In wenigen Ausnahmefällen ist E-Mail-Werbung ohne Opt-In legal. Das OLG München hat nun entschieden, dass eine Partnerbörse bei einem kostenlos registrierten Mitglied mit der kostenpflichtigen Mitgliedschaft werben darf, auch wenn hierfür keine ausdrückliche Einwilligung vorliegt.
Werbung für eine kostenpflichtige Variante der Mitgliedschaft gegenüber einem kostenlos registrierten Mitglied sei bei einem entsprechenden Hinweis zulässig (OLG München, Urteil v. 15.2.2018, 29 U 2799/17). Dabei handele es sich um eine ähnliche Dienstleistung nach § 7 Abs. 3 Nr. 2 UWG.
In dem Verfahren hatte ein Verbraucherverband eine bekannte deutsche Partnerschaftsbörse auf Unterlassung verklagt. Das Gericht nahm zwar eine E-Mail-Werbung ohne ausdrückliche Einwilligung an, die grundsätzlich immer eine unzumutbare Belästigung nach § 7 Abs. 2 Nr. 2 UWG ist. Allerdings wendete es in diesem Fall die Ausnahme des § 7 Abs. 3 UWG an, wonach eine solche Werbung unter bestimmten Voraussetzungen erlaubt ist.
Dieser Paragraf bestimmt:
(3) Abweichend von Absatz 2 Nummer 3 ist eine unzumutbare Belästigung bei einer Werbung unter Verwendung elektronischer Post nicht anzunehmen, wenn
- ein Unternehmer im Zusammenhang mit dem Verkauf einer Ware oder Dienstleistung von dem Kunden dessen elektronische Postadresse erhalten hat,
- der Unternehmer die Adresse zur Direktwerbung für eigene ähnliche Waren oder Dienstleistungen verwendet,
- der Kunde der Verwendung nicht widersprochen hat und
- der Kunde bei Erhebung der Adresse und bei jeder Verwendung klar und deutlich darauf hingewiesen wird, dass er der Verwendung jederzeit widersprechen kann, ohne dass hierfür andere als die Übermittlungskosten nach den Basistarifen entstehen.
Häufig scheitert diese Ausnahme an der "Ähnlichkeit" der Ware oder Dienstleistung, für die strenge Voraussetzungen gelten, oder an dem Hinweis "bei Erhebung der Adresse", weil dieser oft ein Conversion Killer ist.
Eine Voraussetzung dafür, die Ausnahme gem. § 7 Abs. 3 UWG anzuwenden, ist, dass der Unternehmer die E-Mailadresse durch den "Verkauf" von Waren oder Dienstleistungen erhalten hat. Hier bestand das Problem, dass der Kunde eine kostenlose Mitgliedschaft abgeschlossen und somit im klassischen Sinne nichts gekauft hatte.
Das Gericht löste dieses Problem dahingehend, dass es sich vom monetären Aspekt eines "Verkaufs" loslöste.
"Als 'Verkauf' im Sinne des § 7 Abs. 3 UWG ist nicht nur der Kaufvertrag im Sinne des § 433 BGB, sondern jeder Austauschvertrag anzusehen.
Unter Verkauf ist daher der Vertragsschluss zu verstehen."
Hier habe der Kunde der Beklagten bei Registrierung seine Daten zur Verfügung gestellt, worauf der Kunde die Möglichkeit erhielt, das Portal im eingeschränkten Rahmen der kostenlosen Mitgliedschaft zu nutzen.
Die Beklagte gewinne dadurch den Kunden als Mitglied, das in die Bewerbung des Portals einfließe und es so auch für potentielle Neukunden interessanter mache. Auf diese Weise komme bei der kostenlosen Registrierung ein Austauschvertrag zwischen dem Kunden und der Beklagten zustande.
Gem. § 7 Abs. 3 Nr. 2 UWG kann eine Werbung per E-Mail, in die nicht eingewilligt wurde, zulässig sein, wenn damit ähnliche Waren oder Dienstleistungen beworben werden. Die Ähnlichkeit muss sich dabei auf die bereits "gekauften" Waren oder Dienstleistungen beziehen und dem gleichen typischen Verwendungszweck oder Bedarf des Kunden entsprechen.
Genau diesen Fall nahm das Gericht hier an. Im Kern seien sowohl die kostenlose als auch die kostenpflichtige Mitgliedschaft wesensgleich: Sie beide zielen auf die Vermittlung eines Partners ab.
Der Unterschied zwischen beiden Mitgliedschaften bestehe vordergründig in der Effizienz der Vorgehensweise des Kunden. Die kostenpflichtige Mitgliedschaft eröffne ihm weiterführende Handlungsmöglichkeiten, die ihm in der kostenfreien Variante versperrt blieben. Grundsätzlich verfolge er aber denselben Zweck - die Partnersuche.
"Die kostenlose Mitgliedschaft in ein erster Schritt in diese Richtung und mit der kostenpflichtigen Mitgliedschaft wird dieses Ziel dann intensiver verfolgt."
Schließlich müssen Unternehmer gem. § 7 Abs. 3 Nr. 4 UWG sowohl bei Erhebung der E-Mailadresse als auch bei jeder Verwendung darauf hinweisen, dass der Kunde die Möglichkeit hat, dem Erhalt weiterer E-Mails zu widersprechen.
Genau das hatte die Beklagte auch getan, sodass das Gericht § 7 Abs. 3 UWG zutreffend anwenden konnte und die Werbung so als rechtmäßig einstufte.
Die Entscheidung dürfte vielen Freemium-Anbietern ermöglichen, legal Werbung für Upgrades zu versenden, wenn bei Erhebung der Adresse (also in der Anmeldemaske) und in jeder Werbe-Mail ein Hinweis auf die Widerspruchsmöglichkeit ("Abmelden") platziert wird.
Allerdings sollte die Ausnahme des § 7 Abs. 3 UWG nicht überstrapaziert werden. Nicht möglich ohne Opt-In ist etwa Werbung für fremde Produkte von Partnern oder andere eigene Produkte (z.B. Mobilfunkverträge, wenn der Kunde ein Laptop gekauft hat). Auch lassen sich Bewertungs-Reminder für Shop-Bewertungen nicht über diese Vorschrift rechtfertigen, weil das Unternehmens-Image kein ähnliches Produkt sein kann.
Im Zweifel ist also das Einholen einer Einwilligung für kommerzielle E-Mails der rechtlich sicherste Weg. Bei Verstößen drohen nicht nur Abmahnungen durch jeden einzelnen E-Mail-Empfänger, sondern auch von Konkurrenten, Wirtschaftsverbänden oder - wie hier - von Verbraucherzentralen.