Gerade bei Markenprodukten gibt es neben der gesetzlichen Gewährleistung häufig noch eine Herstellergarantie. Wenn Internethändler über diese Herstellergarantie im Angebot informieren, besteht nach gefestigter Rechtsprechung die Verpflichtung, gleichzeitig auch über die Garantiebedingungen zu informieren. Der Abmahnverein IDO Interessenverband für das Rechts- und Finanzconsulting deutscher Online-Unternehmer e.V. vertritt die Ansicht, dass Internethändler bei Produkten, bei denen es eine Herstellergarantie gibt, grundsätzlich über die Garantie und auch die Garantiebedingungen im Angebot selbst informieren müssen. Diese Ansicht ist in der Praxis durchaus problematisch: In vielen Fällen ist den Händlern gar nicht bekannt, ob der Hersteller eines Produktes auch eine Herstellergarantie anbietet. Zudem entsprechen die Garantiebedingungen des Herstellers, über die in diesen Fällen gegebenenfalls informiert werden müsste, häufig nicht den gesetzlichen Anforderungen des § 479 BGB.
Zu dieser Thematik gab es bisher noch keine Rechtsprechung.
Der IDO hat in mehreren Fällen nach vorheriger Abmahnungen Hauptsacheklagen auf
Unterlassung wegen eines angeblichen Wettbewerbsverstoßes eingereicht.
Nunmehr liegt eine erste Entscheidung des Landgerichtes Hannover zu dem Thema vor (LG Hannover, Urteil vom 23.09.2019, Az.: 18 O 33/19 (nicht rechtskräftig)). Wir von Internetrecht-Rostock.de hatten in diesem Verfahren den Abgemahnten und Beklagten vertreten.
Nach Ansicht des Landgerichtes Hannover besteht keine Verpflichtung von Internethändlern, über eine ggf. bestehende Herstellergarantie zu informieren:
Ein Wettbewerbsverstoß nach § 5a Abs. 1 und 2 UWG liegt nicht vor. Ein solcher Verstoß käme nur dann in Betracht, wenn eine lnformationspflicht des Beklagten über eine Herstellergarantie bestehen würde.
a. Ob und in welchem Umfang über eine in einem Angebot erwähnte Herstellergarantie näher informiert werden muss (vgl. dazu z.B. OLG Hamm, Urteil vom 25. August 2016 - l-4 U 1/16 , Rn. 54, juris), kommt es darauf vorliegend nicht an. Denn in dem streitgegenständlichen Angebot des Beklagten wird eine (Hersteller-)Garantie gerade nicht erwähnt oder beworben.
b. Entscheidend ist somit nur, ob jeder Verkäufer - d.h. auch derjenige, der auf eine bestehende Herstellergarantie keinerlei Bezug nimmt - über diese informieren muss. Eine solche Pflicht besteht aber nicht.
Ergeben könnte sich eine solche lnformationspflicht nur aus Art. 246a § 1 Abs. 1 S. 1, S 4 Abs. 1 EGBGB.
Art. 246a § 1 Abs. 1 S. 1 EGBGB bestimmt zur lnformationspflicht:
,,Der Unternehmer ist nach § 312d Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs verpflichtet, dem Verbraucher folgende lnformationen zur Verfügung zu stellen:(…) 9. gegebenenfalls das Bestehen und die Bedingungen von Kundendienst, Kundendienstleistungen und Garantien (...)"
Unmittelbar ergibt sich daraus zunächst nur die Pflicht, dass ein anbietender Unternehmer über seine(n) eigenen Kundendienst, Kundendienstleistungen und Garantien zu informieren hat. Denn diese lnformationen können für den Verbraucher von Bedeutung sein, um den Umfang der mit dem Angebot des Unternehmers verknüpften Leistungen beurteilen und ggfs. mit anderen Angeboten vergleichen zu können. Ebenso lässt sich daraus noch ableiten, dass auch über eine in einem Angebot erwähnte Herstellergarantie näher informiert werden muss. Denn in einem solchen Fall wirbt der Unternehmer eben auch mit dieser - wenn auch gar nicht von ihm ausgegebenen - Garantie, so dass der Verbraucher wissen muss, wie weit diese Garantie tatsächlich reicht und ggfs. auch in welchem Verhältnis die Herstellergarantie und die Gewährleistung des anbietenden Unternehmers stehen.
Darüber hinaus aber ist die lnformationspflicht nicht auch noch auf den (hier vorliegenden) Fall zu erstrecken, dass die (ggfs. bestehende) Herstellergarantie von dem anbietenden Unternehmer im Angebot überhaupt nicht erwähnt wird
Weder der Wortlaut noch der Sinn und Zweck des Art. 246a § 1 Abs. 1 S. 1 EGBGB sprechen für eine solche lnformationspflicht. Der Wortlaut lässt keinen Schluss darauf zu, dass ,,nach den genannten Regelungen das Bestehen sämtlicher Garantien, also auch der Garantien Dritter, wie beispielsweise des Herstellers, anzugeben sind" (so aber Landgericht Wuppertal Urteil vom 30.04.2019, Anlage K38). lm Gegenteil verhält sich Art. 246a § 1 Abs. 1 S. 1 EGBGB nicht ausdrücklich dazu, ob auch Garantien Dritter anzugeben sind. Dagegen spricht vielmehr, dass sich auch die anderen Nummern des Art. 246a § 1 Abs. 1 S. 1 EGBGB grundsätzlich auf den anbietenden Unternehmer, sein Angebot und dessen Bedingungen beziehen. Eine Ausweitung auf jegliche denkbaren Garantien Dritter dürfte einen Unternehmer zudem unbillig überfordern, zumal ggfs. sogar mehrere Herstellergarantien nebeneinander gelten bzw. gelten können, z.B. nämlich für die einzelnen Bestandteile zusammengesetzter Waren oder Dienstleistungen.
Auch berechtigte Verbraucherschutzinteressen können eine solche weitergehende lnformationspflicht nicht rechtfertigen. Dabei sollen die lnformationen den Verbraucher nur
,,in die Lage versetzen, das Für und Wider des Vertrags - und die beworbene Garantie stellt aus Sicht des Verbrauchers zweifellos einen Vorteil dar - abzuwägen, um sodann eine überlegte Entscheidung zu treffen (MünchKomm-Wendehorst, BGB, 7.Aufl., § 312d Rn. 2). Allein dies ist maßgeblich, entspricht dem Erwägungsgrund (35) der VRRL und steht mit dem in Art. 1 der VRRL ausdrücklich genannten Zweck, zum Erreichen eines hohen Verbraucherschutzniveaus beizutragen, in Einklang." (so OLG Hamm, Urteil vom 25. August 2016 - l-4 U 1116 -, Rn. 54 - 58, juris)
Vorliegend spricht für eine lnformationspflicht insbesondere auch nicht, es könne ,,nicht ausgeschlossen werden, dass der bloße Hinweis in dem streitgegenständlichen Angebot auf das Bestehen gesetzlicher Gewährleistungsrechte zu Gunsten des Käufers ohne einen Hinweis auf bestehende Herstellergarantien nicht doch dem Verfügungsbeklagten einen Vorteil verschaffen könnte, etwa dann, wenn ein Verbraucher davon ausgeht, dass die bloß erwähnten gesetzlichen Gewährleistungsrechte für ihn besonders günstig seien" (so aber Landgericht Wuppertal Urteil vom 30.04.2019, Anlage K38). Schon im Grundsatz ist es nicht die Funktion von lnformationspflichten, einen Verbraucher noch gleichsam rechtlich zu beraten und für ihn eine - objektiv nicht leistbare - rechtliche ,,Günstigkeitsprüfung" vozunehmen. Selbst nach Nr. I ist eine lnformation nur über das Bestehen eines gesetzlichen Mängelgewährleistungsrechts vorgeschrieben, nicht etwa dessen rechtliche Beurteilung etwa im Vergleich zu anderen Rechten des Verbrauchers. Zudem ist es auch wenig lebensnah, wieso ein Verbraucher ein Angebot mit Hinweis nur auf gesetzliche Gewährleistung aber ohne Herstellergarantie für vorteilhafter halten sollte als ein Angebot mit Hinweis auf gesetzliche Gewährleistung und Herstellergarantie. lnsoweit fällt eine Abwägung des Verbrauchers, über, das Für und Wider des Vertrags - und die beworbene Garantie stellt aus Sicht des Verbrauchers zweifellos einen Vorteil dar -" (so OLG Hamm, Urteil vom 25. August 2016 - l-4 U 1116 -, Rn. 54, juris) dann zwar ggfs. zum Nachteil des Unternehmers aus, aber den Vorteil des Unternehmers soll Art. 246a § 1 Abs. 1 S. 1 EGBGB auch nicht sicherstellen.
Entgegen der vom Kläger vorgetragenen Ansicht ergibt sich eine lnformationspflicht auch nicht daraus, dass sich ein Unternehmer Aufwand erspart, wenn er keine Angaben über den Umfang und die Bedingungen einer Garantie zusammenstellen muss. Die lnformationspflichten dienen nicht dazu, bei allen Unternehmern einen bestimmten Aufwand zu erzwingen, zumal nicht dann, wenn der unterschiedliche Aufwand darauf beruht, dass ein Unternehmer mit einer Herstellergarantie wirbt und der andere nicht. Wer nicht mit einer Herstellergarantie wirbt, muss den Verbraucher auch nicht darüber informieren, ob und unter welchen Bedingungen die Herstellergarantie für den Verbraucher möglicherweise gilt.
Schließlich würde die Rechtsmeinung des Klägers zudem dazu führen, dass dann auch über das Bestehen und die Bedingungen von Kundendienst und Kundendienstleistungen Dritter informiert werden müsste, denn für diese könnte nichts anderes gelten als für Garantien Dritter. Hiermit würde die lnformationspflicht noch weiter und damit unpraktikabel ausgedehnt.
Die Entscheidungsgründe des Landgerichtes Hannover sind überzeugend. Es bleibt abzuwarten, ob das Urteil in der nächsten Instanz bestätigt wird.
Rechtsanwalt Johannes Richard ist Fachanwalt für gewerblichen Rechtsschutz und Partner der Kanzlei Richard & Kempcke. Er betreibt die Internetseite internetrecht-rostock.de und berät seit vielen Jahren Shopbetreiber und Abgemahnte.
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