LG Nürnberg-Fürth: 20 % Wertersatz bei Onlinekauf eines PKW nach Widerruf

Für einen Wertverlust der Ware muss der Verbraucher nach § 357a Abs. 1 BGB Wertersatz leisten, wenn der Wertverlust der Ware auf einen Umgang mit der Ware zurückzuführen ist, der zur Prüfung nicht erforderlich war, und der Unternehmer den Verbraucher ordnungsgemäß über sein Widerrufsrecht informiert hat. Die Berechnung des Wertersatzes nach einem Widerruf stellt den Unternehmer allerdings immer wieder vor Herausforderungen. Das LG Nürnberg-Fürth (Urt. v. 23.04.2025 – 16 O 5436/24) entschied nun, dass 20 % Wertersatz bei Erstzulassung eines KFZ angemessen seien.

Die Parteien streiten um Rückzahlungsansprüche nach Widerruf eines Kaufvertrags. Der Kläger erwarb mit Fahrzeugbestellvertrag vom 22.12.2023 bei der Beklagten über das Internet einen Tesla Model Y 2023 Europa zu einem Gesamtpreis von 41.120,00 € und zahlte den Kaufpreis.

Im Kaufvertrag wurde dem Kläger ein Widerrufsrecht eingeräumt, in welchem unter anderem auf die Folgen des Widerrufs, insbesondere auf die Frage des Wertverlustes wie folgt hingewiesen wurde: „Sie müssen für einen etwaigen Wertverlust der Waren nur aufkommen, wenn dieser Wertverlust auf einen zur Prüfung der Beschaffenheit, Eigenschaften und Funktionsweise der Waren nicht notwendigen Umgang mit ihnen zurückzuführen ist.“

Das Fahrzeug wurde dem Kläger am 29.12.2023 ausgehändigt. Am 8.1.2024 erklärte der Kläger gegenüber der Beklagten den Widerruf und gab das Fahrzeug am 19.1.2024 mit 515 gefahrenen Kilometern zurück. Vor Erklärung des Widerrufs erfolgte die Erstzulassung des Fahrzeugs durch den Kläger.

Der Kläger wurde durch die Beklagte zunächst darauf hingewiesen, dass aufgrund der gefahrenen Kilometer eine Nutzungsentschädigung von 283,25 € anzurechnen ist. Zudem teilte sie ihm mit, es sei ferner ein Wertverlust von 20% des Kaufpreises anzusetzen, da der Wagen nicht mehr als Neufahrzeug verkauft werden könne.

Der Kläger erhielt am 1.3.2024 einen Betrag in Höhe von 32.896,00 € von der Beklagten. Er verlangt die Rückerstattung des Differenzbetrags zum ursprünglichen Kaufpreis.

Das LG Nürnberg-Fürth entschied, dass dem Kläger der geltend gemachte Rückzahlungsanspruch nicht zustehe. Der Beklagten stehe ein Wertersatzanspruch i.H.v. 20 % des Kaufpreises zu, also hier knapp 8.000 €.

Händlerverkaufspreis maßgeblich

Entscheidend sei für die Berechnung des Wertverlustes der Verkehrswert. Im Falle eines KFZ sei der Händlerverkaufspreis zugrunde zu legen.

Die Beklagte hat zu Recht einen Abschlag von 20% des Kaufpreises vorgenommen, da in dieser Höhe ein Wertverlust eingetreten ist.

Bei der Berechnung zugrundezulegen ist dabei nach höchstrichterlicher Rechtsprechung der Händlerverkaufspreis.

Dies folgt bereits aus dem Wortlaut des § 357a Abs. 1 BGB, wonach der Verbraucher Wertersatz für den Wertverlust der Ware zu leisten hat. Der Begriff Wertverlust bedeutet die Verringerung des materiellen Werts einer Sache. Der materielle Wert einer Sache drückt sich in ihrem Verkehrswert aus (Senat BGHZ 227, 253 = NJW 2021, 307 Rn. 41). Der Verkehrswert, für den der objektive Wert der Sache maßgeblich ist (Senatsurteil, Rn. 43), ist der Preis, den ein durchschnittlicher Empfänger auf dem für ihn maßgeblichen Ankaufsmarkt hätte zahlen müssen, um die Ware zu erlangen (BeckOGK/Mörsdorf, 1.6.2022, BGB § 357a Rn. 33; Hampe BKR 2021, 709 (710)). Dieser Preis ist für den Käufer eines Kraftfahrzeugs der Händlerverkaufspreis, weil für ihn der Markt der gewerblichen Kraftfahrzeugverkäufer maßgeblich ist. Hingegen hat für ihn der Händlereinkaufspreis keine Bedeutung, weil dieser den Wert beschreibt, den ein gewerblicher Kraftfahrzeughändler im Durchschnitt bereit ist, für den Ankauf eines vergleichbaren, gebrauchten Fahrzeugs zu bezahlen, und dieser Markt dem Verbraucher verschlossen ist (Hampe BKR 2021, 709 (710)).

Keine Vorgaben zur Berechnung des Wertersatzes

Das Gericht stellte klar, dass das Widerrufsrecht des Verbrauchers auch dann bestehe, wenn er die Ware in einem Umfang nutzt, der für die Prüfung der Beschaffenheit, der Eigenschaften und der Funktionsweise der Ware nicht notwendig ist. In einem solchen Fall bestehe jedoch ein Anspruch auf Wertersatz.

Nach § 357a Abs. 1 Nr. 1 BGB schuldet der Verbraucher Wertersatz für einen Wertverlust der Ware, sofern der Wertverlust auf einen für die Prüfung der Beschaffenheit, der Eigenschaften und der Funktionsweise der Ware nicht notwendigen Umgang mit der Ware zurückzuführen ist. In diesem Fall verliert der Verbraucher das Widerrufsrecht nicht, haftet aber für einen etwaigen Wertverlust der Ware. Damit soll der Wertersatzanspruch den Nachteil ausgleichen, den der Unternehmer dadurch erleidet, dass er die Ware nur zu einem reduzierten materiellen Wert zurückerhält, obwohl dieser Wertverlust auf einen für die Prüfung der Beschaffenheit, der Eigenschaften und der Funktionsweise der Waren nicht notwendigen Umgang mit der Ware zurückzuführen ist. Aufgrund dieses Wertverlusts ist es dem Unternehmer nicht mehr möglich, die Ware zu dem objektiven Wert zu verkaufen, den die Ware hätte, wenn der Verbraucher nur einen für die Prüfung der Beschaffenheit, der Eigenschaften und der Funktionsweise der Ware notwendigen Umgang mit der Sache vorgenommen hätte. Damit ist dem Unternehmer hinsichtlich des Gegenstands aufgrund des Wertverlusts zumindest teilweise die Gewinnmöglichkeit genommen, die ihm nach dem Regelungsziel des § 357 VII BGB aF (nunmehr § 357a Abs. 1 BGB) der Verbraucher zu ersetzen hat.

Ein Abstellen auf den objektiven Wert der Ware ohne Gewinnanteil ist nicht zur effektiven und zweckentsprechenden Gewährleistung des Rechts zum Widerruf geboten (vgl. OLG Stuttgart WM 2022, 771 = BeckRS 2021, 39566 Rn. 51). Denn eine gesetzliche Bestimmung, die den Verbraucher verpflichtet, den Wertverlust auszugleichen, der an der Kaufsache eingetreten ist, beeinträchtigt das Widerrufsrecht des Verbrauchers nicht. Mit § 357 VII BGB aF hat der nationale Gesetzgeber Art. 14 II RL 2011/83/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25.10.2011 über die Rechte der Verbraucher, zur Abänderung RL 93/13/EWG des Rates und RL 1999/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates sowie zur Aufhebung RL 85/577/EWG des Rates und RL 97/7/EG des Europäischen Parlaments und des Rates (ABl. 2011 L 304, 64) umgesetzt. Deren Erwägungsgrund 47 hebt ausdrücklich hervor, dass der Verbraucher zwar sein Widerrufsrecht nicht verlieren soll, wenn er die Ware in einem größeren Maß genutzt hat, als zur Feststellung ihrer Beschaffenheit, ihrer Eigenschaften und ihrer Funktionsweise nötig gewesen wäre, er aber für einen etwaigen Wertverlust der Ware haften soll, ohne dass diese Verpflichtung ihn allerdings davon abhalten soll, sein Widerrufsrecht auszuüben. Nähere Einzelheiten zur Bemessung des Wertverlusts sieht die Richtlinie nicht vor. Dass der Verbraucher von der Ausübung seines Widerrufsrechts abgehalten wird, wenn sich der Wertersatzanspruch im Ausgangspunkt nach dem Händlerverkaufspreis bemisst, ist indes nicht erkennbar und wird auch weder von der Anschlussrevision noch von der Gegenmeinung näher begründet. Gleiches gilt nunmehr auch für § 357a BGB.

Wertersatz i.H.v. 20 % angemessen

Durch die Zulassung des Autos sei ein erheblicher Wertverlust eingetreten, der mit 20 % anzusetzen sei. Ein Wertersatzanspruch bestehe bereits auch bei einem nur unerheblichen Gebrauch der Sache, wenn dieser zur Prüfung nicht erforderlich war.

Durch die Zulassung des KfZ ist ein erheblicher Wertverlust eingetreten, welcher mit 20% anzusetzen ist (BT-Drucksache 14/16040, S. 199). Die Höhe des Wertverlustes ist gemäß § 287 ZPO zu schätzen (vgl. OLG Frankfurt NJW-RR 2021, 49 Rn. 33; BKR 2021, 711 Rn. 65, beck-online).

Ein Wertersatzanspruch besteht auch bei einem nur unerheblichen Gebrauch der Sache, wenn dieser zur Prüfung nicht erforderlich war (Grüneberg BGB, 84. Auflage 2025, § 357a, Rn. 3). Auch die Höhe des Wertverlustes von 20% ist nicht zu beanstanden. Ein solcher ist sowohl in der Literatur als auch in der Rechtsprechung als angemessen angesehen worden. Anhaltspunkte hiervon abzuweichen, hat das Gericht nicht. Aus Sicht des Gerichts ist daher, auch mangels vorgetragener Anhaltspunkte, eine Schätzung durch das Gericht möglich. Ein Sachverständigengutachten war nicht zu erholen. Es erschließt sich dem Gericht nicht, warum ein Elektrofahrzeug einen geringeren Wertverlust durch die Erstzulassung erleiden sollte, als ein Verbrenner. Tragfähige Argumente hat die Klagepartei hierfür nicht vorgetragen. Das Gericht nimmt daher in Übereinstimmung mit der Literatur und Rechtsprechung einen solchen von 20% an.

Zulassung auch im stationären Handel unüblich

Auch im stationären Handel dürfe ein Auto nur über eine kurze Strecke Probe gefahren, jedoch nicht dauerhaft zugelassen werden. Die Beklagte habe dem Kläger die Möglichkeit geboten, ein vergleichbares Fahrzeug Probe zu fahren. Wenn der Verbraucher zur Prüfung Maßnahmen ergreife, die ihm im stationären Handel nicht zur Verfügung stünden, verpflichte den Verbraucher das grundsätzlich zum Wertersatz. Hierzu verwies das Gericht auf die Katalysator-Entscheidung“ des BGH.

Ein Kfz darf, wie im stationären Kfz-Handel üblich, über eine kurze Strecke Probe gefahren werden. Eine den Wert des Kfz erheblich mindernde dauerhafte Zulassung des Kfz hat in diesem Zusammenhang aber zu unterbleiben, weil die Probefahrt alternativ auf Privatgelände oder – naheliegender – unter Verwendung einer vorübergehenden Zulassung gem. § 16 FZV (rotes Kennzeichen) erfolgen kann (BeckOGK/Mörsdorf, 1.8.2024, BGB § 357a Rn. 20, beck-online). Vorliegend hat die Beklagte die Möglichkeit eröffnet, ein ähnliches Fahrzeug Probe zu fahren, wie der Fahrzeugbestellvertrag auf S. 2 (Anlage K1) zeigt.

Wenn der Kunde – wie vorliegend – hingegen zwecks Prüfung der Ware Maßnahmen ergreift, die ihm im stationären Handel nicht zur Verfügung stünden, verpflichtet ihn dies grundsätzlich zum Wertersatz (vgl. BGH, Urt. v. 12.10.2016 – VIII ZR 55/15, Rn. 21 ff. – juris). Dies ist im Fall einer Zulassung des Fahrzeugs zu bejahen, denn in diesem Fall stünde dem Kunden, hier dem Kläger, die Möglichkeit einer Probefahrt, jedoch nicht der Zulassung, zur Verfügung.

Ordnungsgemäße Widerrufsbelehrung

Zudem stellte das Gericht klar, dass der Text der Muster-Widerrufsbelehrung ausreiche, um den Verbraucher ordnungsgemäß darüber zu informieren, dass er im Falle der übermäßigen Nutzung Wertersatz zu leisten habe. Eine weitere Information sei nicht erforderlich.

Die Beklagte hat den Kläger auch gemäß § 357a Abs. 1 Nr. 2 BGB ordnungsgemäß belehrt. Insbesondere ist eine konkrete Belehrung darüber, dass der Pkw durch die Zulassung einen Wertverlust erleidet, nicht erforderlich. Der Verbraucher muss jedoch deutlich und unmissverständlich darüber informiert werden, dass er im Fall des Widerrufs die durch die übermäßige Nutzung entstandene Verschlechterung zu ersetzen hat. Dabei genügt die Verwendung des Textes der Musterwiderrufsbelehrung, damit genügt der Unternehmer den gesetzlichen Anforderungen (Grüneberg, BGB, 84. Auflage 2025, § 357a, Rn. 4).

Die Beklagte hat den Text der Musterwiderrufsbelehrung verwendet, sodass sie ihren gesetzlichen Belehrungspflichten genügt und eine weitere Information nicht erforderlich war. Das Argument der Klagepartei, dass in der Widerrufsbelehrung geschrieben wird, dass bei Widerruf des Vertrags alle Zahlungen, die die Beklagte vom Kläger erhalten hat, einschließlich der Lieferkosten unverzüglich zurückzuzahlen sind, verfängt dabei nicht. Denn die Beklagte hat entsprechend des Textes der Musterwiderrufsbelehrung auf den Wertersatzanspruch hingewiesen.

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Weiterverkauf nicht entscheidend

Der Kläger führte zudem an, dass die Beklagte das Fahrzeug am 1.3.2024 zu einem Kaufpreis von 43.400,00 € über die Internetseite https://t... als Gebrauchtwagen weiterverkauft habe. Er ist der Ansicht, die Beklagte habe daher keinen Schaden durch den Widerruf erlitten. Einen entsprechenden Verkauf habe der Kläger jedoch nicht nachgewiesen. Aber selbst wenn man davon ausginge, dass die Beklagte das Fahrzeug zum genannten Preis weiterveräußert hat, spiele dies für die Wertersatzpflicht des Klägers keine Rolle, so das Gericht. Maßgeblich sei bei der Rückgabe der Händlereinkaufspreis. Dieser Preis stelle zu dem maßgeblichen Zeitpunkt der Rückgabe auch den Wert des Fahrzeugs für den Händler dar.

Auch der vom Kläger angeführte, jedoch nicht nachgewiesene, Weiterverkauf des Fahrzeugs durch die Beklagte für einen Betrag von 43.400,00 € führt zu keiner anderen Beurteilung.

Selbst wenn man davon ausginge, dass die Beklagte das Fahrzeug zum genannten Preis weiterveräußert hat, spielt dies für die Wertersatzpflicht des Klägers keine Rolle.

Denn maßgeblich ist bei der Rückgabe des Fahrzeugs an die Beklagte der Händlereinkaufspreis. Entscheidend ist, dass es sich hierbei um den Preis handelt, zu dem der Verbraucher das Fahrzeug veräußern kann (OLG Schleswig BKR 2021, 708 Rn. 52; Müller-Christmann jurisPR-BKR 6/2022 Anm. 4). Dieser Preis stellt zu dem maßgeblichen Zeitpunkt der Rückgabe auch den Wert des Fahrzeugs für den Händler dar. Demgegenüber beinhaltet der Händlerverkaufspreis neben der Gewinnmarge, die auch die Allgemeinkosten des Händlers und seine Bemühungen um den Weiterverkauf des Fahrzeugs abdeckt (zB Erstellung der Verkaufsanzeigen, Zeitaufwand für Verkaufsgespräche und Probefahrten), auch die Kosten eines gewerblichen Händlers, die er vor einem Weiterverkauf zwecks besserer Verkäuflichkeit aufwendet, wie zB für die Aufbereitung des Fahrzeugs (Hampe BKR 2021, 709 (711)). Zudem ist der Preis bei Verkauf eines Gebrauchtwagens durch einen Händler schon deshalb höher, weil dem Käufer bei Fahrzeugerwerb von einem gewerblichen Händler Gewährleistungsrechte zustehen, die bei einem Kauf von einem Privatverkäufer regelmäßig ausgeschlossen werden (BGH, Urteil vom 25.10.2022 – XI ZR 44/22; NJW 2023, 910 Rn. 79, beck-online).

14.05.25