Heute hat sich der BGH mit der Frage beschäftigt, was Hygieneartikel sind und wann diese vom Widerrufsrecht ausgenommen sind. Wir waren für Sie in der mündlichen Verhandlung dabei.
Vor dem BGH (VIII ZR 194/16) ging es heute um die Frage, ob der Kauf von Matratzen vom Widerrufsrecht ausgeschlossen ist.
Die Ausnahmevorschrift, die beim BGH diskutiert wurde, lautet
"Verträge zur Lieferung versiegelter Waren, die aus Gründen des Gesundheitsschutzes oder der Hygiene nicht zur Rückgabe geeignet sind, wenn ihre Versiegelung nach der Lieferung entfernt wurde,"
sind vom Widerrufsrecht ausgenommen.
Um zu klären, ob Matratzen unter diese Ausnahme fallen, mussten zwei wesentliche abstrakte Fragen geklärt werden:
Die vorsitzende Richterin führte ausführlich in den Fall und die relevanten Rechtsfragen ein.
Dabei sagte sie, dass der Senat auf den ersten Blick dachte, dass der Fall doch relativ eindeutig sei.
Im Laufe der Beratungen, die sehr lange dauerten, seien dann aber Zweifel aufgekommen. Der Senat kam in seinen Beratungen zu keinem abschließenden Ergebnis.
Der Senat meinte, dass gegen die Einstufung von Matratzen als Hygieneartikel sprechen würde, dass Verbraucher auch in Hotels auf "benutzten" Matratzen schlafen würden und das niemanden stören würde.
Dagegen wandte der Vertreter der Beklagten Online-Händlerin ein, dass man schon noch einen Unterschied machen müsse zwischen zu Hause und im Hotel.
Ungewöhnlich deutlich kritisierte der Senat den Gesetzgeber.
Die Gesetzesformulierung sei "sehr unglücklich", da niemand verstehe, was der Gesetzgeber hier meinte.
Letzlich, so der Senat weiter, sind hier zwei Alternativen zur Auslegung der Ausnahme denkbar:
Bisher vertritt die Rechtsprechung in Deutschland die erste Alternative.
Der Senat wollte sich hier nicht festlegen, weil es hier eben auf ein europäisches Verständnis von Hygieneartikeln ankomme und nicht auf eine rein deutsche Sicht.
Außerdem stand die Frage zur Diskussion, was eine Versiegelung sei.
Dabei vertrat der Senat die Auffassung, dass dies eine Verpackungsvariante sein müsste, die der Verbraucher nicht mehr wieder herstellen kann, wenn er das Produkt einmal aus ihr entfernt hat.
Ob diese aber auch noch einmal zusätzlich gekennzeichnet werden müsse, wie es das OLG Hamm meint, das muss wohlmauch der EuGH klären.
Die Vertreter von Kläger und Beklagter stimmten dem Senat zu, dass dies alles keine eindeutig zu beantwortenden Fragen seien und begrüßten die Idee der Vorlage an den EuGH.
Und so war es dann auch keine große Überraschung mehr, als die Vorsitzende verkündete, dass der Senat den EuGH fragen werde. Die Formulierung der genauen Vorlagefragen würde aber noch Zeit in Anspruch nehmen. Verkündungstermin wurde auf den 8. November bestimmt.
In der mündlichen Verhandlung war auch der Anwalt des Online-Händlers anwesend. Wir konnten mit Prof. Dr. Felix Buchmann nach der Verhandlung ein Experten-Interview führen.
Der BGH hat sich in der Verhandlung sehr ausführlich mit den verschiedenen Möglichkeiten der Auslegung auseinander gesetzt. Es ist zu begrüßen, dass er die relevanten Rechtsfragen nicht selbst entschieden hat, da die deutsche Vorschrift ihre Grundlage im europäischen Recht hat. Wir werden Sie über die weiteren Entwicklungen in dem Fall auf dem Laufenden halten. (mr)