Voraussetzung für die Anwendung des Fernabsatzrechts ist, dass der Vertrag unter ausschließlicher Verwendung von Fernkommunikationsmitteln geschlossen wird. Hat der Verbraucher die Waren verbindlich bestellt und bei Abholung keine Wahl, die Waren abzunehmen oder nicht, handelt es sich ebenfalls um einen Fernabsatzvertrag. Hieran ändern auch entsprechende AGB-Klauseln nichts, wie das OLG Frankfurt (Urt. v. 28.1.2021 – 6 U 181/19) nun entschied.

Die Klägerin vertreibt Whirlpools, Saunen und Wannen sowohl über ihren Onlineshop als auch stationär. Die Beklagte bewarb auf ihrer Internetseite einen Whirlpool zum Preis von 38.799,- €, wobei nicht angegeben wurde, ob dieser Preis die Mehrwertsteuer enthielt oder nicht. Sie bot hierbei die Möglichkeit, über die Webseite einen dieser Whirlpools vorab zu bestellen bzw. zu reservieren. Hierfür musste der Kunde am unteren Seitenende der Webseite das von der Beklagten bereitgestellte Kontaktformular ausfüllen und die Option „verbindlich“ oder „unverbindlich“ auswählen. Bei einer verbindlichen Vorbestellung des Whirlpools sollte der Kunde oder Händler zum offiziellen Verkaufsstart des Whirlpools einen Rabatt von 10% erhalten. Nach Ausfüllen des Formulars musste der Kunde bzw. Händler einen Button mit der Bezeichnung „Absenden“ anklicken. Hierauf erhielt er – was vorher nicht erkennbar war – eine E-Mail, aus der er entnehmen konnte, dass durch die Reservierung allein noch kein Vertrag geschlossen werde, sondern der verbindliche Vertrag erst durch ein persönliches Gespräch zustande komme. Wegen dieser Darstellung hatte die Klägerin die Beklagte abgemahnt. Bei dieser Ausgestaltung werde ein Fernabsatzvertrag geschlossen. Die hiermit verbundenen Informationspflichten erfülle die Beklagte nicht. Die Beklagte gab jedoch weder die geforderte Unterlassungserklärung ab noch zahlte sie die Abmahnkosten. Das LG Frankfurt a.M. verurteilte sie zur Unterlassung und zum Ersatz der Abmahnkosten. Hiergegen legte sie Berufung ein.

Das OLG Frankfurt entschied, dass bei dieser Ausgestaltung ein Fernabsatzvertrag nach § 312c BGB geschlossen werde und die entsprechenden Informationspflichten erfüllt werden müssen.

Vertragsanbahnung auch entscheidend

Fernabsatzverträge sind in § 312c Abs. 1 BGB legal definiert als Verträge, bei denen der Unternehmer oder eine in seinem Namen oder Auftrag handelnde Person und der Verbraucher für die Vertragsverhandlungen und den Vertragsschluss ausschließlich Fernkommunikationsmittel verwenden, es sei denn, dass der Vertragsschluss nicht im Rahmen eines für den Fernabsatz organisierten Vertriebs- oder Dienstleistungssystems erfolgt. Für die Einordnung sei daher der Vertragsschluss entscheidend. Hierbei müsse jedoch auch die Vertragsanbahnung einbezogen werden, so das Gericht.

Zu fragen ist daher, ob der Vertrag unter ausschließlicher Verwendung von Fernkommunikationsmitteln geschlossen worden ist, d.h. ob die ehemalige Beklagte auf ihrer Internetseite die Möglichkeit bietet, Verträge abzuschließen oder ob ein Vertragsschluss nicht über die Internetseite erfolgt.

Wie die Formulierung von Abs. 2 („Anbahnung“) klarstellt – ist nicht nur der Vertragsschluss als solcher, sondern auch die Phase der Vertragsanbahnung in die Beurteilung mit einzubeziehen […]. Die VerbrRRL begreift den Vertragsschluss als ein Kontinuum, das von der ersten Anbahnung des Vertrags bis zu seinem Abschluss reicht. Wollte man ausschließlich auf die zum Vertragsschluss führenden Willenserklärungen abstellen, ließe man die ausdrücklichen Vorgaben in Art. 2 Nr. 7 VerbrRRL außer Acht und entfernte sich ohne Not vom Schutzzweck des Gesetzes. Aus der Formulierung in Art. 2 Nr. 7 („wobei bis einschließlich zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses ausschließlich ein oder mehrere Fernkommunikationsmittel verwendet wird/werden“) ergibt sich eindeutig, dass auch die Vertragsanbahnung umfasst ist.

Kaufvertrag bereits geschlossen

Vorliegend werde zwar von einer „Reservierung“ gesprochen und der Kunde könne zwischen einer unverbindlichen und einer verbindlichen Reservierung wählen. Hierbei handle es sich jedoch bereits um ein verbindliches Angebot des Kunden.

Die Gestaltung der Internetseite weist darauf hin. So wird dort angeboten „Jetzt vorab reservieren und Pre-Sale-Rabatt sichern“, was zwar zunächst nur nach einer (unverbindlichen) Reservierung ohne Rechtsbindungswillen klingt. Allerdings kann der Interessent dort zwischen einer „unverbindlichen“ Reservierung mit 5% Pre-Sale-Rabatt und einer „verbindlichen“ Reservierung mit 10% Pre-Sale-Rabatt wählen. Der Text hierzu lautet: „Reserviere Dir jetzt schon Deinen A1 und Du erhältst von uns rechtzeitig zum offiziellen Verkaufsstart einen Pre-Sale-Rabatt von 5% für eine unverbindliche Reservierung und 10% bei einer verbindlichen Vorbestellung.“ Nach Eingabe der Daten und „Reservierung“ erhält der Kunde eine E-Mail, in der ein Link auf „wichtige Informationen“ enthalten ist und in der der Kunde durch einen Klick bestätigen muss, die Informationen gelesen zu haben. In den Geschäftsbedingungen ist formuliert: „Durch die Reservierung … alleine kommt kein Fernabsatz-Kaufvertrag zustande. Der verbindliche Kaufvertrag … wird ausnahmslos nur in einem persönlichen Gespräch zustande kommen und schriftlich von Ihnen verifiziert.“

Hierin sei das Angebot zum Abschluss eines Kaufvertrages durch den Kunden zu sehen.

Die Verwendung des Wortes „Reservierung“ ändert nichts daran, dass mit Absendung der Bestellung ein Kaufvertrag geschlossen wird, da ein Rechtsbindungswille vorliegt. Die essentialia sind bekannt (Kaufgegenstand und Preis). In der E-Mail (LHR 5), in der die „Reservierung“ bestätigt wird, liegt eine Annahme des Angebotes.

Dass die ehemalige Beklagte keinen Vertragsabschluss bezweckte, wie sie ausführt, ist nicht relevant. Entscheidend ist, wie die Willenserklärungen der ehemaligen Beklagten nach dem objektiven Empfängerhorizont zu verstehen sind.

AGB nicht wirksam einbezogen

Die Beklagte versuchte sich auf ihre AGB zu berufen. Dort hatte sie eine Klausel aufgenommen, dass kein Fernabsatzvertrag zustande komme, sondern der Kaufvertrag erst in einem persönlichen Gespräch geschlossen werde. Die AGB seien jedoch nicht wirksam in den Vertrag einbezogen worden, so das Gericht.

Soweit sich die Beklagte auf ihre AGB beruft, in denen eine Klausel festlege, dass kein „Fernabsatz“-Kaufvertrag zustande komme und der verbindliche Kaufvertrag nur in einem persönlichen Gespräch geschlossen werde und schriftlich verifiziert werden müsse, führt dies zu keinem anderen Ergebnis. Diese AGB sind nicht wirksam einbezogen worden, da auf sie gar nicht hingewiesen wurde. Bei Abgabe der Willenserklärung durch den Interessenten auf der Homepage existiert überhaupt kein Hinweis. Erst nach Klicken des „Absenden“-Buttons erscheint der Hinweis auf die E-Mail und die notwendige Bestätigung (Bl. 112), der auch einen Link zu den „wichtigen Informationen“ enthält, deren Teil wiederum die AGB sind. Dabei ist schon fraglich, ob hierin überhaupt ein „ausdrücklicher“ Hinweis nach § 305 BGB zu sehen ist, da für den Verkehr nicht erkennbar ist, dass sich hierunter auch AGB befinden, die Teil des Vertrages werden sollen. Jedenfalls ist der Hinweis nicht „bei Vertragsschluss“ erfolgt. Hier kommt der Hinweis nämlich zeitgleich mit der Annahmeerklärung der Beklagten.

Anderslautende AGB ändern nichts

Zudem sei die Klausel als überraschend i.S.d. § 305c Abs. 1 BGB anzusehen und daher nicht Vertragsbestandteil geworden. Nach dieser Vorschrift werden AGB-Klauseln nicht Vertragsbestandteil, wenn sie „so ungewöhnlich sind, dass der Vertragspartner des Verwenders mit ihnen nicht zu rechnen braucht“. Dies gilt auch dann, wenn die AGB in den Vertrag einbezogen wurden.

Schließlich ist die Klausel auch nach § 305c Abs. 1 BGB inhaltlich als überraschend anzusehen. […] § 305c Abs. 1 BGB beruht auf der Überlegung, dass der Kunde die Möglichkeit zur Kenntnisnahme der AGB, die ihm gemäß § 305 Abs. 2 BGB verschafft werden muss, oft nicht ausnutzt oder nicht ausnutzen kann, sei es, weil er das Klauselwerk als Ganzes ungelesen akzeptiert, sei es auch, weil er es zwar liest, aber nicht über die Rechts- und Geschäftskunde verfügt, derer er bedarf, um „überraschende Klauseln“ zu erkennen und sich gegen sie zur Wehr zu setzen. § 305c Abs. 1 BGB zielt daher auf Vertrauensschutz ab. Der Kunde soll in jedem Falle, er mag die AGB gelesen haben oder nicht, darauf vertrauen dürfen, „dass sich die einzelnen Regelungen im Großen und Ganzen im Rahmen dessen halten, was nach den Umständen bei Abschluss des Vertrages erwartet werden kann“ (BT-Drs. 7/3919 S. 19).

Hier erwartet der Kunde, dass er mit seiner Erklärung einer „verbindlichen Reservierung“ bereits einen Kaufvertrag mit einem 10%-igen Rabatt abschließt. Mit einer Klausel, die dies negiert und einen wirksamen Vertrag erst zu einem späteren Zeitpunkt nach einem „persönlichen Gespräch“ zustande kommen lassen will, muss ein Kunde nicht rechnen.

Unzulässige Umgehung des Fernabsatzrechts

Zudem sah das Gericht in dieser Ausgestaltung den Versuch, die Vorschriften für das Fernabsatzrecht zu umgehen. Eine Umgehungsabsicht sei nicht erforderlich.

Im Übrigen teilt der Senat die Auffassung des Landgerichts, dass jedenfalls eine Umgehung nach § 312k BGB vorliegt. Ein Umgehungstatbestand liegt vor, wenn die vertragliche Beziehung zwischen den Parteien so gestaltet wird, dass die §§ 312 – 312g nach dem durch Auslegung ermittelten Normgehalt ganz oder teilweise keine Anwendung finden, obwohl sie nach ihrem Schutzzweck eingreifen müssten. Eine entsprechende subjektive Umgehungsabsicht ist nicht erforderlich, weil die Durchsetzung von Schutzstandards zugunsten des Verbrauchers bzw. Kunden nicht von der guten oder bösen Gesinnung des Vertragspartners abhängen darf. Eine solche Umgehung liegt hier vor. Die Aufspaltung des Vertragsschlusses in einen fernkommunikativen und einen „stationären“ Teil dient dazu, die Vorschriften des Fernabsatzgesetzes zu umgehen. Zwar handelt es sich nicht um ein Produkt, dass man typischerweise im Fernabsatz erwirbt (Preis: über 30.000,- €). Das könnte zwar dafür sprechen, dass doch keine Umgehungswirkung vorliegt, sondern tatsächlich nur der persönliche Vertragsschluss erfolgen soll. Die durch die ausdrücklich „verbindliche“ Reservierung eintretende rechtliche Bindung führt letztlich aber dazu, dass die Umgehungswirkung eintritt, auf die § 312k BGB abstellt. Es ist nämlich völlig fernliegend, dass der online bestellende Käufer danach in das stationäre Ladengeschäft der Beklagten fährt. Rechtlich ist der „Besteller“ an das Angebot gebunden; die Annahme hängt nur noch vom Willen der Beklagten ab.

Informationspflichten verletzt

Das Gericht stellte klar, dass die Beklagte die sich hieraus ergebenden Informationspflichten nicht erfüllt hat, wozu sie jedoch verpflichtet gewesen wäre.

In der Folge war die Beklagte zur Erfüllung der Informationspflichten des § 312d BGB verpflichtet. Diese Informationspflichten müssen nach Art. 246a § 4 Abs. 1 EGBGB vor der Vertragserklärung des Verbrauchers erfüllt werden, woran es hier fehlt.

Daneben fehlten noch die speziellen Informationspflichten im elektronischen Geschäftsverkehr nach § 312i Abs. 1 S. 1 BGB und Art. 246c EGBGB, die Angabe nach § 2 Abs. 2 PAngV, dass die Preise die MwSt. enthalten und ob zusätzliche Kosten anfallen, und der Hinweis auf die OS-Plattform. Zudem entsprach die Ausgestaltung der Bestellsituation nicht den Anforderungen des § 312j BGB.

Allerdings hatten sich in der Zwischenzeit die die Verhältnisse innerhalb der Gesellschaft verändert. Die ursprüngliche Beklagte, eine GmbH & Co. KG, wurde aufgelöst und die neue Beklagte hatte das Vermögen der ursprünglich Beklagten im Wege der Anwachsung übernommen. Hierdurch sei die Widerholungsgefahr entfallen und der geltend gemachte Unterlassungsanspruch bestehe nicht. Den Ersatz der Abmahnkosten konnte die Klägerin jedoch verlangen. Hierbei handle es sich nicht um einen höchstpersönlichen Anspruch. Dieser sei bereits vor der gesellschaftsrechtlichen Umstrukturierung entstanden und auf die neue Beklagte übergegangen. Das Gericht berief sich hierbei auf die Rechtsprechung des BGH.

Fazit

Die Frage der Anwendbarkeit des Fernabsatzrechts gewinnt momentan wieder an Bedeutung. Viele stationäre Einzelhändler bieten ihren Kunden während des Lockdowns Abholservices an. Hier ist die Situation vergleichbar. Hat der Verbraucher die Waren verbindlich bestellt und bei Abholung keine Wahl, die Waren abzunehmen oder nicht, handelt es sich um einen Fernabsatzvertrag. An diesem Umstand ändern auch entsprechende AGB-Klauseln nichts. Etwas anderes kann gelten, wenn der Verbraucher die Ware nur unverbindlich reserviert. In diesem Fall kann er bei der Lieferung die Annahme Ihres Angebots verweigern.

BCFC/Shutterstock.com

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