Eine Abmahnung, die Inhalte einer
Produktbeschreibung bei Amazon zum Inhalt hat, ist für die betroffenen Händler
in der Regel sehr weitreichend: Die Amazon-Seller haben keinen abschließenden
Einfluss auf die Artikelbeschreibung. Andere Händler, die Schreibrechte haben,
haben jederzeit die Möglichkeit die ASINs zu verändern. Aus diesem Grund sollte
es sich jeder Händler zweimal überlegen, bei einer Abmahnung, die in irgendeiner
Form etwas mit einer Amazon-Artikelbeschreibung zu tun hat, eine
Unterlassungserklärung abzugeben.
Selbst wenn gegen eine Unterlassungserklärung, die die Artikelbeschreibung bei Amazon betrifft, verstoßen wird, hat dies jedoch nicht zwangsläufig eine Vertragsstrafe zur Folge, so das OLG Schleswig (Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, Urteil vom 02.04.2019 Az.: 6 U 30/18).
Der Kläger hatte aufgrund eines
Verstoßes gegen eine abgegebene Unterlassungserklärung eine Vertragsstrafe von
5.000,00 Euro gefordert. Es ging offensichtlich um die Bewerbung einer
„Garantie“ ohne die Erläuterung der Garantiebedingungen.
Nach Ansicht des OLG traf den Händler jedoch kein Verschulden. Der Händler hatte -offensichtlich nachweisbar- seine Angebote „beinah werktäglich“ überprüft:
Die vom Landgericht festgestellte nahezu werktägliche Überprüfung der Angebote der Beklagten durch Stichwortsuchen entkräftet die Verschuldensvermutung. Die Frequenz und die Art und Weise der Überprüfungen genügen bezogen auf das streitgegenständliche Warenangebot sogar den vom Bundesgerichtshof im Rahmen der Störerhaftung im Markenrecht aufgestellten Anforderungen. Hiernach ist dem Anbieter auf dem Amazon Marketplace zuzumuten, ein von ihm dauerhaft oder über einen längeren Zeitraum eingestelltes Angebot regelmäßig darauf zu überprüfen, ob rechtsverletzende Änderungen vorgenommen worden sind (BGH, Urteil vom 03.03.2016 – I ZR 140/14, GRUR 2016, 936, 938 Rn. 24 – Angebotsmanipulation bei Amazon). Weitergehende Anforderungen sind an einen Unterlassungsschuldner zur Vermeidung der Verwirkung einer wegen eines Wettbewerbsverstoßes versprochenen Vertragsstrafe nicht zu stellen.
Das OLG setzt sich auch mit der Frage auseinander, wie häufig Angebote bei Amazon zu überprüfen sind, um eine Vertragsstrafe zu vermeiden. Das OLG spricht hier von der „Prüfungsfrequenz“. Nach Ansicht des OLG kommt es darauf an, ob es sich um „Standardware“ handelt. Bei Haushaltsartikeln, wie einer Bratpfanne und einem Toaster, reicht eine werktägliche Überwachung. Etwas anderes kann bei komplexen Waren gelten, insbesondere hochkomplexen technischen Produkten, so wie bei Produkte mit sicherheits- oder gesundheitsbezogenen Angaben.
Jedenfalls bei Standardprodukten wie Bratpfannen und Toaster sind Überprüfungen „in fast werktäglichen Intervallen“ ausreichend.
Zudem sieht das OLG keine intensive Prüfungspflicht bei einer Garantieangabe ohne Erläuterung der Garantiebedingungen:
Da aber von einer etwaigen fehlerhaften Angabe zu Garantie, die lediglich dem Bereich der Leistungsstörung betrifft und keinen unmittelbaren Bezug zur primären Ebene des alltäglichen Produktgebrauchs hat, weder Gesundheits- noch Sicherheitsgefahren ausgehen, ist es unschädlich, dass an vereinzelten Werktagen die Überprüfung unterblieben ist. Aus dem gleichen Grunde reichen jedenfalls vorliegend die morgendlichen Überprüfungen aus. Allein der Umstand, dass es sich Verkäufer auf der Handelsplattform Amazon durch wettbewerbswidrige Angaben zu einer „Garantie“ einen unberechtigten Wettbewerbsvorteil gegenüber anderen Anbietern und dem Einzelhandel verschaffen können, erfordert keine engmaschigere Kontrolle zu anderen Tageszeiten oder gar in Echtzeit.
Die zutreffende Entscheidung des OLG Schleswig zeigt, wie man trotz Abgabe einer Unterlassungserklärung eine Vertragsstrafe bei Amazon vermeiden kann. Notwendig ist eine entsprechende Überprüfung bspw. durch die Suche nach unzulässigen Begriffen in den eigenen Amazon-Angeboten einmal am Tag von Montag bis Freitag. Diese Überprüfung sollte jeweils schriftlich dokumentiert werden, um im Zweifelsfall einem gerichtlichen Verfahren ein vernünftiges Beweismittel zu haben.
Eine teure Vertragsstrafenforderung kann damit unter Umständen vermieden werden.
Rechtsanwalt Johannes Richard ist Fachanwalt für gewerblichen Rechtsschutz und Partner der Kanzlei Richard & Kempcke. Er betreibt die Internetseite internetrecht-rostock.de und berät seit vielen Jahren Shopbetreiber und Abgemahnte.
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