Durch das „Gesetz zur Stärkung des fairen Wettbewerbes“ wurde das Wettbewerbsrecht (UWG) im Dezember 2020 erheblich verändert. Dieses Anti-Abmahngesetz soll unter anderem missbräuchlichen Massenabmahnungen vorbeugen, bei denen es nicht um Wettbewerbsverstöße an sich, sondern in erster Linie um Gebühren und Vertragsstrafen geht.
Seit Dezember 2020 gibt es in § 13 Abs. 2 UWG einige Formvorschriften über verpflichtende Inhalte, die in einer Abmahnung klar und verständlich angegeben werden müssen. Fehlt es an diesen Informationen in der Abmahnung, hat dies weitreichende Folgen:
Zum einen hat der Abmahner keinen Anspruch auf Erstattung der Abmahnkosten. Dies ist unabhängig davon, ob die Abmahnung berechtigt ist oder nicht. Nicht nur dies: Der Abgemahnte wiederum hat gemäß § 13 Abs. 5 UWG einen Anspruch auf Ersatz der für seine Rechtsverteidigung erforderlichen Aufwendungen. Mit anderen Worten kann in diesem Fall der Abgemahnte seine Anwaltskosten gegenüber dem Abmahner vollumfänglich geltend machen.
Man sollte meinen, dass diese Rechtsänderung durch abmahnende Rechtsanwälte auch berücksichtigt wird. Meine Beratungspraxis zeigt jedoch, dass dies zum Teil nicht der Fall ist. Einige Rechtsanwälte verwenden bei einer Abmahnung denselben Textbaustein, wie schon seit Jahren bis hin zur Angabe von UWG-Normen, die sich seit Dezember 2020 geändert haben.
Mittlerweile gibt es erste gerichtliche Entscheidungen wie die neuen formellen Vorgaben aus dem UWG zu interpretieren sind und wie diese in der Praxis konkret umzusetzen sind.
In § 13 Abs. 2 Nr. 3 UWG heißt es, dass in der Abmahnung klar und verständlich angegeben werden muss, ob und in welcher Höhe ein Aufwendungsersatz geltend gemacht wird und wie sich dieser berechnet. Vor der Rechtsänderung war es so, dass in der Abmahnung selbst die Abmahnkosten nicht zwingend beziffert werden mussten. Dies wiederum hatte zur Folge, dass Abgemahnte den Eindruck hatten, es würde „nur“ um eine Unterlassungserklärung gehen und es würden keine Kosten mehr geltend gemacht werden.
Notwendig sind daher verschiedene Informationen: Es muss zum einen klargestellt werden, ob überhaupt Abmahnkosten geltend gemacht werden, in welcher konkreten Höhe und wie sich diese genau berechnen. In einer Abmahnung eines Rechtsanwaltes ist zum Teil immer noch eine Information über den angenommenen Streitwert und den sich daraus ergebenden Betrag zu finden. Dies reicht nach einer Entscheidung des Landgerichtes Osnabrück (LG Osnabrück, Urteil vom 14.07.2021, Az.: 18 O 176/21) nicht aus. Unsere Kanzlei hatte in diesem Fall den Beklagten vertreten. In der Abmahnung waren lediglich der Gegenstandswert und die Abmahnkosten beziffert worden. Eine konkrete Berechnung gab es nicht.
Notwendig ist daher bei der Abmahnung eines Wettbewerbers durch einen Rechtsanwalt eine Information nach Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG, konkret der Gegenstandswert, die Geschäftsgebühr, der Gebührenfaktor, die Post- und Telekommunikationspauschale, die Umsatzsteuer und der Endbetrag).
Man sollte jedenfalls annehmen, dass alle aktuellen wettbewerbsrechtlichen Abmahnungen von Rechtsanwälten diese Information enthalten. Dies ist jedoch zum Teil immer noch nicht der Fall.
Zu den weiteren Formalien einer Abmahnung gehört gemäß § 13 Abs. 2 UWG eine klare und verständliche Information über die Voraussetzung der Anspruchsberechtigung nach § 8 Abs. 3 UWG.
In der Praxis bedeutet dies Folgendes: Abmahnen darf ein Mitbewerber, der Waren oder Dienstleistungen in nicht unerheblichem Maße und nicht nur gelegentlich vertreibt oder nachfragt. Durch diese Regelung soll vermieden werden, dass Kleinunternehmer oder vorgeschobene Internetanbieter umfangreich abmahnen, in erster Linie um Gebühren geltend zu machen. Ein Hinweis in der Abmahnung, die Parteien stünden in dem Bereich des Vertriebs von bestimmten Produkten in einem Wettbewerbsverhältnis, reicht jedoch nicht, wie ein aktueller Hinweis in einem gerichtlichen Verfahren zeigt, bei dem wir ebenfalls den Beklagten vertreten:
Ein Landgericht hat im Rahmen eines Hinweises dazu aktuell Folgendes ausgeführt:
Diese Anforderungen (gemeint ist das Wettbewerbsverhältnis) sind unverlangt in der Abmahnung darzulegen, etwa durch die Größenkategorien der Zahl der Verkäufe – konkrete Umsatzzahlen oder eine Steuerberaterbescheinigung müssen nicht vorgelegt werden, und diesbezügliche Aussagen müssen hinreichend aussagekräftig sein… Auch der von der Klägerin zitierte Möller ist der Auffassung, dass in der Abmahnung hinsichtlich der Anspruchsberechtigung dargelegt werden müsse, dass der Abmahnende Waren bzw. Dienstleistungen in nicht unerheblichem Maße und nicht nur gelegentlich vertreibt, und zwar auch dann, wenn es sich um allgemein bekannte Marktakteure handelt oder – wie hier – sich die Parteien etwa aus vorhergehenden wettbewerbsrechtlichen Auseinandersetzungen bereits kennen.
In diesem Fall gab es in der Abmahnung lediglich die Aussage, die Parteien stünden im Bereich des Vertriebs von bestimmten Produkten im Wettbewerb. Diese Angabe reicht keinesfalls aus. Auch wichtig: Zum Teil gibt es seit längerem wettbewerbsrechtliche Auseinandersetzungen zwischen zwei Wettbewerbern. Auch in diesem Fall, so das Gericht, muss über das Wettbewerbsverhältnis nach neuer Rechtslage in einer neuen Abmahnung informiert werden.
Es geht an dieser Stelle im Übrigen ausschließlich um die Frage, ob die Abmahnkosten zu erstatten sind bzw. die Rechtsverteidigungskosten in maximal gleicher Höhe gegenüber dem Abmahner geltend gemacht werden können.
Die Berechtigung der Abmahnung wird durch die Formvorschriften nicht berührt. Da der Abgemahnte hier viel Geld sparen kann, empfiehlt es sich, sich bei Erhalt einer wettbewerbsrechtlichen Abmahnung fachkundig beraten zu lassen.
Rechtsanwalt Johannes Richard ist Fachanwalt für gewerblichen Rechtsschutz und Partner der Kanzlei Richard & Kempcke. Er betreibt die Internetseite https://www.internetrecht-rostock.de/ und berät seit vielen Jahren Shopbetreiber und Abgemahnte.
r.classen/Shutterstock.com