Viele Internethändler haben in den vergangenen Jahren gegenüber dem IDO - Interessenverband für das Rechts- und Finanzconsulting deutscher Online Unternehmen e. V. nach einer Abmahnung eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgegeben. Häufig handelte es sich um Abmahnthemen, die wirklich gefährlich sind, wie z. B. ein fehlender Grundpreis oder eine Bewerbung mit einer Garantie ohne Erläuterung der Garantiebedingungen. Da es dem IDO, wie einige Gerichte bereits angenommen haben, darum geht, Einnahmen zu generieren, überprüft der IDO abgegebene Unterlassungserklärungen intensiv. Für den Fall, dass ein Verstoß gegen eine abgegebene Unterlassungserklärung festgestellt wird, macht der IDO eine Vertragsstrafe geltend, die er dann häufig auch vor Gericht einklagt. Es geht hier regelmäßig um mehrere Tausend Euro. Zudem ist es zum Teil so, dass der IDO mehrfach Vertragsstrafen geltend macht, wenn er weitere Verstöße feststellt. Für Internethändler, die gegenüber dem IDO eine Unterlassungserklärung abgegeben haben, kann es daher wichtig sein, sich von dieser Unterlassungserklärung wieder zu lösen.
Nachdem bereits das Landgericht Hannover (LG Hannover, Urt. v. 30.3.2021 – 26 O 64/20 [nicht rechtskräftig]) angenommen hatte, dass eine Kündigung einer Unterlassungserklärung gegenüber dem IDO wegen Rechtsmissbrauchs wirksam ist, geht das Landgericht Potsdam in einer aktuellen Entscheidung noch sehr viel weiter.
Das Landgericht Potsdam (LG Potsdam, Urt. v. 18.5.2021 – 52 O 62/20 [nicht rechtskräftig]) nimmt an, dass eine Unterlassungserklärung gegenüber dem IDO wegen arglistiger Täuschung angefochten und zudem wegen Rechtsmissbrauchs gekündigt werden kann. Unsere Partnerkanzlei Internetrecht-Rostock.de hatte in diesem Verfahren den Beklagten vertreten.
Der Beklagte hatte 2019 gegenüber dem IDO eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgegeben, in der es um die fehlende Darstellung von Grundpreisen beim Angebot von Lebensmitteln ging. Mitte 2020 machte der IDO wegen eines fehlenden Grundpreises auf der Plattform Amazon eine Vertragsstrafe in Höhe von 3.000,00 Euro geltend.
Nach Ansicht des Landgerichtes Potsdam konnte der Abgemahnte die abgegebene Unterlassungserklärung wirksam nach § 123 Abs. 1 BGB wegen arglistiger Täuschung anfechten. Folge ist, dass die Unterlassungserklärung als von Anfang an nichtig anzusehen ist, und somit auch keine Vertragsstrafe zu zahlen ist.
Das Gericht störte sich insbesondere daran, dass in der Abmahnung durch eine seitenlange Angabe von Gerichtsurteilen, die die Aktivlegitimation des IDO bestätigt hätten, der Eindruck erweckt würde, diese Aktivlegitimation stehe außer Frage und sei unproblematisch gegeben. Aktivlegitimation bedeutet, dass der IDO als Wettbewerbsverband überhaupt berechtigt ist, abmahnen zu dürfen.
Der IDO hatte in dem Verfahren nicht näher dazu vorgetragen, dass ihm eine erhebliche Anzahl von Unternehmen angehören, die Waren oder Dienstleistungen gleicher oder verwandter Art wie der Abgemahnte vertreiben. Da sich nicht feststellen lasse, ob der IDO zum Zeitpunkt der Abmahnung die rechtlichen Voraussetzungen erfüllt hatte, sei davon auszugehen, dass dies nicht der Fall war. Der IDO hätte durch das Erwecken eines gegenteiligen Eindrucks in der Abmahnung den Abgemahnten arglistig getäuscht.
Obwohl das Landgericht Potsdam bereits die Anfechtung wegen arglistiger Täuschung hatte durchgreifen lassen, äußerte es sich auch zur Kündigung der Unterlassungserklärung wegen Rechtsmissbrauch.
Da das Landgericht auch die Abmahnung an sich als rechtsmissbräuchlich ansah, griff auch die Kündigung der Unterlassungserklärung durch. Wie mittlerweile viele Gerichte stört sich das Landgericht daran, dass der IDO typischerweise nur passive Mitglieder aufnimmt, die von der Willensbildung ausgeschlossen sind.
Diese Konstruktion, so das Landgericht Potsdam, bestehe deshalb, um die für die Aktivlegitimation erforderliche Voraussetzung, nämlich die Mitgliedschaft einer erheblichen Zahl von Unternehmen zu erreichen mit dem Ziel, auf diese Weise Einnahmen zu erzielen.
Viele Gerichte nehmen bei Abmahnungen des IDO Rechtsmissbrauch an, das Landgericht Potsdam jetzt sogar eine arglistige Täuschung. Es lohnt sich daher auf jeden Fall, sich gegen eine Vertragsstrafenforderung des IDO zu wehren. Selbst wenn noch keine Vertragsstrafe geltend gemacht worden ist, kann es sinnvoll sein, eine Unterlassungserklärung anzufechten und zu kündigen, um zukünftige Vertragsstrafenforderungen zu vermeiden.
Falls auch Sie eine Unterlassungserklärung gegenüber dem IDO – Interessenverband für das Rechts- und Finanzconsulting deutscher Online-Unternehmen e. V. abgegeben haben, nehmen Sie gerne mit uns Kontakt auf. Unsere Partnerkanzlei schaut sich an, ob eine Kündigung in Ihrem Fall in Betracht kommt und spricht diese dann auch gerne für Sie aus.
Über Rechtsanwalt Johannes Richard
Rechtsanwalt Johannes Richard ist Fachanwalt für Gewerblichen Rechtsschutz und Partner der Kanzlei Richard & Kempcke. Er betreibt die Internetseite internetrecht-rostock.de und berät seit vielen Jahren Shopbetreiber und Abgemahnte.
r.classen/Shutterstock.com