannten eingehalten wurden. Die zuständigen Behörden sollen den betroffenen Händler*innen unterstützen, indem sie Best-Practice-Beispiele sammeln und in Leitlinien zugänglich machen.

Für unsere Kunden

Kundinnen und Kunden unserer Legal Produkte finden in Ihrem Legal Account  zu allen rechtlich problematischen und abmahnanfälligen Themen praxisorientierte Handbücher, Schulungen und verständliche Whitepaper, selbstverständlich auch zum Vertrieb von Bioziden.

29.08.24