Steht einem Online-Händler gegen den Lieferanten nicht registrierter Beleuchtungskörper ein Regressanspruch bezüglich entstandener Abmahn- und Prozesskosten zu, sofern der Online-Händler wegen des Vertriebes der nicht registrierten Beleuchtungskörper abgemahnt wird? Mit dieser Frage beschäftigte sich das Landgericht Köln (Urt. v. 23.10.2018 - 31 O 103/17).
Die Klägerin vertreibt über ihre Onlineshops Beleuchtungskörper und bestellte bei der Beklagten u.a. 100 Lampen. Die Beklagte betreibt eine Beschaffungsplattform für Geschäftskunden, auf der Vorlieferanten und Hersteller ihre Ware zum Verkauf anbieten. Sofern ein Geschäftskunde auf der Beschaffungsplattform eine Bestellung tätigt, wird diese an den Vorlieferanten übermittelt und die bestellte Ware direkt an den jeweiligen Geschäftskunden gesandt. Die Beklagte verfügt über kein Lager und keine Einflussmöglichkeit auf die Lager und die Logistik der jeweiligen Vorlieferanten.
Die von der Klägerin bestellten Lampen waren im Zeitpunkt des Vertragsschlusses nicht bei der zuständigen Stiftung EAR registriert. Die erforderliche Registrierung des Herstellers nach § 6 Abs. 1 ElektroG erfolgte erst ein Jahr nach dem Vertragsschluss. Gleichwohl bot die Klägerin die von der Vorlieferantin gelieferten Lampen in ihren Onlineshops zum Verkauf an. Ein Wettbewerbsverband mahnte die Klägerin daraufhin wegen des Verkaufs der Lampen ab und rügte die nicht vorhandene Registrierung. Durch das nachfolgende Gerichtsverfahren entstanden der Online-Händlerin erhebliche Gerichts- und Anwaltskosten, die sie vollständig beglich.
Diese Kosten wollte die Klägerin jedoch nicht allein tragen und versuchte, die Beklagte in Regress zu nehmen. Zunächst mahnte sie die Beklagte wegen des Verkaufs der nicht registrierten Lampen ab, forderte die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung und den Ausgleich der Abmahnkosten. Da die Beklagte diesem Begehren nicht nachkam, erhob die Klägerin schließlich Klage auf Unterlassung des Vertriebs der nicht registrierten Lampen und Ersatz des ihr infolge des Verstoßes gegen die Registrierungspflicht entstandenen Schadens.
§ 6 Abs. 2 ElektroG begründet die Pflicht des Herstellers, sich vor dem Inverkehrbringen von Elektrogeräten bei der zuständigen Behörde (Stiftung EAR) mit der Geräteart und Marke registrieren zu lassen. Sollte die erforderliche Registrierung fehlen, dürfen die Geräte des Herstellers nicht in den Verkehr gebracht und durch die Vertreiber nicht zum Verkauf angeboten werden.
§ 6 Abs. 2 Nr. 2 ElektroG regelt:
„Vertreiber dürfen Elektro- oder Elektronikgeräte nicht zum Verkauf anbieten, wenn die Hersteller dieser Geräte oder im Fall der Bevollmächtigung nach § 8 deren Bevollmächtigte entgegen Absatz 1 Satz 1 nicht oder nicht ordnungsgemäß registriert sind.“
Ein Vertreiber darf nach § 6 Abs. 2 Satz 2 ElektroG Elektro- oder Elektronikgeräte nicht zum Verkauf anbieten, sofern der Hersteller diese Geräte nicht oder nicht ordnungsgemäß registriert hat. Bei der entsprechenden Vorschrift handelt es sich nach Ansicht des Gerichts um eine Marktverhaltensregel. Die Beklagte bietet Elektrogeräte in Form von Beleuchtungskörpern über ihre Beschaffungsplattform zum Verkauf an und ist daher Vertreiberin im Sinne des § 3 Nr. 11 ElektroG.
Vertreiber i.S.v. § 3 Nr. 11 ElektroG: jede natürliche oder juristische Person oder Personengesellschaft, die Elektro- oder Elektronikgeräte anbietet oder auf dem Markt bereitstellt
Hierzu das LG Köln:
„Die Beklagte bietet Elektrogeräte (hier: Beleuchtungskörper) zum Verkauf an, und ist daher Vertreiber i.S.v. § 3 Nr. 11 ElektroG. Unerheblich ist dabei, dass sie ausweislich ihrer AGB selbst keine einen Lager unterhält und die bei ihr bestellten Waren durch ihre Vorlieferanten ausgeliefert werden. Denn der Vertragsschluss kommt unmittelbar zwischen dem Kunden und der Beklagten zustande. De Verpflichtung zur Lieferung der bestellten Waren (hier: Beleuchtungskörper) trifft dabei ebenfalls allein die Beklagte.“
Das Gericht sprach der Klägerin daher einen Unterlassungsanspruch aus den §§ 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1, 3, 3 a UWG i.V.m. § 6 Abs. 2 Satz 2 ElektroG gegen die Beklagte zu.
Das Wettbewerbsrecht normiert in § 9 Satz 1 UWG eine umfassende Anspruchsgrundlage für Schadensersatzansprüche der Mitbewerber aus Verstößen gegen die Vorschriften des UWG. Der Schadensersatzanspruch setzt neben einer unzulässigen geschäftlichen Handlung insbesondere ein Verschulden voraus.
Die Beklagte war nach Ansicht des Gerichts verpflichtet, die erforderliche Registrierung des Herstellers zu überprüfen, bevor sie die Leuchten auf ihrer Beschaffungsplattform zum Verkauf anbot. Dies unterließ sie vorliegend fahrlässig.
„Dabei kann sie sich auch nicht mit dem Argument entlasten, dass sie selbst über keine eigenen Lager verfügt und insofern mit den streitgegenständlichen Beleuchtungskörper gar nicht in Berührung gekommen ist. Entscheidend ist allein, dass die Beklagte als Vertreiberin von Beleuchtungskörpern agiert, sodass sie die Vorschrift des § 6 Abs. 2 S. 2 ElektroG zu beachten hat und nur registrierte Produkte verkaufen darf. Dies bedingt […] eine entsprechende Prüfpflicht. Wie die Beklagte diese Pflicht erfüllt, bleibt ihr dabei selbst überlassen.“
Ein Besitz der Leuchten sei hierfür gerade nicht nötig, da die erforderliche EAR-Registriernummer nicht auf dem Produkt vermerkt ist. Dort wird lediglich der Name des Herstellers angegeben.
Die Beklagte vertrat außerdem die Ansicht, dass die Klägerin ihre Rügeobliegenheit nach § 377 HGB verletzt habe. Der Käufer muss im Rahmen eines beiderseitigen Handelskauf die Ware grundsätzlich unverzüglich nach Ablieferung auf etwaige Mängel hin untersuchen und entsprechende Mängel dem Verkäufer unverzüglich anzeigen, um etwaige Ansprüche wegen der Mangelhaftigkeit zu erhalten.
Das Gericht sah den Anwendungsbereich des § 377 HGB im Rahmen von Ansprüchen aus unerlaubter Handlung jedoch als nicht eröffnet an. Folglich tritt kein Rechtsverlust für Ansprüche aus unerlaubter Handlung ein und eine fehlende Rüge führt nach Ansicht des Gerichts nicht zum Ausschluss wettbewerbsrechtlicher Schadensersatzansprüche nach § 9 Satz 1 UWG.
Das Gericht stellte jedoch ein „beachtliches Mitverschulden“ der Klägerin nach § 254 BGB fest. Es berücksichtigte, dass beide Parteien als Vertreiber im Sinne des ElektroG auftreten.
„[Die Klägerin hätte] bei sorgfältiger Prüfung erkennen können und müssen, dass eine Registrierung des Herstellers nicht vorliegt. Dementsprechend hätte sie die Beleuchtungskörper auch nicht selbst zum Verkauf anbieten dürfen. Dass sie dies gleichwohl getan hat, hat maßgeblich zur Schadensentstehung beigetragen.“
Die Klägerin und die Beklagte haben es gleichsam fahrlässig versäumt zu überprüfen, ob der Hersteller seiner Registrierungspflicht nachgekommen ist. Das Gericht bewertete die Verursachungsbeiträge beider Parteien als gleichwertig und hielt eine Kürzung des Anspruches der Klägerin um 50 % für geboten.
Online-Händler, die Elektro- und Elektronikgeräte vertrieben, müssen überprüfen, ob eine ordnungsgemäße Registrierung des Gerätes bei der zuständigen Stiftung EAR vorliegt. Die Stiftung EAR unterhält ein öffentlich zugängliches Onlineverzeichnis mit dessen Hilfe Online-Händler überprüfen können, ob eine ordnungsgemäße Registrierung vorliegt. Wer dieser Prüfpflicht nicht nachkommt und nicht registrierte Geräte vertreibt, riskiert kostspielige Abmahnungen.
Zwar können Regressansprüche gegen Hersteller oder Lieferanten bestehen, diese können, wie das Urteil des LG Köln zeigt, im Einzelfall aufgrund eines bestehenden Mitverschuldens jedoch stark gekürzt werden.
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