Ich bin seit über 20 Jahren im gewerblichen Rechtsschutz tätig. Meine Kanzlei berät überwiegend abgemahnte Internethändler. Zum einen herrscht im Internet ein scharfer Wettbewerb, zum anderen lassen sich wettbewerbswidrige Verstöße dort leicht recherchieren. Meine Erfahrung seit vielen Jahren ist, dass der Abgemahnte zuerst auf die Abmahnkosten schaut. Dies ist auch verständlich, da aus den geltend gemachten Abmahnkosten deutlich wird, wie teuer die Abmahnung auf den ersten Blick für den Abgemahnten wird.
Bei einer Abmahnung eines Wettbewerbers, die in der Regel durch einen Rechtsanwalt ausgesprochen wird, können Abmahnkosten nach Streitwert berechnet werden. Je nach Art und Anzahl der Verstöße können Abgemahnte mit Kosten von 600,00 Euro – ca. 2000,00 Euro rechnen.
Ganz anders sehen die Kosten bei sogenannten Abmahnvereinen aus.
Den Begriff „Abmahnverein“ gibt es rechtlich nicht. Rechtlich gesehen handelt es sich um einen rechtsfähigen Verband zur Förderung gewerblicher oder selbstständiger beruflicher Interessen oder um eine qualifizierte Einrichtung, die in die Liste der qualifizierten Einrichtungen nach § 4 des Unterlassungsklagegesetzes eingetragen ist. Da diese Institutionen in der Regel eingetragene Vereine sind (e.V.) hat sich der Begriff „Abmahnverein“ durchgesetzt.
Häufige Abmahner in diesem Bereich sind z.B. der
Es darf jedoch nicht jeder Verein abmahnen – vielmehr muss
Es gibt somit einige formelle Voraussetzungen für die Aktivlegitimation von Abmahnvereinen.
Außer bei Verbraucherschutzvereinen, wie z.B. der Verbraucherzentrale ist es ferner notwendig, dass der Verein Mitglieder aus derselben Branche hat, in der auch der Abgemahnte tätig ist.
Durch das „Gesetz zur Stärkung des fairen Wettbewerbs“ hat sich das Wettbewerbsrecht (UWG) im Dezember 2020 erheblich geändert: Um gerade rechtsmissbräuchliche Massenabmahnungen bei Wettbewerbsverstößen im Internet einzudämmen, dürfen Wettbewerber erstmalige Verstöße im elektronischen Geschäftsverkehr oder in Telemedien gegen gesetzliche Informations- und Kennzeichnungspflichten nicht mehr kostenpflichtig abmahnen. Zudem darf bei einem erstmaligen Verstoß keine Unterlassungserklärung mit einer Vertragsstrafe gefordert werden.
Diese Regelung gilt jedoch nicht für Abmahnvereine: Abmahnvereine dürfen auch weiterhin Verstöße gegen Informationspflichten (fehlerhaftes Impressum, fehlerhafte oder fehlende Widerrufsbelehrung, Verstöße gegen die Preisangabenverordnung, Grundpreisangaben, etc.) kostenpflichtig abmahnen. Ferner dürfen Abmahnvereine eine strafbewehrte Unterlassungserklärung fordern. Durch die Gesetzesänderung wurde die Position von Abmahnvereinen somit erheblich gestärkt. Dies ist besonders tückisch.
Während Wettbewerber, die über einen Rechtsanwalt abmahnen, die Abmahnkosten nach Streitwert und Rechtsanwaltsvergütungsgesetz abrechnen dürfen, dürfen Abmahnvereine nur eine Kostenpauschale geltend machen. Die Kostenpauschale entspricht oder soll zumindest den tatsächlichen Kosten entsprechen, die dem Verein bei Aussprache einer Abmahnung wirklich entstanden sind. Daher betragen die Kosten bei einer derartigen Abmahnung häufig „nur“ zwischen 100,00 Euro – ca. 250,00 Euro. Diese relativ geringen Kosten haben, so unser langjähriger Eindruck, zur Folge, dass die Abgemahnten die Abmahnung häufig nicht richtig ernst nehmen: Häufig wird der geforderte Betrag gezahlt und die der Abmahnung beigefügte Unterlassungserklärung abgegeben.
Übersehen wird jedoch, dass die geforderte und dann häufig auch genauso abgegebene Unterlassungserklärung auch immer eine Vertragsstrafenregelung zugunsten des Abmahnvereins enthält. Dies entspricht auch der gesetzlichen Regelung, dass in diesen Fällen ausschließlich eine strafbewehrte Unterlassungserklärung geeignet ist, die sogenannte Wiederholungsgefahr auszuschließen.
Anders als viele Abgemahnte glauben, ist die Abmahnangelegenheit dann jedoch häufig nicht beendet: Viele Abmahnvereine überprüfen, zum Teil erst Jahre später, abgegebene Unterlassungserklärungen und machen dann gegenüber dem Abgemahnten eine Vertragsstrafe geltend. Hier kann es schnell um mehrere tausend Euro gehen. Das Vorgehen verwundert nicht, von den geringen Abmahnpauschalen wird ein Verein seine laufenden Kosten kaum decken können. Die Überprüfung einer Unterlassungserklärung und die Geltendmachung einer Vertragsstrafe gehören damit häufig zum Geschäftsmodell.
Zudem gibt es Abmahnvereine, wie z.B. den IDO – Interessenverband für das Rechts- und Finanzconsulting deutscher Online-Unternehmen e.V. oder die Deutsche Umwelthilfe (DUH), die regelmäßig gegenüber Abgemahnten Vertragsstrafen geltend machen.
Obwohl die ursprüngliche Abmahnung preiswert war, kann es dann für den Abgemahnten sehr teuer werden. Zudem ist eine Unterlassungserklärung sehr lange wirksam. Aus einer einmal abgegebenen Unterlassungserklärung wieder herauszukommen, ist häufig nicht möglich.
Ich kann daher aus meiner Beratungspraxis nur empfehlen, trotz der eher geringen Abmahnkosten auch eine Abmahnung eines Abmahnvereins sehr ernst zu nehmen. Neben einer Prüfung, ob die Abmahnung tatsächlich berechtigt ist und ob die der Abmahnung häufig beigefügte Unterlassungserklärung nicht zu weitgehend ist, geht es auch immer grundsätzlich um die Frage, ob eine strafbewehrte Unterlassungserklärung auch eingehalten werden kann.
Wenn, was häufig der Fall ist, dies nicht sicher gewährleistet werden kann, gibt es rechtliche Möglichkeiten, dass finanzielle Risiko zu reduzieren.
Rechtsanwalt Johannes Richard ist Fachanwalt für gewerblichen Rechtsschutz und Partner der Kanzlei Richard & Kempcke. Er betreibt die Seite https://www.internetrecht-rostock.de und berät seit vielen Jahren Shopbetreiber und Abgemahnte.
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