Das deutsche und das europäische Recht kennen zahlreiche abstrakte Ausnahmen vom Widerrufsrecht. Aber was bedeuten diese konkret in der Praxis? Der BGH wird entscheiden, ob beim Kauf von Matratzen ein Widerrufsrecht besteht.
Der BGH hat heute in einer Pressemitteilung auf einen Termin zur mündlichen Verhandlung am 23. August 2017 hingewiesen.
Matratzenkauf im Internet
Im Jahr 2014 bestellte der Verbraucher im Online-Shop der Beklagten eine Matratze für über 1.000 Euro. Die Matratze war mit einer Schutzfolie versehen, die der Verbraucher nach der Lieferung entfernte.
Ein paar Tage später teilte er der Beklagten mit, dass er die Matratze leider zurücksenden müsse und die Beklagte doch bitte die Abholung durch eine Spedition veranlassen sollte. Die Händlerin weigerte sich, daher veranlasste der Verbraucher selbst den Rücktransport durch eine Spedition.
Klage auf Erstattung der Rücksendekosten
Der Verbraucher verlangte dann vom Händler die Erstattung der Rücksendekosten (knapp 60 Euro).
Das AG Mainz und das LG Mainz hielten die Klage in den Vorinstanzen für berechtigt und gaben dem Verbraucher Recht. Hierzu heißt es in der Pressemitteilung des BGH:
“Nach Auffassung des Landgerichts habe der Kläger wirksam von seinem Widerrufsrecht gemäß § 312g Abs. 1 BGB* Gebrauch gemacht.
Entgegen der Ansicht der Beklagten handele es sich vorliegend um keinen Fall des § 312g Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BGB, wonach kein Widerrufsrecht bei Verträgen zur Lieferung versiegelter Waren besteht, die aus Gründen des Gesundheitsschutzes oder der Hygiene nicht zur Rückgabe geeignet sind, wenn ihre Versiegelung nach der Lieferung entfernt wurde.
Trotz des missverständlichen Wortlauts dieser Vorschrift sei nicht entscheidend, ob hygienische Gründe die Rückgabe ausschlössen, sondern ob diese Gründe einer Wiederveräußerung der Ware durch den Unternehmer entgegenstünden.
Eine Matratze aber könne der Verkäufer, wenn auch mit einigem Aufwand, reinigen und in einen hygienisch einwandfreien Zustand versetzen lassen, so dass die Entfernung einer Schutzfolie durch den Käufer dessen Widerrufsrecht nicht entfallen lasse.”
Das LG Mainz hatte die Revision zugelassen, sodass sich nunmehr der BGH mit dieser Sache beschäftigen wird.
LG Berlin: Matratzen sind kein Hygieneartikel
Neben dem AG und dem LG Mainz entschied auch schon das LG Berlin (Urt. v. 03.08.2016, 15 O 54/16), dass Matratzen nicht unter den Begriff der Hygieneartikel fallen:
“Nach Ansicht des Gerichts spricht Einiges dafür, dass Matratzen keine Hygieneartikel im Sinne des § 312g Abs. 2 Nr. 3 BGB sind. Unter diese Ausnahmevorschrift fallen nicht solche Waren, deren Verkehrsfähigkeit der Unternehmer durch Reinigung wiederherstellen kann. Dabei ist § 357 Abs. 7 Nr. 1 BGB zu beachte, wonach der Verbraucher im Falle seines Widerrufs Wertersatz für einen Wertverlust der Ware zu leisten hat. (…)”
Fazit
Es bleibt spannend, wie der BGH sich positionieren wird. Evtl. legt er die Frage auch dem EuGH vor, denn schließlich geht es hier um die Auslegung europäischen Rechts. Dabei geht es nur in erster Linie um die Frage, ob Matratzen unter diese Ausnahmevorschrift gehören. Viel wichtiger wäre, dass der BGH (oder EuGH) allgemeine Kriterien aufstellen würde, sodass die Entscheidung auch für andere Produkte Relevanz hat. Wir werden Sie auf dem Laufenden halten. (mr)
Bildnachweis: Michal Kalasek/shutterstock.com
Naja. Ich kann auch eine Unterhose oder eine Klobürste durch Reinigung theoretisch wieder “verkehrsfähig” machen. Trotzdem kauft die mir dann anschließend keiner mehr ab.
Unterwäsche wird jeden Tag tausendfach gekauft, obwohl diese schon probiert wurde. In jedem Bekleidungsgeschäft. Und dort werden die Sachen nicht gereinigt, bevor sie der nächste Kunde kauft. Unterwäsche daher mE ein eher schlechtes Beispiel.
Ich weiß nicht wo Sie Ihre Unterwäsche kaufen und “ausprobieren” aber in jedem anständigen Geschäft sind die eingeschweißt und werden nicht zurück genommen.
Würde mir ein Laden Unterhosen andrehen wo jemand anderes sein Gemächt drin hatte, würde ich die nicht mal mit der Kneifzange anfassen.
Aber die Fetische sind halt verschieden ?
Zu dem Thema gab es mal eine “interessante” Reportage – ich glaube, es war bei RTL Extra. Da ging es genau um die Frage der Anprobe auch von Unterwäsche im Ladengeschäft.
Hallo!
Das ganze ist doch schon von der Praxis längst überholt. Die ganzen Online-Matratzen-Verkäufer bieten doch heute schon ein 100-tägiges-Probeschlafen auf ihren Matratzen an. Und die holen diese dann nach 100 Tagen wieder kostenlos zurück.
Ansonsten habe ich jetzt eine schockierende Nachricht für alle Hygiene-Freaks: In Hotels werden die Matratzen auch nicht nach jedem Besuch gegen neue ausgetauscht…
Hallo Shopper,
dieser eine Händler liebt es aber, sich mit seinen Kunden wegen Klecker-Beträgen bis zum BGH zu streiten. Da kann man nix machen.
Ihren Hinweis auf das Hotel finde ich sehr passend und genau deswegen gehören Matratzen für mich auch nicht zu Produkten, die aus Gründen der Hygiene oder des Gesundheitsschutzes vom Widerrufsrecht ausgenommen sind.
Das ist ein sehr interessanter Ansatz. Ich kenne das Problem auch bei Unterwäsche und anderen Hygieneartikeln.