Neue Pläne der EU: Müssen Online-Händler bald europaweit verkaufen?

Seit einiger Zeit bestehen Pläne, das sog. Geoblocking zu verhindern. Die EU-Kommission teilt jetzt mit, man habe sich auf einen Kompromiss geeinigt. Aus der Meldung der Kommission kann man die Folgen für den Online-Handel noch nicht vollständig abschätzen.

Die EU-Kommission hat folgende Pressemitteilung veröffentlicht:

Digitaler Binnenmarkt: Einigung der EU-Verhandlungsführer über Beendigung des ungerechtfertigten Geoblockings

Das Europäische Parlament, der Rat und die Kommission haben Abend ihre Zusagen bezüglich der Beendigung des ungerechtfertigten Geoblockings eingelöst, die sie im September auf dem Digital-Gipfel in Tallinn gemacht hatten. Dieses Thema ist eine der EU-Prioritäten für 2017.

Abend erzielten das Europäische Parlament, der Rat und die Kommission eine politische Einigung über die Beendigung des ungerechtfertigten Geoblockings für Verbraucher, die EU-weit Produkte oder Dienstleistungen kaufen wollen. Die neuen Vorschriften werden den elektronischen Handel zum Nutzen der Verbraucher und Unternehmen vorantreiben, da diese sich die Vorteile der wachsenden europäischen Online-Märkte nun besser zunutze machen können.

Andrus Ansip, Vizepräsident für den digitalen Binnenmarkt, erklärte dazu:

„Heute bereiten wir einer ungerechtfertigten Diskriminierung beim Online-Einkauf ein Ende. Das ist eine sehr gute Nachricht für die Verbraucher. Nach den neuen Regeln werden die Europäerinnen und Europäer selbst wählen können, auf welcher Website sie einkaufen wollen, ohne gesperrt oder umgeleitet zu werden. Nächstes Jahr zu Weihnachten wird dies Wirklichkeit sein.“

Elżbieta Bieńkowska, die für Binnenmarkt, Industrie, Unternehmertum und KMU verantwortliche Kommissarin, fügte hinzu:

„Wir bringen den EU-Binnenmarkt auf den neuesten Stand der digitalen Welt und geben den Verbrauchern dieselben Möglichkeiten, aus der größtmöglichen Angebotspalette zu wählen, egal ob sie in einem anderen Land persönlich in ein Ladengeschäft gehen oder in einem anderen Land online einkaufen. Der Nächste Schritt wird nun die Senkung der Preise bei der grenzüberschreitenden Paketzustellung sein, denn diese Kosten sind nach wie vor ein großes Hindernis für den EU-weiten Einkauf und Verkauf von Produkten.“

Mariya Gabriel, die für die digitale Wirtschaft und Gesellschaft zuständige Kommissarin, ergänzte:

„Die Beendigung des unfairen Geoblockings ist ein großer Schritt für die Verbraucher und für den Aufbau eines echten digitalen Binnenmarkts, von dem alle etwas haben. Neben der Abschaffung der Roaminggebühren und der Einführung der Portabilität werden die Bürgerinnen und Bürger der EU künftig über Grenzen hinweg ganz wie zu Hause auch online ihre neuen Möbel kaufen, Hotelzimmer buchen oder ihre Kreditkarte benutzen können.“

Für die Bürger bedeutet dies, dass sie in der Lage sein werden, ihre neuen Elektrogeräte online zu kaufen, einen Mietwagen zu reservieren oder Konzertkarten zu bestellen, und zwar grenzüberschreitend wie im eigenen Land. Dabei werden sie auf keine Hindernisse mehr stoßen, die etwa darin bestehen, dass die Zahlung mit einer bestimmten ausländischen Bank- oder Kreditkarte verlangt wird. Für die Unternehmen bedeutet dies mehr Rechtssicherheit im grenzüberschreitenden Geschäft.

Wie der Präsident der Europäischen Kommission, Jean-Claude Juncker, auf dem Digital-Gipfel in Tallinn im letzten September hervorhob, müssen die EU-Gesetzgeber alle 24 Legislativvorschläge verabschieden, die die Kommission seit ihrem Amtsantritt vorgelegt hat, damit der digitale Binnenmarkt vollständig verwirklicht werden kann. Die Europäische Kommission ist bereit, dem Europäischen Parlament und dem Rat bei der Erzielung guter Vereinbarungen zu helfen, und hat dies Abend auch unter Beweis gestellt, indem sie diese Einigung möglich gemacht hat.

In den neuen Vorschriften werden drei konkrete Situationen festgelegt, in denen Rechtfertigungen und objektive Kriterien für eine unterschiedliche Behandlung von Verbrauchern aus verschiedenen EU-Mitgliedstaaten von vornherein ausgeschlossen werden:

  • Verkauf von Waren ohne materielle Lieferung. Beispiel: Ein Kunde aus Belgien will einen Kühlschrank kaufen und findet das beste Angebot auf einer deutschen Website. Der Kunde hat Anspruch darauf, das Produkt zu bestellen und beim Händler abzuholen oder die Lieferung zu sich nach Hause selbst zu organisieren.
  • Verkauf elektronisch bereitgestellter Dienstleistungen. Beispiel: Eine Verbraucherin aus Bulgarien will Hosting-Dienste für ihre Website von einem spanischen Unternehmen kaufen. Sie wird nun Zugang zu dem Dienst erhalten, kann sich registrieren und zahlt für diesen Dienst nicht mehr als ein spanischer Verbraucher.
  • Verkauf von Dienstleistungen, die an einem bestimmten Ort bereitgestellt werden. Beispiel: Eine italienische Familie kann direkt eine Reise zu einem Freizeitpark in Frankreich kaufen, ohne zu einer italienischen Website umgeleitet zu werden.

Die Verordnung sieht keine Verkaufsverpflichtung und auch keine Harmonisierung der Preise vor. Vielmehr beseitigt sie die Diskriminierung beim Zugang zu Waren und Dienstleistungen, wenn diese nicht objektiv gerechtfertigt ist (z. B. aufgrund von MwSt.-Verpflichtungen oder unterschiedlichen gesetzlichen Anforderungen).

Die neuen Vorschriften werden erst neun Monate nach der Veröffentlichung im Amtsblatt der EU unmittelbar in Kraft treten, damit insbesondere kleine Händler sich darauf einstellen können.

Keine Detail-Regeln bekannt

Bisher liegt nur die Pressemitteilung der Kommission vor. Wie die Regelungen im Detail aussehen, ist noch nicht bekannt.

Nach einem ersten Entwurf einigten sich im vergangenem Herbst die EU-Wettbewerbsminister auf ein neues Kompromisspapier.

Ob in dem jetzt erzielten abschließenden Verordnungstext noch Änderungen eingeflossen sind, kann aktuell nicht gesagt werden, da das Papier noch nicht vorliegt. Sobald der Entwurf im Volltext vorliegt, werden wir diesen analysieren und über die Konsequenzen für Online-Händler berichten.

Nachdem die Verordnung verabschiedet und im Amtsblatt veröffentlicht wurde, soll sie neun Monate später in Kraft treten, damit Händler noch Zeit haben, notwendige Anspassungen vorzunehmen. (mr)

Bildnachweis: F. JIMENEZ MECA/shutterstock.com

21.11.17