Bei Bioziden handelt es sich um Produkte, für die neben speziellen Kennzeichnungsvorschriften auch besondere Vorgaben für die Werbung gelten. Eine falsche Kennzeichnung ist häufig ein Grund für Abmahnungen. Das LG Heidelberg (Urt. v. 07.02.2024 – 11 O 18/23 KfH) entschied, dass Warnhinweise bei Biozid-Produkten nicht erst nach der Produktbeschreibung und einem Aufrufen des Links „mehr“ erfolgen dürfen. Zudem finde die PAngV Anwendung, wenn ein Angebot von jedem aufgerufen werden könne.
Die Beklagte betreibt einen Online-Shop, über den sie ihren Abnehmern Produkte aus dem medizinischen Bereich anbietet. Sie bewirbt und vertreibt unter anderem Desinfektions-Vollwaschmittel. Hierzu schaltete sie bei Google eine Werbeanzeige, in der das Produkt für 31,92 € beworben wurde und die auf ihre Webseite weiterleitete. Dort musste man das Produkt in den Warenkorb legen und den Warenkorb anklicken. Danach erfuhr man, dass der tatsächliche Preis 52,08 € betrug und neben angekündigten Versandkosten noch die Mehrwertsteuer und ein Mindermengenzuschlag erhoben wurden. Ganz unten auf der Webseite befand sich folgender Hinweis: "Alle Angebote der Lieferanten gelten ausschließlich für Fachkreise und in praxisüblichen Mengen. Bestellungen von Fachfremden oder Privatpersonen können nicht weitergeleitet werden. Die durchgestrichenen Preise entsprechen dem höchsten Preis des jeweiligen Anbieters bei …. Alle Preise zzgl. gesetz. MwSt. und Versandkosten ggf. abzgl. Individueller Rabatte. Abbildungen können vom Produkt abweichen."
Der entsprechende Biozid-Hinweis war erst nach Anklicken des Links „mehr“ einsehbar.
Die Klägerin ist der Auffassung, dass die Werbung der Beklagten irreführend i.S.d. § 5 Abs. 2 Nr. 2 UWG sei. Der angesprochene Verkehrskreis – zu dem mangels Einschränkung auch Verbraucher zählten – erwarte weder, dass es sich bei den angezeigten Preisen um Nettopreise handele, noch dass Mindermengenzuschläge vorgenommen würden. Zudem sei der für das ausdrücklich als Biozid verkaufte Produkt erforderliche Warnhinweis gem. § 72 Biozid-VO nicht in der dort vorgesehenen Weise angebracht. Sie mahnte die Beklagte daraufhin erfolglos ab.
Das LG Heidelberg entschied, dass der Klägerin die geltend gemachten Unterlassungsansprüche zustehen. Die Beklagte habe es zu unterlassen, Produkte in Werbeanzeigen zu bewerben, ohne dass der angegebene Preis die Mehrwertsteuer enthalte und/oder auf den Mindermengenzuschlag in bestimmter Höhe hingewiesen werde. Zudem dürfe der erforderliche Warnhinweis bei Bioziden nicht erst nach der Produktbeschreibung und nach Anklicken des Links „mehr“ erfolgen.
Es handle sich bei der allgemeinen Werbung mit Nettopreisen zwar nicht um eine unwahre, aber dennoch um eine sonstige zur Täuschung geeignete Angabe über den Preis des Produktes.
Entscheidend sei das Verständnis der mit der Werbung angesprochenen Verkehrskreise. Das Gericht gelangt aufgrund des äußeren Erscheinungsbilds der Werbung zu der Annahme, dass diese an alle Marktteilnehmer – einschließlich Verbraucher – gerichtet sei.
Gegenüber Verbrauchern sei jedoch gem. § 3 Abs. 1 PAngV in einer Werbung die Angabe des Gesamtpreises erforderlich. Daher werde auch bei einer an alle Marktteilnehmer gerichteten Werbung von den Adressaten, auch den Gewerbetreibenden, damit gerechnet , dass der genannte Preis den Gesamtpreis darstelle, d.h. den Preis inklusive Umsatzsteuer.
Die Klägerin hat gemäß §§ 8 Abs. 1, 3 Abs. 1, 5 Abs. 1 Abs. 2 Nr. 2 UWG gegen die Beklagte einen Anspruch auf Unterlassung der Produktwerbung in Werbeanzeigen, ohne dass der angegebene Preis die Mehrwertsteuer enthält und/oder auf den Mindermengenzuschlag in bestimmter Höhe hingewiesen wird.
Die allgemeine Werbung mit dem Nettopreis ist zwar keine unwahre, aber eine sonstige zur Täuschung geeignete Angabe über den Preis des Produkts. Entscheidend ist, wie die Verkehrskreise, an die die Werbung gerichtet ist, diese verstehen. Die Werbung ist nach ihrem äußeren Erscheinungsbild an alle Marktteilnehmer, also auch Verbraucher gerichtet. Auch Verbraucher können bei Hygienebedarf im Haushalt Interesse an einem Desinfektionswaschmittel haben. Da gegenüber Verbrauchern aber gemäß § 3 Abs. 1 PAngV in einer Werbung der Gesamtpreis eines Produkts angegeben werden muss, rechnet in einer an alle Marktteilnehmer gerichteten Werbung jeder Angesprochene, auch ein Gewerbetreibender, damit, dass der genannte Preis der Gesamtpreis, also der Preis inklusive Umsatzsteuer ist.
Die allgemeine Werbung mit einem Preis sei zur Täuschung geeignet, wenn nicht darauf hingewiesen werde, dass unter bestimmten Umständen ein Mindermengenzuschlag erhoben werde. Der durchschnittliche Produktinteressent gehe davon aus, dass er die angebotene Menge eines Produkts auch zu dem angegebenen Preis erhalten werde, so das Gericht.
Die allgemeine Werbung mit einem Preis für ein Produkt in einer bestimmten Menge, hier 6 kg Waschmittel für 31,92 €, ist zur Täuschung geeignet, wenn nicht darauf hingewiesen wird, dass unter bestimmten Umständen ein Mindermengenzuschlag erhoben wird. Denn der durchschnittliche Produktinteressent geht davon aus, dass er die angebotene Menge auch zu dem angegebenen Preis erhalten wird.
Das LG sieht die Irreführung auch als geeignet an, einen Marktteilnehmer zu einer geschäftlichen Handlung – konkret zu einer Bestellung – zu veranlassen, die er ansonsten nicht getroffen hätte.
Die Irreführungen sind auch geeignet, einen Marktteilnehmer zu einer geschäftlichen Handlung, nämlich einer Bestellung, zu veranlassen, die er ansonsten nicht getroffen hätte. Denn es besteht die Gefahr, dass bei der tatsächlichen Bestellung übersehen wird, dass der tatsächliche Preis von dem angegebenen Preis abweicht.
Darüber hinaus habe die Klägerin auch gem. §§ 8 Abs. 1, 3 Abs. 1, 3a UWG i.V.m. § 72 Abs. 1 Biozid-VO gegen die Beklagte einen Anspruch auf Unterlassung für Biozid-Produkte, wenn dabei der erforderliche Warnhinweis erst nach der Produktbeschreibung nach Anklicken des Links „mehr“ erfolge.
Bei Art. 72 Abs. 1 Biozid-VO handle es sich um eine Marktverhaltensvorschrift, gegen die die Beklagte verstoßen habe. Gem. Art. 72 Abs. 1 S. 2 Biozid-VO müsse sich der Hinweis „Biozidprodukte vorsichtig verwenden. Vor Gebrauch stets Etikett und Produktinformation lesen“ von der eigentlichen Werbung deutlich abheben und gut lesbar sein. Ein „deutliches Abheben“ sei jedoch nicht anzunehmen, wenn der genannte Hinweis erst durch Anklicken eines Links aufgefunden werden könne. Daraus, dass sich der Hinweis von der Werbung abheben müsse, ergebe sich nach Auffassung des Gerichts, dass er sich bei der eigentlichen Werbung befinden müsse.
Der Verstoß gegen Art. 72 Abs. 1 Biozid-VO sei auch geeignet, die Interessen von Verbrauchern, sonstigen Marktteilnehmern oder Mitbewerbern spürbar zu beeinträchtigen.
Art. 72 Abs. 1 Biozid-VO ist eine Marktverhaltensvorschrift (vgl. KG, Urteil vom 22.11.2016 – 5 U 89/15 – BeckRS 2016, 113554 Tz. 43).
Die Beklagte hat gegen diese Marktverhaltensvorschrift verstoßen. Nach Art. 72 Abs. 1 Satz 2 Biozid-VO muss sich der Hinweis „Biozidprodukte vorsichtig verwenden. Vor Gebrauch stets Etikett und Produktinformation lesen“ von der eigentlichen Werbung deutlich abheben und gut lesbar sein. Das Erfordernis des „deutlich Abheben“ ist nicht erfüllt, wenn der Hinweis erst durch Anklicken eines Links aufgefunden werden kann. Denn daraus, dass sich der Hinweis von der Werbung abheben muss, ergibt sich, dass er sich bei der eigentlichen Werbung befinden muss. Sinn und Zweck ist es, den Leser schon bei der Wahrnehmung der eigentlichen Werbung darauf aufmerksam zu machen, dass das Produkt vorsichtig zu verwenden ist und vor dem Gebrauch Etikett und Produktinformation gelesen werden sollten. Dadurch soll verhindert werden, dass sich der Leser bei einer Kaufentscheidung der Gefahren des Produkts nicht bewusst ist. Dieser Zweck wird nicht erreicht, wenn erst nach Anklicken eines Links im Bereich der Werbung der Hinweis erscheint. Denn nicht jeder durch die Werbung Angesprochene wird sich veranlasst sehen, diesen Link überhaupt anzuklicken.
Ein Verstoß gegen Art. 72 Abs. 1 Biozid-VO ist regelmäßig – und so auch hier – auch geeignet, die Interessen von Verbrauchern, sonstigen Marktteilnehmern oder Mitbewerbern spürbar zu beeinträchtigen. Denn es handelt sich um eine unionsrechtliche Informationspflicht. Wird sie missachtet, wird dem Verbraucher eine Information vorenthalten, die der Unionsgesetzgeber als wesentlich erachtet, was eine Spürbarkeit der Beeinträchtigung ohne weiteres nach sich zieht. Außerdem ist bei einem Verstoß gegen Bestimmungen, die – wie hier Art. 72 Abs. 1 Biozid-VO – dem Schutz der Gesundheit der Verbraucher dienen, grundsätzlich – und so auch hier – von einer spürbaren Beeinträchtigung i.S. besagter Regelungen auszugehen (KG, aaO, Tz. 45) (Rn. 23)
Fehlerhafte Preisauszeichnungen sind häufig ein Grund für Abmahnungen. Zuletzt entschied ebenfalls das LG Darmstadt, dass die PAngV Anwendung findet, wenn der Verkäufer zwar nur an Unternehmer verkaufen will, das Angebot jedoch von jedem abgerufen werden kann. Zudem müssen Sie beim Vertrieb von Biozidprodukten sollten unbedingt auf auf eine richtige Platzierung der erforderlichen Pflichtangaben und Warnhinweisen in Ihrem Online-Shops achten.
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