Update 2.2.2024: Auf die Beschwerde des IDO e.V. hin hat der BGH (Beschl. v. 21.12.2023 – I ZB 42/23) den Beschluss des OLG Hamm aufgehoben und zur erneuten Entscheidung zurückverwiesen. Der BGH entschied, dass die Antragsbefugnis des Gläubigers im Ordnungsmittelverfahren aus § 750 Abs. 1 S. 1 ZPO folge und nicht aus § 8 Abs. 3 UWG.
Seit dem 1.12.2022 dürfen Wirtschaftsverbände nur noch abmahnen, wenn sie auf der Liste der sog. qualifizierten Wirtschaftsverbände beim Bundesamt für Justiz eingetragen sind. Der IDO hat es bisher nicht auf diese Liste geschafft. Nachdem das OLG Hamm (Beschl. v. 15.5.2023 – 4 W 32/22) einen Ordnungsgeldantrag des IDO wegen mangelnder Antragsbefugnis zurückwies, hat der BGH (Beschl. v. 21.12.2023 – I ZB 42/23) diesen Beschluss des OLG Hamm aufgehoben und zur erneuten Entscheidung zurückverwiesen. Der BGH entschied anders als das OLG Hamm, dass die Antragsbefugnis des Gläubigers im Ordnungsmittelverfahren aus § 750 Abs. 1 S. 1 ZPO folge und nicht aus § 8 Abs. 3 UWG.
Auf Antrag des IDO hatte das LG Essen 2018 eine einstweilige Verfügung gegen die Schuldnerin erlassen, mit der ihr untersagt wurde, mit einer „Garantie“ zu werben, ohne gleichzeitig nähere Angaben zum Inhalt und zur Ausgestaltung dieser Garantie zu machen. Die Schuldnerin hatte zu dieser einstweiligen Verfügung eine Abschlusserklärung abgegeben. Am 11.11.2021 beantragte der IDO beim LG Essen die Festsetzung von Ordnungsmitteln gegen die Schuldnerin, da sie dem Unterlassungsgebot zuwidergehandelt habe. Das LG Essen wies den Ordnungsmittelantrag mit der Begründung zurück, dass dem IDO als Gläubiger die erforderliche Prozessführungsbefugnis fehle. Gegen diesen Beschluss wendet sich der IDO mit seiner sofortigen Beschwerde und verfolgt seinen Antrag auf Festsetzung von Ordnungsmitteln weiter. Das OLG Hamm entschied nun, dass das LG Essen den Antrag auf Festsetzung von Ordnungsmitteln zu Recht zurückgewiesen habe.
Zunächst stellte das OLG Hamm fest, dass dem IDO die erforderliche Antragsbefugnis fehle. Er sei nach § 8 Abs. 1 UWG weder in die Liste qualifizierter Wirtschaftsverbände noch in die Liste qualifizierter Einrichtungen nach dem UKlaG eingetragen. Diese Prozessführungsbefugnis müsse jedoch auch noch bei der späteren Durchsetzung vorliegen.
Dem Gläubiger fehlt die erforderliche Antragsbefugnis.
Die Regelungen in § 8 Abs. 3 Nrn. 2 und 3 UWG über die Befugnis von Wirtschaftsverbänden und qualifizierten Einrichtungen zur Verfolgung von Wettbewerbsverstößen haben nach herrschender Auffassung in Rechtsprechung und Literatur, der auch der erkennende Senat folgt, eine "Doppelnatur": Sie regeln nicht nur die materiellrechtliche Anspruchsberechtigung (Sachbefugnis oder Aktivlegitimation), sondern in verfahrensrechtlicher Hinsicht auch die Prozessführungsbefugnis für die Geltendmachung von lauterkeitsrechtlichen Ansprüchen nach § 8 Abs. 1 UWG (vgl. Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 41. Aufl. [2023], § 8 Rdnr. 3.9 m.w.N.).
Diese Prozessführungsbefugnis muss, soweit es - wie im vorliegenden Falle - um einen lauterkeitsrechtlichen Unterlassungsanspruch nach § 8 Abs. 1 Satz 1 UWG geht, nicht nur im Erkenntnisverfahren vorliegen, sondern auch noch bei der anschließenden Durchsetzung des titulierten Unterlassungsanspruches im Wege der Zwangsvollstreckung zum Zeitpunkt der Entscheidung über einen Antrag auf Festsetzung von Ordnungsmitteln nach § 890 Abs. 1 Satz 1 ZPO gegeben sein […].
Wegen seiner fehlenden Eintragung könne der IDO keine Festsetzung von Ordnungsmitteln beantragen. Ansonsten könnten alle durch die Gesetzesänderung durch das Anti-Abmahn-Gesetz betroffenen Verbände, die nun nicht mehr aktivlegitimiert sind, ein „kaum sinnvolles Rest- und Schattendasein als Verwalter alter Vollstreckungstitel“ führen.
Die Antragsbefugnis für einen Antrag auf Festsetzung von Ordnungsmitteln nach § 890 Abs. 1 Satz 1 ZPO fehlt dem Gläubiger hier spätestens seit dem Inkrafttreten der Neufassung des § 8 Abs. 3 UWG aufgrund des Gesetzes zur Stärkung des fairen Wettbewerbs vom 26.11.2020 am 01.12.2021, weil der Gläubiger bis zum heutigen Tage weder in die Liste der qualifizierten Wirtschaftsverbände nach § 8b UWG noch in die Liste der qualifizierten Einrichtungen nach § 4 UKlaG eingetragen worden ist. Gerade die Neufassung des § 8 Abs. 3 UWG durch das Gesetz zur Stärkung des fairen Wettbewerbs belegt die Richtigkeit der Auffassung, dass die Prozessführungsbefugnis (Antragsbefugnis) von Wirtschaftsverbänden und qualifizierten Einrichtungen auch noch im Ordnungsmittelverfahren fortbestehen muss: Die gegenteilige, im vorliegenden Verfahren vom Gläubiger vertretene Auffassung würde dazu führen, dass bei einer vom Gesetzgeber angeordneten Einschränkung der Prozessführungsbefugnis von Verbänden und Einrichtungen, wie sie das Gesetz zur Stärkung des fairen Wettbewerbs vorgenommen hat, von dieser Gesetzesänderung betroffene, nicht mehr abmahn-, anspruchs- und klageberechtigte Verbände und Einrichtungen noch ein kaum sinnvolles "Rest- und Schattendasein" als "Verwalter" alter Vollstreckungstitel führen könnten. Dies entspricht fraglos nicht der Intention des Gesetzgebers und schon gar nicht dem Gesetzeszweck des Gesetzes zur Stärkung des fairen Wettbewerbs vom 26.11.2020.
Das OLG Hamm entschied, dass sich der IDO auch nicht auf die in § 15a Abs. 1 UWG vorgesehene Übergangsregelung berufen könne. Danach ist eine Eintragung in die beim Bundesamt für Justiz geführte Liste nicht erforderlich für Verfahren, die vor dem 1.9.2021 bereits rechtshängig sind.
Auf die Übergangsregelung in § 15a Abs. 1 UWG kann sich der Gläubiger im vorliegenden Verfahren nicht mit Erfolg berufen.
Unmittelbar gilt diese Vorschrift nur für das Erkenntnisverfahren und nicht für Verfahren im Rahmen der Zwangsvollstreckung. Auch eine etwaige entsprechende Anwendung der Regelung vermag dem Begehren des Gläubigers nicht zum Erfolg zu verhelfen, weil der Ordnungsmittelantrag erst am 11.11.2021 und damit erst nach dem in § 15a Abs. 1 UWG genannten Stichtag gestellt worden ist. Dass es nicht auf die Verhältnisse am Tag der Einleitung des vorangegangenen Erkenntnisverfahrens ankommen kann, ergibt sich aus den Ausführungen des Senats oben unter II.
Es besteht auch kein inhaltlicher Widerspruch zwischen der für das Erkenntnisverfahren geschaffenen Übergangsregelung in § 15a Abs. 1 UWG und der hier vertretenen Auffassung, dass der Titelgläubiger bei der sich an das Erkenntnisverfahren anschließenden Durchsetzung des titulierten Unterlassungsanspruches im Wege der Zwangsvollstreckung zum Zeitpunkt der Entscheidung über einen Antrag auf Festsetzung von Ordnungsmitteln nach § 890 Abs. 1 Satz 1 ZPO nach den zu diesem Zeitpunkt geltenden Vorschriften prozessführungsbefugt (antragsbefugt) sein muss. Denn die Übergangsregelung in § 15a Abs. 1 UWG dient bei sinnvoller und den Gesetzeszweck des Gesetzes zur Stärkung des fairen Wettbewerbs berücksichtigender Auslegung ersichtlich dazu, Verbänden im Sinne des § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG die Gelegenheit zu geben, während der Dauer des Erkenntnisverfahrens alles Erforderliche zu veranlassen, um den neuen gesetzlichen Anforderungen für ihr weiteres Tätigwerden - namentlich der nunmehr erforderlichen Listeneintragung - gerecht zu werden.
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