Die Hessen-Wahl hat ein neuerliches politisches Erdbeben gebracht, doch in Berlin geht das Tagesgeschäft der Groko zunächst weiter. Zur Debatte steht nach wie vor ein Gesetzesentwurf gegen missbräuchliche Abmahnungen. Das Ziel, Online-Händler vor allzu geschäftstüchtigen Kanzleien zu schützen, ist unstrittig, doch die Rolle der DSGVO birgt Konfliktpotential.

Ins Rollen gebracht hat die neuerlichen Diskussionen ausgerechnet eine Rechtsanwältin. Sie kassierte die erste Niederlage vor Gericht im Streit über eine Abmahnung wegen der neuen Datenschutzvorschriften. Am 13. September fällte das Landgericht Würzburg das Urteil, dass die Homepage der Juristin gegen die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) verstößt. Es fehlten Angaben zu Cookies, Betroffenenrechten und Analysetools, so die Urteilsbegründung. In der Konsequenz muss die Anwältin dem Antragsteller der Abmahnung, ebenfalls ein Rechtsanwalt, Gebühren zahlen.

Gesetzentwurf mit oder ohne DSGVO?

Das Urteil heizt in der Koalition die Diskussion über Maßnahmen zur Eindämmung des massenhaften Abmahn-Missbrauchs erneut an. Im Grunde sind Union und SPD sich darüber einig, dem Geschäftsmodell den Boden entziehen zu wollen, doch es gibt Streit darüber, ob die seit Mai gültige DSGVO explizit in den Gesetzentwurf aufgenommen werden soll.

Das von Katarina Barley (SPD) geführte Justizministerium lehnt das bislang ab. “Der Gesetzentwurf beinhaltet einen umfassenden Ansatz gegen missbräuchliche Abmahnungen”, sagte ein Sprecher gegenüber Reuters. “Er gilt für alle Abmahnungen im Wettbewerbsrecht und nicht nur für Abmahnungen wegen Verstößen gegen die DSGVO.” Demzufolge seien besondere DSGVO-Regeln nicht nötig.

In der Union dagegen werden Stimmen laut, die in eine andere Richtung deuten. Das CDU-geführte Wirtschaftsministerium äußerte, dass geprüft werde, “Sonderregelungen für die Abmahnung datenschutzrechtlicher Verstöße” in den Entwurf aufzunehmen.

Gesetzentwurf lässt weiter auf sich warten

Das Gesetz gegen Abmahnmissbrauch lässt also weiterhin auf sich warten. Es war geplant, dass der Gesetzentwurf bereits letzte Woche das Kabinett passieren sollte, was aufgrund der Meinungsverschiedenheiten nun verschoben worden ist. Ursprünglich hat der Bundestag schon im Juni die Bundesregierung aufgefordert, einen Gesetzesvorschlag bis zum 1. September zur Abstimmung vorzulegen.

Der Gesetzentwurf des Justizministeriums enthält viele unstrittige und für Online-Händler sinnvolle Maßnahmen, insbesondere den Punkt, dass finanzielle Anreize für Abmahner verringert werden sollen. Jedoch pochen der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) sowie andere Verbände darauf, die DSGVO zu berücksichtigen, damit diese nicht über das Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb (UWG) abgemahnt werden könne. Darin sehen Sie ein Schlupfloch, trotz des neuen Gesetzes weiter fröhlich abzumahnen.

Der Knackpunkt im Kampf gegen missbräuchliche Abmahnungen bleibt also die DSGVO. Das zeigt sich auch in der Uneinigkeit der Gerichte. Das LG Bochum hat kürzlich –anders als das LG Würzburg– entschieden, dass ein DSGVO-Verstoß nicht abmahnbar sei. Mehr zu dem Urteil erfahren Sie hier.

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