Ein Mittel, sich gegen eine erhaltene Abmahnung zu wehren, ist die Gegenabmahnung. Häufig kommt es im Produktangebot des Abmahners ebenfalls zu Wettbewerbsverstößen. Der BGH entschied nun (Urt. v. 21.01.2021 – I ZR 17/18), dass eine Gegenabmahnung nicht bereits deshalb als rechtsmissbräuchlich anzusehen sei, weil sie eine Reaktion auf die vorherige Abmahnung eines vergleichbaren Verstoßes ist.

Der Kläger und der Beklagte vertreiben beide Drucker und Druckzubehör auf den Internetplattformen Amazon und eBay. Der Beklagte mahnte den Kläger wegen der Verwendung einer fehlerhaften Widerrufsbelehrung ab. Daraufhin mahnte der Kläger den Beklagten seinerseits mit anwaltlichem Schreiben ab und machte geltend, der Beklagte habe in der Widerrufsbelehrung nicht die im Impressum genannte Telefonnummer angegeben. Außerdem ließ er dem Beklagten in der Abmahnung Folgendes mitteilen: „Nach alledem erlauben wir uns eine vergleichsweise Regelung der Angelegenheit in der Art vorzuschlagen, dass beide Parteien die wechselseitig gerügten Verstöße einstellen und man sich bei zukünftig etwaig festgestellten Verstößen zunächst inter pares versucht, ohne kostenauslösende Abmahnungen, die Verstöße abzustellen. Erst wenn trotz Hinweis der Verstoß nicht abgestellt werden würde, soll der Ausspruch einer Abmahnung über Anwälte zulässig sein. Damit wäre die Sache erledigt. Eine Kostenerstattung findet wechselseitig nicht statt.“

Da der Beklagte auf diesen Vorschlag nicht einging, verfolgte der Kläger die mit seiner Gegenabmahnung geltend gemachten Unterlassungsansprüche gerichtlich weiter. Das LG Bochum gab der Klage statt (Urt. v. 09.09.2015 – I-13 O 85/15). Nachdem die Parteien den Unterlassungsantrag zwischenzeitlich übereinstimmend für erledigt erklärt hatten, wies das OLG Hamm die Berufung zurück (Urt. v. 21.11.2017 – I-4 U 145/15). Hiergegen legte der Beklagte Revision zum BGH ein.

Der BGH hatte das Verfahren zunächst wegen des ausstehenden Vorabentscheidungsverfahrens vor dem EuGH zur Angabe der Telefonnummer in der Widerrufsbelehrung ausgesetzt, verkündete nun jedoch sein Urteil und wies die Revision des Beklagten zurück. Bei der Gegenabmahnung handle es sich nicht um ein rechtsmissbräuchliches Verhalten.

Voraussetzungen eines Rechtsmissbrauchs

Zunächst stellte der BGH klar, dass ein Rechtsmissbrauch anzunehmen sei, wenn mit der Geltendmachung eines Unterlassungsanspruchs überwiegend sachfremde Motive verfolgt würden.

Nach § 8 Abs. 4 Satz 1 UWG aF (§ 8c Abs. 1 und 2 Nr. 1 UWG) ist die Geltendmachung der in § 8 Abs. 1 UWG bezeichneten Ansprüche auf Beseitigung und Unterlassung unzulässig, wenn sie unter Berücksichtigung der gesamten Umstände rechtsmissbräuchlich ist, insbesondere wenn sie vorwiegend dazu dient, gegen den Zuwiderhandelnden einen Anspruch auf Ersatz von Aufwendungen oder Kosten der Rechtsverfolgung entstehen zu lassen. Von einem Rechtsmissbrauch ist auszugehen, wenn sich der Gläubiger bei der Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs von sachfremden Gesichtspunkten leiten lässt. Diese müssen jedoch nicht das alleinige Motiv des Gläubigers sein. Erforderlich, aber auch ausreichend ist, dass die sachfremden Ziele überwiegen […].

Die Bestimmung des § 8 Abs. 4 Satz 1 UWG aF (§ 8c Abs. 1 UWG) bezieht sich nicht nur auf die gerichtliche Geltendmachung wettbewerbsrechtlicher Unterlassungsansprüche, sondern – wie schon ihr Wortlaut nahelegt – generell auf die Geltendmachung und insbesondere auch auf die vorgerichtliche Geltendmachung solcher Ansprüche […].

Gegenabmahnung nicht rechtsmissbräuchlich

Danach handle es sich nicht um einen Rechtsmissbrauch. Der BGH führte aus, dass die Gegenabmahnung als solche nicht ausreiche, um einen Rechtsmissbrauch festzustellen. Diese weise im Ergebnis nur darauf hin, dass der Kläger im Ergebnis nicht schlechter stehen wolle als die Beklagte.

Nach diesem Maßstab kann von einem rechtsmissbräuchlichen Verhalten des Klägers bei der Abmahnung vom 21. Januar 2015 nicht ausgegangen werden. […] Der Umstand, dass der Kläger, nachdem er zuvor vom Beklagten wegen eines vergleichbaren Verstoßes abgemahnt worden war, seinerseits am 21. Januar 2015 wegen des von ihm gesehenen Verstoßes des Beklagten gegen diesen eine Abmahnung ausgesprochen und Ersatz der ihm dadurch entstandenen Kosten verlangt hat, weist zunächst nur darauf hin, dass er damit im Ergebnis nicht schlechter stehen wollte als der Beklagte, der seinerseits zuvor gegen den Kläger wegen eines Fehlers in der von diesem gegebenen Widerrufsbelehrung eine Abmahnung ausgesprochen hatte. Für die Annahme eines Rechtsmissbrauchs reicht diese Motivation ebenso wenig aus wie der Umstand, dass der Kläger der Abmahnung vom 21. Januar 2015 keine vorformulierte Unterlassungserklärung beigefügt hat, zumal für dieses Verhalten der Umstand sprach, dass die Abmahnung an die den Beklagten vertretenden Rechtsanwälte gerichtet war.

Vorschlag zur Einstellung der gerügten Verstöße nicht missbräuchlich

Gegen einen Rechtsmissbrauch spreche auch die Tatsache, dass der Kläger den Beklagten nicht nur abgemahnt, sondern seinen geltend gemachten Unterlassungsanspruch auch gerichtlich verfolgt habe. Auch der in der Abmahnung beigefügte Vorschlag des Klägers, die wechselseitig gerügten Verstöße einzustellen und künftig festgestellte Verstöße ohne kostenauslösende Abmahnungen abzustellen, spreche nicht für ein missbräuchliches Verhalten, sondern ziele darauf ab, in der Zukunft ein beiderseits wettbewerbskonformes Verhalten zu erreichen. Ein Verzicht einer gerichtlichen Geltendmachung der Ansprüche im Falle des Nichtzustandekommens einer Einigung sei hingegen nicht gegeben, so das Gericht.

So spricht die Tatsache, dass der Kl. nicht nur den Bekl. abgemahnt, sondern den dabei geltend gemachten Unterlassungsanspruch später auch gerichtlich geltend gemacht hat, gegen ein missbräuchliches Verhalten (vgl. BGH GRUR 1999, 1116 [1118] = WRP 1999, 1163 – Wir dürfen nicht feiern). […] Gegen den Schluss auf ein im Sinne von § 8 Abs. 4 Satz 1 UWG aF (§ 8c Abs. 1 und 2 UWG) missbräuchliches Verhalten des Klägers spricht schließlich dessen in dem Schreiben vom 21. Januar 2015 gemachter Vorschlag, die Parteien sollten die wechselseitig gerügten Verstöße einstellen und bei von ihnen in der Zukunft festgestellten Verstößen versuchen, diese ohne kostenauslösende Abmahnungen abzustellen. Dieser Vorschlag zielte als pragmatische Lösung darauf ab, künftig ein beiderseits wettbewerbskonformes Verhalten zu erreichen, ohne dass die Parteien dabei darauf verzichteten, Ansprüche im Falle des Nichtzustandekommens einer Einigung doch noch gerichtlich geltend zu machen […].

Fehlende Telefonnummer war Wettbewerbsverstoß

Zudem stellte der BGH noch einmal klar, dass die Telefonnummer in der Widerrufsbelehrung angegeben werden muss, wenn eine geschäftlich genutzte Telefonnummer unterhalten wird. Der Beklagte habe im Impressum eine Telefonnummer angegeben, jedoch nicht in der verwendeten Widerrufsbelehrung. Damit habe er gegen § 312d Abs. 1 S. 1 BGB und Art. 246a § 1 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 und S. 2 in Verbindung mit Anlage 1 EGBGB verstoßen. Entsprechend hatte der EuGH auf die Vorlagefrage entschieden, ob eine Pflicht zur Angabe der Telefonnummer in der Widerrufsbelehrung besteht. Dieser Auffassung hatte sich auch der BGH angeschlossen.

Nach diesen Maßstäben hat die vom Bekl. bei Amazon verwendete Widerrufsbelehrung gegen § 312d I 1 BGB und Art. 246a § 1 II 1 Nr. 1 und S. 2 iVm Anl. 1 EGBGB verstoßen.

Nach den Feststellungen des BerGer. hat der Bekl. auf der Website seines Angebots bei Amazon unter der mit „Impressum“ bezeichneten Rubrik auch eine Telefonnummer angegeben. Damit hat er gegenüber einem Durchschnittsverbraucher den Eindruck erweckt, er nutze diese Telefonnummer für Kontakte mit den Verbrauchern. Es kommt deshalb nicht darauf an, ob es sich bei der Telefonnummer – wie der Bekl. in der mündlichen Verhandlung vor dem LG vorgetragen hat – um seine private Rufnummer gehandelt hat, die nicht in den Betrieb weitergeleitet werden und unter der er daher nur außerhalb der Geschäftszeiten erreicht werden konnte. Der Bekl. hätte damit diese aus der maßgeblichen Sicht des Durchschnittsverbrauchers verfügbare Telefonnummer in der von ihm bei Amazon verwendeten Widerrufsbelehrung angeben müssen.

Fazit

Bereits das OLG Bremen und das OLG Frankfurt hatten in der Frage zur Zulässigkeit von Gegenabmahnungen ähnlich entschieden und diese nicht als rechtsmissbräuchlich eingestuft, anders hingegen das LG Bochum. Nun hat der BGH klargestellt, unter welchen Voraussetzungen eine Gegenabmahnung zulässig ist. Selbst wenn ihr ein Vorschlag zur Einstellung gegenseitig gerügter Vorwürfe beigefügt ist, kann dies zulässig sein, wenn es dabei vorrangig um die Wiederherstellung des rechtskonformen Wettbewerbs geht.

sergign/Shutterstock.com

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