LG Flensburg: Kein verlängertes Widerrufsrecht wegen fehlender Telefonnummer in Belehrung

Seit 2014 kann der Verbraucher den Widerruf auch telefonisch erklären. Sowohl der EuGH als auch der BGH haben bereits entschieden, dass eine Pflicht zur Angabe der Telefonnummer in der Widerrufsbelehrung besteht, wenn eine Telefonnummer auf der Website angegeben wird. Das LG Flensburg (Urt. v. 12.7.2024 – 3 O 65/24) entschied nun, dass dies nur bei Verwendung der Muster-Widerrufsbelehrung gelte. Es bestehe keine generelle Pflicht zur Angabe. Die Widerrufsfrist verlängere sich nicht, wenn die Telefonnummer in der Widerrufsbelehrung nicht angegeben wird. Etwas anderes ergebe sich auch nicht daraus, dass die Muster-Widerrufsbelehrung diese Angabe fordert.

Die Beklagte vertreibt Elektrofahrzeuge über das Internet. Am 15.2.2022 führte der Kläger eine Probefahrt mit einem Tesla Model 3 Performance durch. Am 18.3.2022 bestellte er online bei der Beklagten einen Tesla „Model 3 2022“ zu einem Kaufpreis in Höhe von 46.370,00 € brutto. Das Fahrzeug wurde ihm am 5.11.2022 übergeben. Die Beklagte hat ihm mit dem Kaufvertrag vom 26.4.2022 eine Widerrufsbelehrung in Textform übermittelt. Die Widerrufsbelehrung lautet auszugsweise wie folgt: „Um Ihr Widerrufsrecht auszuüben, müssen Sie uns (Tesla Germany GmbH, Ludwig-Prandtl-Straße 27 - 29, 12526 X., germany_sales@tesla.com) mittels einer eindeutigen Erklärung (z.B. ein mit der Post versandter Brief, Telefax oder E-Mail) über Ihren Entschluss, diesen Vertrag zu widerrufen, informieren. Sie können dafür das beigefügte Muster-Widerrufsformular verwenden, das jedoch nicht vorgeschrieben ist.“ Eine Telefonnummer wurde von der Beklagten in der Widerrufsbelehrung nicht angegeben.

Der Kläger erklärte am 8.8.2023 den Widerruf und forderte die Rückabwicklung des Kaufvertrages. Mit Schreiben vom 10.8.2023 wies die Beklagte den Widerruf des Klägers zurück.

Der Kläger ist der Auffassung, dass die Widerrufsbelehrung der Beklagten nicht ordnungsgemäß war und daher die Widerrufsfrist zum Zeitpunkt der Widerrufserklärung noch nicht abgelaufen war.

Das LG Flensburg entschied, dass der Kläger keinen Anspruch auf Rückabwicklung des Vertrags habe. Die Widerrufsfrist habe sich vorliegend nicht verlängert und sei verstrichen. Die Widerrufsfrist verlängere sich nicht, wenn in der Widerrufsbelehrung keine Telefonnummer angegeben wird. Art. 246a § 1 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 EGBGB erfordere nicht die Angabe einer Telefonnummer. Etwas anderes ergebe sich auch nicht daraus, dass die Muster-Widerrufsbelehrung diese Angabe fordere. Entsprechend entschied zuletzt bereits das LG Arnsberg.

Fernabsatzvertrag trotz Probefahrt

Die Beklagte versuchte sich zunächst damit zu verteidigen, dass dem Kläger schon kein Widerrufsrecht zustehe, da es sich nicht um einen Fernabsatzvertrag handle. Wegen der Probefahrt liege kein ausschließlich über Fernabsatz geschlossener Kaufvertrag vor. Dieser Einschätzung widersprach das Gericht jedoch.

Zwar steht dem Kläger ein Widerrufsrecht nach § 355 BGB iVm § 312g Abs. 1 Alt. 2 BGB zu, da der streitgegenständliche Fahrzeugkaufvertrag einen Fernabsatzvertrag iSd § 312c BGB darstellt. Vorliegend kam der Vertrag ausschließlich durch Onlinebestellung auf der Homepage der Beklagten zu Stande. Die Durchführung einer Probefahrt mit einem Tesla-Performance-Modell steht der Annahme eines Fernabsatzgeschäftes nicht entgegen. Eine damit einhergehende Durchbrechung des Informationsungleichgewichts ist nicht ersichtlich.

14-tägige Widerrufsfrist

Vorliegend habe die Widerrufsfrist 14 tage betragen. Diese Frist sei abgelaufen.

Mit der Widerrufserklärung vom 08.08.2023 hat der Kläger jedoch die hier einzuhaltende gesetzliche Widerrufsfrist von 14 Tagen nicht eingehalten. Da er das Fahrzeug am 05.11.2022 erhalten hat, begann die Widerrufsfrist nach §§ 355 Abs. 2, 356 Abs. 2 Nr. 1 a) BGB am 06.11.2022 zu laufen (§ 187 Abs. 1 BGB) und endete nach 14 Tagen (§ 355 Abs. 2 S. 1 BGB), somit am 19.11.2022 (§ 188 Abs. 1 BGB). Der am 08.08.2023 erklärte Widerruf war daher verfristet.

Keine verlängerte Widerrufsfrist – fehlende Telefonnummer unbeachtlich

Nach Ansicht des LG Flensburg bestehe keine Pflicht, die Telefonnummer in der Widerrufsbelehrung anzugeben. Zudem habe die Beklagte nicht Muster-Widerrufsbelehrung verwendet. Dies sei auch nicht verpflichtend. Allerdings komme demjenigen, der die gesetzliche Muster-Widerrufsbelehrung unverändert verwende und richtig ausfülle, die Gesetzlichkeitsfiktion zugute. Die Beklagte habe jedoch in ihrer Belehrung ausreichend über die Bedingungen, die Fristen und das Verfahren für die Ausübung des Widerrufsrechts und das Muster-Widerrufsformular informiert.

Auf eine Gesetzesfiktion der Ordnungsgemäßheit der Widerrufserklärung kann sich die Beklagte zwar nicht berufen, da sie nach eigenem Vortrag gerade eine individualisierte Widerrufserklärung verwendete, jedoch liegt auch kein Verstoß gegen Unterrichtungspflichten nach Art. 246 a § 1 Abs. 2 Nr. 1 EGBGB vor, welche zu einem etwaigen verlängerten Fristenlauf nach § 356 Abs. 3 S.1 BGB führen hätten können. Insbesondere war die Angabe einer Telefonnummer in der Widerrufsbelehrung nicht erforderlich.

Die Widerrufsbelehrung der Beklagten genügt trotz nicht erfolgter Angabe einer Telefonnummer den Anforderungen des Art. 246a § 1 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 EGBGB.

Keine Pflicht zur Angabe der Telefonnummer

Nach Art. 246a § 1 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 EGBGB müsse nicht die Telefonnummer in der Widerrufsbelehrung angegeben werden. Eine entsprechende Informationspflicht hätte der Gesetzgeber nach Ansicht des Gerichts ausdrücklich geregelt. Vorliegend entstehe auch für Verbraucher nicht der Eindruck, die von der Beklagten verwendeten Telefonnummer könne nicht für einen Widerruf genutzt werden.

Der Wortlaut der hier maßgeblichen Vorschriften, § 356 Abs. 3 S. 1 Alt. 1 BGB i.V.m Art. 246a § 1 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 EGBGB, enthält keine Regelung, wonach auch die Telefonnummer des Unternehmers in der Widerrufsbelehrung angegeben werden muss. Art. 246a § 1 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 EGBGB verweist nur auf die „Bedingungen, die Fristen und das Verfahren für die Ausübung des Widerrufsrechts nach § 355 Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie das Muster-Widerrufsformular in der Anlage 2“. Aus Art. 246a § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EGBGB a.F. bzw. Nr. 3 nach n.F. (dort wird die Telefonnummer genannt) folgt kein anderes Ergebnis. Denn § 356 Abs. 3 S. 1 BGB verweist explizit nur auf Art. 246a § 1 Abs. 2 S. 1. Nr. 1 EGBGB.

Hätte der Gesetzgeber im Falle des § 356 Abs. 3 S. 1 Alt. 1 BGB iVm Art. 246a § 1 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 EGBGB zwingend gewollt, dass der Unternehmer dem Verbraucher auch eine Telefonnummer nennt, so hätte er dies entsprechend geregelt. So setzt bspw. auch das in § 356e S. 1 BGB iVm Art. 249 § 3 EGBGB geregelte Widerrufsrecht bei Verbraucherbauverträgen eine Belehrung unter expliziter Nennung der Telefonnummer voraus.

Es entsteht nach dem Wortlaut der hier verwendeten für den Verbraucher auch nicht irreführend die Annahme, eine von der Beklagten im Rechtsverkehr verwendete Telefonnummer könne nicht zur Ausübung des Widerrufs genutzt werden.

EuGH- und BGH-Entscheidung ergingen in anderem Zusammenhang

Auch aus bereits ergangenen BGH- und EuGH-Entscheidungen ergebe sich nichts anderes. Hierbei verwies das Gericht zum einen auf eine Entscheidung des EuGH, der eine Pflicht für Unternehmer, stets einen Telefonanschluss einzurichten, verneinte. Zum anderen ergebe sich aus der Eis.de-Entscheidung des EuGH, dass eine Pflicht zur Angabe in der Widerrufsbelehrung bestehe, wenn eine Telefonnummer auf der Website angegeben wird. Dies gelte jedoch nur bei Verwendung der Muster-Widerrufsbelehrung.

Sofern der Kläger meint, dass es Rechtsprechung des BGH sei, dass bei fehlender Telefonnummer in einer Widerrufsbelehrung bei einem Fernabsatzvertrag nach Ablauf der in § 355 Abs. 2 S. 1 BGB geregelten Frist noch ein Widerrufsrecht bestünde, wenn die Telefonnummer auf der Website oder anderen Veröffentlichungen des Unternehmers als für den Kundenverkehr freigegeben angegeben wird, bezogen sich dort entschiedene Rechtsstreitigkeiten auf die Muster-Widerrufsbelehrungsformular in Anlage 1 zu Art. 246a EGBGB. Dies trifft nicht auf den hier zu entscheidenden Rechtsstreit zu.

Sofern der Kläger auch auf die EuGH-Rechtsprechung verweist, gilt nichts anderes. Der EuGH stellte in seiner „Amazon“ Entscheidung vom 10.07.2019 (Az. C-649/17) klar, dass eine unbedingte Verpflichtung des Unternehmers, dem Verbraucher stets eine Telefonnummer zur Verfügung zu stellen, damit die Verbraucher mit dem Unternehmer in Kontakt treten können, unverhältnismäßig erscheint. Weiter führte der EuGH in seiner „EIS-Entscheidung vom 14.05.2020 (Az. C-266/19) aus, dass ein Unternehmer, der die Muster-Widerrufsbelehrung der Anlage 1 zu Art. 246a EGBGB verwendet und nach außen eine Telefonnummer für den Kundenverkehr zur Verfügung stellt, auch eine Telefonnummer in dieser Belehrung – entsprechend den Gestaltungshinweisen der Anlage 1 – angeben muss. Daran zweifelt das Gericht auch nicht. Vorliegend ist jedoch nicht das Muster-Widerrufsbelehrungsformular verwendet worden, weshalb sich eine Übertragung der Grundsätze verbietet.

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22.10.24