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OLG Düsseldorf: IDO ist nicht aktivlegitimiert

Update 27.1.2023: Auf die Revision des IDO e.V. hin hat der BGH (Urt. v. 26.1.2023 – I ZR 111/22) inzwischen zugunsten des IDO e.V. entschieden, das Urteil des OLG Düsseldorf aufgehoben und das erstinstanzliche Urteil des LG Krefeld wieder hergestellt.

Seit dem 1.12.2021 dürfen Wirtschaftsverbände nur abmahnen, wenn sie in der Liste der qualifizierten Wirtschaftsverbände beim Bundesamt für Justiz eingetragen sind. Das ist dem IDO bisher noch nicht geglückt. Zur vorherigen Rechtslage hat nun das OLG Düsseldorf (Urt. v. 23.6.2022 – 20 U 325/20) die Aktivlegitimation des IDO verneint.

Die Beklagte wurde 2019 wegen fehlender Grundpreisangaben vom IDO abgemahnt und gab die geforderte strafbewehrte Unterlassungserklärung nicht ab. Das LG Krefeld (Urt. v. 4.11.2020 – 11 O 80/19) hatte sie daraufhin zur Unterlassung verurteilt. Gegen diese Entscheidung wendete sich die Beklagte mit ihrer Berufung. Diese hatte nun vor dem OLG Düsseldorf vollumfänglich Erfolg.

Das Gericht entschied, dass der IDO nicht aktivlegitimiert sei, da er einen Großteil seiner Mitglieder von der Willensbildung ausschließe.

Keine Wahrnehmung der Mitgliederinteressen

Zunächst stellte das Gericht fest, dass die Beklagte tatsächlich gegen die Preisangabenverordnung verstoßen habe, indem sie auf der Internetseite einer Suchmaschine Produkte in Fertigpackungen angeboten hat, ohne neben dem Gesamtpreis auch den Grundpreis anzugeben. Der IDO sei allerdings nicht prozessführungsbefugt. Gem. § 15a Abs. 1 UWG findet auf das vorliegende Verfahren noch die vorherige Rechtslage Anwendung. Nach § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG aF war für die Klagebefugnis eines Interessenverbands u.a. erforderlich, dass es ihm bei der Rechtsverfolgung um eine ernsthafte kollektive Wahrnehmung der Mitgliederinteressen geht. Diese Voraussetzung sieht das OLG Düsseldorf nicht erfüllt. Wie bereits andere Gerichte zuvor störte sich das OLG Düsseldorf an der Unterscheidung zwischen aktiven und passiven Mitgliedern.

Im Hinblick auf die Mitgliederstruktur des Klägers kann indes nicht angenommen werden, dass er imstande ist, die Mitgliederinteressen tatsächlich wahrzunehmen. So kommt es zwar nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs für die Klagebefugnis eines Verbands grundsätzlich nicht darauf an, über welche mitgliedschaftlichen Rechte dessen – mittelbare oder unmittelbare – Mitglieder verfügen, ob sie also stimmberechtigt sind oder nicht (BGH, GRUR 2007, 610 Rn. 21 – Sammelmitgliedschaft V; BGH, GRUR 2006, 873 Rn. 20 – Brillenwerbung). Etwas anderes soll nach Auffassung des Bundesgerichtshofes aber gelten, wenn Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Mitgliedschaft in der Organisation dazu dienen sollte, künstlich die Voraussetzungen für die Verbandsklagebefugnis zu schaffen (BGH, a.a.O.). Dies ist für den Streitfall zu bejahen.

Unterscheidung zwischen aktiven und passiven Mitgliedern

Es sei zwar nicht pauschal bedenklich, wenn ein Verein sowohl über aktive als auch passive Mitglieder verfügt, allerdings nehme der IDO seine Mitglieder, deren Interessen er fördern will, grundsätzlich nur als passive Mitglieder auf. Eine aktive Mitgliedschaft sei mit einem weit höheren Beitrag verbunden.

Bedenkt man, dass die Klagebefugnis und Anspruchsberechtigung der Verbände ihre Legitimation auch aus ihrer Funktion der kollektiven Wahrnehmung von Mitgliederinteressen (BGH, GRUR 1995, 604 – Vergoldete Visitenkarten; BGH, GRUR 1997, 933 -EP; Senat, GRUR 2003, 131) erhält, dann muss nach Auffassung des Senats ein Verband seiner Struktur nach auch eine Meinungsbildung seiner – seinem Zweck nach – schützenswerten Mitglieder (hier O.-U. und O.-F.) zulassen. So mag es im Grundsatz völlig unbedenklich sein, dass ein Verein sowohl über aktive als auch über passive Mitglieder verfügt, entsprechend die Satzung des Klägers in der Vergangenheit auch nicht beanstandet wurde. Gerade die Mitglieder, deren Interessen der Kläger nach § 2 seiner Satzung fördern will, nimmt er aber grundsätzlich nur als passive Mitglieder auf; um eine aktive Mitgliedschaft muss sich ein Mitglied, so der Vortrag des Klägers, vielmehr bewerben und dies ist auch mit einem weit höheren Mitgliedsbeitrag verbunden. So beliefen sich laut eigenem Vortrag des Klägers beispielsweise im Jahr 2020 die Mitgliedsbeiträge der insgesamt 51 aktiven Mitglieder auf 401.000 €. Soweit der Kläger im Termin zur mündlichen Verhandlung ausgeführt hat, der Mitgliedsbeitrag könne reduziert werden, wenn sich ein Mitglied entsprechend umfangreich im Verein engagiere, bleibt unklar, ob es sich insoweit überhaupt um eine ernsthaft in Betracht kommende Option handelt, ob dies also tatsächlich und konkret geregelt ist oder ob darüber nur im Einzelfall entschieden wird.

Die passiven Mitglieder haben dann gemäß § 3 Abs. 4 in Verbindung mit § 9 Abs. 1 der Satzung kein Stimmrecht und können, wie aus § 3 Abs. 3 der Satzung folgt, nicht in Vereinsorgane gewählt werden. So sind denn auch nach dem Vortrag des Klägers von den derzeit etwa 2.750 Mitgliedern ausweislich der als Anlage BB 16 vorgelegten Liste nur 43 aktive Mitglieder. Von diesen wiederum sind aber allein 13 Rechtsanwälte. Bei den weiteren Mitgliedern handelt es sich auch nicht etwa um große Verbände, die ihrerseits über eine Vielzahl von Mitgliedern verfügen, sondern jeweils um einzelne Händler aus den unterschiedlichsten Bereichen (Spielwaren, KFZ-Zubehör, Handel mit Obst und Trockenfrüchten, Textilien, Nahrungsergänzungsmittel, Veranstaltungstechnik, Camping und Outdoor, Antiquitäten etc.). Lediglich zwei Verbände zählen zu den aktiven Mitgliedern, wobei es sich bei dem einen Verband um den …, bei dem anderen um den J. handelt. Letzterer zählt – wie die Rechtsanwälte auch – aber nicht einmal zu den „klassischen“ O.-U. und O.-F., deren Interessenwahrnehmung sich der Kläger aber zum Ziel gesetzt hat.

Meinungsbildung nicht im Vordergrund

Der IDO hatte vorgetragen, dass diese Mitgliederstruktur ausdrücklich beabsichtigt sei, da die Vereinsziele bei der Anzahl der Mitglieder „nicht mit kostspieligen Versammlungen und endlosen Debatten mit juristischen Laien“ zu erreichen seien. Den Mitgliedern des IDO komme regelmäßig die bloße Stellung eines Vertragspartners eines Rahmen-Rechtsberatungsvertrages zu, der Informations- und Beratungstätigkeiten zu Fragen des lauteren Wettbewerbs in Anspruch nehmen kann. Dies könne allerdings nicht die Annahme einer Prozessführungsbefugnis des Klägers rechtfertigen.

Soweit der Kläger vorträgt, diese Struktur sei gewollt, weil seine Vereinsziele bei der Vielzahl der Mitglieder nicht mit kostspieligen Versammlungen und endlosen Debatten mit juristischen Laien zu erreichen seien, zeigt dies, dass es dem Kläger nicht um die Meinungsbildung aus der Mitgliederversammlung als Willensbildungsorgan eines Vereins heraus geht. Der Kläger bringt die Stellung der passiven Mitglieder in seiner Satzung (§ 3 Abs. 4) vielmehr selbst auf den Punkt: „Passive Mitglieder … müssen im Verein nicht aktiv mitwirken, haben aber im Übrigen das Recht, die Leistungen des Vereins wie aktive Mitglieder zu beanspruchen.“ Damit kommt seinen Mitgliedern regelmäßig die bloße Stellung eines Vertragspartners eines Rahmen-Rechtsberatungsvertrages zu, der Informations- und Beratungstätigkeiten zu Fragen des lauteren Wettbewerbs in Anspruch nehmen kann. Dies rechtfertigt aber nicht die Annahme einer Prozessführungsbefugnis des Klägers.

Passive Mitglieder von der Willensbildung ausgeschlossen

Die Verteidigung des IDO, passive Mitglieder würden nicht komplett von Willensbildung ausgeschlossen, überzeugte das Gericht nicht.

Soweit der Kläger weiter vorträgt, die passiven Mitglieder seien bei der Willensbildung nicht komplett außen vor, hätten vielmehr anderweitige Möglichkeiten, das Vereinsgeschehen zu beeinflussen und nähmen diese auch wahr, vermag dies keine relevante Teilhabe an der Gestaltung der Willensbildung des Klägers darzustellen. So ist auch für einen Rahmenvertrag typisch, dass sich der die Dienstleistung in Anspruch nehmende Vertragspartner mit Fragen, aber auch Hinweisen und Anregungen an den Dienstleister wendet. Passive Mitglieder mögen weiter auch gemäß § 10 Abs. 1 der Satzung Vorschläge zur Einrichtung und Besetzung von Ausschüssen machen können. Über das Ob, den Inhalt und die Besetzung von Ausschüssen entscheidet wiederum aber allein der Vorstand. Auch mag den passiven Mitgliedern nach § 37 BGB das Recht zur Mitwirkung an der Einberufung und Teilnahme an der Mitgliederversammlung zustehen. Ein Recht, in dieser auch abzustimmen, haben sie aber nicht, so dass sie auch auf diese Weise nicht auf das Verhalten und die Geschicke des Klägers in relevanter Weise Einfluss nehmen können.

Auch der pauschale Hinweis des Klägers, die passiven Mitglieder wollten gar nicht die Stellung eines aktiven Mitgliedes einnehmen, nur ein einziger bzw. wenige Änderungswünsche seien in der Vergangenheit geäußert, dann aber fallengelassen worden, greift nicht. Angesichts des nach Angabe des Klägers mit einer aktiven Mitgliedschaft verbundenen höheren Mitgliedsbeitrages bzw. der damit verbundenen Erwartung nach mehr Mitarbeit bestehen erhebliche Zweifel daran, dass die passiven Mitglieder überhaupt eine ernsthafte Option hierauf haben.

Das Urteil ist nicht rechtskräftig, der IDO hat Revision gegen die Entscheidung eingelegt (BGH, I ZR 111/22).

Fazit

Nach § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG aF war für die Klagebefugnis eines Interessenverbands u.a. erforderlich, dass es ihm bei der Rechtsverfolgung um eine ernsthafte Wahrnehmung der Mitgliederinteressen geht. Diese Voraussetzung sieht das OLG Düsseldorf beim IDO nicht erfüllt. Entsprechend entschieden auch das LG Potsdam und LG Hildesheim. Das LG Darmstadt und das OLG Celle äußerten sich ebenfalls zu der Unterscheidung zwischen aktiven und passiven Mitgliedern.

Nach dem Anti-Abmahngesetz müssen Abmahnvereine seit dem 1.12.2021 auf der Liste der sogenannten qualifizierten Wirtschaftsverbände eingetragen sein. Die genauen Voraussetzungen für die Eintragung regelt die Verordnung zu qualifizierten Einrichtungen und qualifizierten Wirtschaftsverbänden – der IDO hat es bislang nicht darauf geschafft.

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