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LG Hamburg: Fliegender Gerichtsstand nach Anti-Abmahngesetz weiter möglich

Update – Gericht vertritt nun andere Auffassung: Die zuständige Kammer des LG Hamburg wies im nachfolgenden Verfügungsverfahren (Beschl. v. 6.10.2021 – 327 O 184/21) darauf hin, dass sie abweichend von der zuvor vertretenen Rechtsauffassung gem. § 14 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 UWG örtlich doch nicht zuständig sein dürfte. Die Einschränkung des Tatortgerichtsstandes gelte für gesetzliche Informations- und Kennzeichnungspflichten. Entsprechend des gesetzgeberischen Willens, welcher in der Begründung des Regierungsentwurfs zum Ausdruck komme, fielen die Vorschriften der PAngV unter diese Informations- und Kennzeichnungspflichten, sodass vorliegend die Einschränkung des fliegenden Gerichtsstands greife. Der Kläger wurde demzufolge gebeten, dem Gericht mitzuteilen, ob ein Antrag auf Verweisung an das örtlich zuständige LG Baden-Baden gestellt werden solle.

Seit dem 2.12.2020 gilt das neue Anti-Abmahngesetz. Danach wird unter anderem nach § 14 Abs. 2 Nr. 1 UWG der fliegende Gerichtsstand bei Verstößen eingeschränkt, die in Telemedien oder im elektronischen Geschäftsverkehr begangen werden. Das LG Hamburg (Beschl. v. 13.9.2021 – 327 O 184/21) entschied nun, dass diese Einschränkung nur bei Verstößen gegen Informations- und Kennzeichnungspflichten gelte und nicht jedes unlautere Handeln im elektronischen Geschäftsverkehr oder in Telemedien erfasst sei.

In dem Verfahren ging es um einen Antrag auf Einstellung der Zwangsvollstreckung aus einem Versäumnisurteil. Der Beklagte hatte die örtliche Unzuständigkeit des Gerichts gerügt. In diesem Rahmen äußerte sich das Gericht zur Einschränkung des fliegenden Gerichtsstands.

Nicht jedes unlautere Verhalten soll erfasst sein

Das Gericht nimmt an, dass nach der neuen Regelung nicht jedes unlautere Handeln im elektronischen Geschäftsverkehr oder in Telemedien und insbesondere Verstöße, die keinen bestimmten Verbreitungsweg voraussetzen, nicht erfasst seien. Das Gericht folgt damit dem LG Düsseldorf und dem LG Frankfurt.

Im Hinblick auf die von dem Beklagten erhobene Rüge der örtlichen Unzuständigkeit des angerufenen Gerichts wird darauf hingewiesen, dass die Kammer sich für örtlich zuständig gemäß § 14 Abs. 2 Satz 2 UWG erachtet, da vorliegend keine Zuwiderhandlungen im elektronischen Geschäftsverkehr oder in Telemedien im Sinne von § 14 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 UWG streitgegenständlich sind. Zwar ist die streitgegenständliche, von dem Kläger als Lauterkeitsrechtsverletzung gerügte Handlung ausschließlich im Internet erfolgt und hat der Beklagte seinen Sitz nicht im Bezirk des angerufenen Landgerichts Hamburg. Unter den von § 14 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 UWG erfassten Zuwiderhandlungen sind nach dem systematischen Zusammenhang und dem Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung allerdings nicht sämtliche online begangenen Rechtsverstöße zu verstehen und insbesondere Verstöße, die tatbestandlich keinen bestimmten Verbreitungsweg voraussetzen und deren Verletzung über eher formale und leicht oder gar automatisiert festzustellende Verstöße hinausgehen, nicht von dem Ausschlusstatbestand des § 14 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 UWG umfasst (vgl. LG Frankfurt a. M. GRUR-RR 2021, 326 ff. [327]; LG Düsseldorf GRUR-RS 2021, 12160, Rn. 13 ff.).

Einschränkung nur bei Verstößen gegen Informations- und Kennzeichnungspflichten

Die Einschränkung des fliegenden Gerichtsstand gelte nur bei Verstößen gegen gesetzliche Informations- und Kennzeichnungspflichten. Eine solche Auslegung entspreche dem Willen des Gesetzgebers , dem Sinn und Zweck der Regelung und folge aus dem systematischen Zusammenhang.

Da die Einschränkung des Gerichtsstands der unerlaubten Handlung in § 14 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 UWG auf einer Linie mit dem Ausschluss des Aufwendungsersatzanspruchs nach § 13 Abs. 4 Nr. 1 UWG und dem Vertragsstrafenausschluss nach § 13a Abs. 2 UWG liegt, muss § 14 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 UWG auch in Übereinstimmung mit § 13 Abs. 4 Nr. 1 UWG in dem Sinne gelesen werden, dass die Einschränkung des Tatortgerichtsstands nur bei Verstößen gegen gesetzliche Informations- und Kennzeichnungspflichten gilt (vgl. Sosnitza GRUR 2021, 671 ff. [678]). Dies entspricht nicht nur dem erklärten Willen des Gesetzgebers, sondern folgt auch aus dem systematischen Zusammenhang mit den §§ 13 Abs. 4 Nr. 1, 13a Abs. 2 UWG und entspricht zudem dem Sinn und Zweck der genannten Regelungen, die Missbrauchsfälle erfassen sollen (vgl. Sosnitza a. a. O.).

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