Viele Online-Händler nutzen auch Printwerbung, um auf ihre Angebote aufmerksam zu machen. Muss aber die Widerrufsbelehrung auf dem Printmedium stehen, wenn man darüber bestellen kann? Heute entschied der BGH und hat den Fall weiter an den EuGH gegeben.
Die Verbraucherrechterichtlinie sollte den rechtlichen Rahmen für den Fernabsatz ins 21. Jahrhundert bringen. Sowohl bei Erstellung der Richtlinie als auch bei der Umsetzung ins deutsche Recht vergaß man dabei aber völlig, dass Fernabsatz eben nicht nur Online-Handel ist, sondern viele Facetten hat.
Ein Händler warb in einem Printbeileger für seine Waren. Mit dabei: Ein Bestellschein, wie man ihn noch "von früher" kennt. Man trägt die Artikelnummern, Anzahl und Betrag ein, seine Adresse, schickt den Schein ab und bekommt die Ware.
Nicht mit abgedruckt war aber die Widerrufsbelehrung und auch nicht das Muster-Widerrufsformular.
Die Wettbewerbszentrale strengte ein Musterverfahren an und gewann bereits vor dem LG Wuppertal in erster Instanz (wir berichteten).
Jetzt hat das OLG Düsseldorf (Urt. v. 18.2.2016, I-15 U 54/15) sein Urteil in dem Verfahren veröffentlicht: Es bestätigt darin die Ansicht des LG Wuppertal.
Die Beklagte habe gegen ihre gesetzlichen Informationspflichten verstoßen, weil in dem Prospekt keine Widerrufsbelehrung abgedruckt war und auch kein Muster-Widerrufsformular.
"Die Informationen muss er gemäß Art. 246a § 4 Abs. 3 EGBGB in einer den benutzten Fernkommunikationsmitteln – das nach der Legaldefinition in § 312c Abs. 2 BGB ein Printmedium sein kann – angepassten Weise zur Verfügung stellen.
Maßgeblich ist grundsätzlich das Fernkommunikationsmittel, das der Unternehmer für den Abschluss des Fernabsatzvertrages einsetzt (vgl. Art. 246a § 3 EGBGB).
Das ist hier der beanstandete Werbeprospekt, der eine heraustrennbare Bestellpostkarte enthält, mit welcher der Verbraucher bereits seine Vertragserklärung abgeben kann.
Da in diesem Fall kein anderes Fernkommunikationsmittel Anwendung findet, braucht nicht geklärt zu werden, wie es zu beurteilen wäre, wenn stattdessen bis zur Abgabe der Vertragserklärung mehrere Fernkommunikationsmittel verwendet werden.
Deswegen sind bei der Verletzungsform und kerngleichen Verletzungshandlungen die Informationen – wie im tenorierten Unterlassungsantrag ausdrücklich formuliert – „in diesem Printmedium selbst unmittelbar“ zu erteilen."
Die Beklagte berief sich auf eine Ausnahmevorschrift: Ist das Fernkommunikationsmittel räumlich oder zeitlich begrenzt, müssen nicht alle Pflichtinformationen zur Verfügung gestellt werden.
"Der beanstandete Werbeprospekt ist kein Fernkommunikationsmittel, das im Sinne dieser Vorschrift „nur begrenzten Raum oder begrenzte Zeit für die dem Verbraucher zu erteilenden Informationen bietet“, so dass es nicht – wie geschehen – genügte, über das Bestehen des Widerrufsrechts zu informieren, sondern die Beklagte verpflichtet war, sämtliche Informationen zum Widerrufsrecht nach Art. 246a § 1 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 EGBGB zur Verfügung zu stellen.
Darunter sind nur solche Fernkommunikationsmittel zu verstehen, bei denen wegen ihrer räumlich oder zeitlich begrenzten Darstellungsmöglichkeit die vollständigen Pflichtinformationen nicht gemäß Art. 246a § 4 Abs. 1 und 3 EGBGB in einer diesem Fernkommunikationsmittel angepassten, klaren und verständlichen Weise zur Verfügung gestellt werden können.
Die Beschränkungen können technisch bedingt sein oder darauf beruhen, dass der Verbraucher bei dem verwendeten Fernkommunikationsmittel nicht sämtliche Pflichtinformationen sachgerecht zur Kenntnis nehmen und zur Grundlage einer informierten Entscheidung machen könnte, weil er tatsächlich nicht in der Lage wäre, sie vollständig aufzunehmen und zu reflektieren.
Dabei ist nicht die konkrete Gestaltung des Fernkommunikationsmittels durch den Unternehmer maßgebend, sondern welche technischen und tatsächlichen Möglichkeiten es zur Informationserteilung bietet.
Dies hat zur Folge, dass der streitgegenständliche mehrseitige Werbeprospekt nicht unter Art. 246a § 3 EGBGB fällt, weil er sich so ausgestalten lässt, dass genügend Raum für alle Pflichtinformationen vorhanden ist."
Als ein Beispiel für ein solches Fernkommunikationsmittel, bei dem die Darstellungsform zeitlich oder räumlich begrenzt ist, wird dann immer wieder die SMS ins Feld geführt:
"Aus technischen Gründen begrenzt ist der Raum daher im Rahmen elektronischer Fernkommunikationsmittel allenfalls bei der Erteilung der Informationen per SMS, soweit Verbraucher nicht internetfähige Endgeräte nutzen, wobei sogar dann technisch die Möglichkeit besteht, die vollständigen Pflichtinformationen zu übermitteln, indem mehrere Kurznachrichten hintereinander gesendet werden."
Zum einen erkennt das Gericht hier selbst, dass auch SMS keiner Beschränkung unterliegen und zum anderen darf die Relevanz des SMS-Commerce durchaus in Frage gestellt werden. In den Auswertungen des Statistischen Bundesamtes zum Handelsumsatz taucht er zumindest nicht auf.
Nach der Vorschrift soll den "technische Beschränkungen, denen bestimmte Medien unterworfen sind" Rechnung getragen werden.
"Denn die Formulierung „unterworfen sind“ zielt auf Grenzen ab, die dem jeweiligen Medium immanent und in diesem Sinne von außen vorgegeben sind, weshalb der Nutzer sie nicht durch eine bestimmte gewählte Gestaltung beseitigen oder umgehen kann."
Es dürfte kein einziges Medium existieren, was diese Voraussetzungen erfüllt:
Das erkennt auch das Gericht und meint, die Beschränkungen beträfen nicht nur technische Beschränkungen.
"Dementsprechend bestimmt sich die Eignung des Fernkommunikationsmittels, die Informationen in einer ihm angepassten, klaren und verständlichen Weise zur Verfügung zu stellen danach, ob der Unternehmer dem Verbraucher mittels dieses Fernkommunikationsmittels die Möglichkeit verschaffen kann, in zumutbarer Weise vom Inhalt der Informationen Kenntnis zu nehmen.
Was angepasst ist, ergibt sich dabei zum Einen aus den technischen Möglichkeiten des Fernkommunikationsmittels.
Zum Anderen ist zu berücksichtigen, ob der Verbraucher typischerweise tatsächlich dazu in der Lage ist, bei dem benutzten Fernkommunikationsmittel die vollständigen Pflichtinformationen zur Kenntnis zu nehmen und zur Grundlage für eine informierte Entscheidung zu machen.
Ist dies nicht der Fall, so wird schließlich der Zweck, durch umfassende Information vor Vertragsschluss ein hohes Verbraucherschutzniveau zu gewährleisten, ebenfalls nicht erreicht.
So wäre es etwa bei Erteilung sämtlicher Pflichtinformationen in Fernseh- und Radiowerbespots sowie am Telefon, weil der Verbraucher sie aufgrund ihres erheblichen Umfangs regelmäßig schon nicht vollständig aufnehmen, geschweige denn in Anbetracht ihrer kurzzeitigen visuellen Einblendung oder flüchtigen akustischen Mitteilung reflektieren könnte.
Dabei handelt es sich indes um räumliche oder zeitliche Begrenzungen der Fernkommunikationsmittel, auf die der Unternehmer aus tatsächlichen Gründen keinen Einfluss besitzt, weil sie dem verwendeten Medium immanent sind und damit unabhängig von ihrer konkreten Ausgestaltung und Einsatzdauer bestehen.
Deshalb sind diese Gründe unter Berücksichtigung von Art. 246a § 4 Abs. 1 und 3 EGBGB und des angestrebten hohen Verbraucherschutzes technischen Beschränkungen gleichzusetzen, zumal diese Auslegung dazu führt, dass beide im Erwägungsgrund (36) genannten Beispiele nach einem einheitlichen Kriterium von der Ausnahmeregelung erfasst werden."
Ein Werbeprospekt falle aber nicht unter diese Vorschrift, so das Gericht weiter.
"Der Werbeprospekt bietet – was die Beklagte nicht in Abrede stellt – unbegrenzte Zeit, weil sämtliche darin enthaltenen Informationen dauerhaft vorhanden sind und der Verbraucher sie nachlesen kann.
Ferner steht nicht nur begrenzter Raum zur Verfügung, weil die Beklagte den mehrseitigen Werbeprospekt anders gestalten kann als tatsächlich geschehen.
Dabei ist nicht von Bedeutung, ob wirtschaftliche oder werbetaktische Vorgaben zu Umfang und Format des Werbeprospekts oder versandtechnische Beschränkungen existieren, die „räumlich“ einer Erteilung sämtlicher Pflichtinformationen entgegenstehen könnten.
Denn es handelt sich dabei nicht um eine dem Printmedium immanente Begrenzung, die es der Beklagten unmöglich machte, die Informationen in einer ihm angepassten, klaren und verständlichen Weise zugänglich zu machen.
Nach ihrem eigenen Vorbringen füllen die vollständigen Informationen zum Widerrufsrecht 1 ½ DIN A4-Seiten und haben mit der Bestellpostkarte einen Anteil von 1/3 des insgesamt sechs Seiten umfassenden Werbeprospekts.
Legt man dies zugrunde, ist es indes technisch und tatsächlich möglich, die vorhandenen Seiten des Werbeprospekts anders zu gestalten, dessen Format zu ändern oder seinen Umfang um den notwendigen Raum für diese Pflichtinformationen – die Kerninformationen gemäß Art. 246a § 3 S. 1 Nr. 1 bis 5 EGBGB muss der Werbeprospekt ohnehin enthalten – zu erweitern.
Überdies werden sie dadurch in einer dem Werbeprospekt „angepassten“ Weise zur Verfügung gestellt, weil sich bloß der Anteil der Pflichtinformationen oder in geringem Umfang die Anzahl der Seiten erhöht, der an der Werbung und an einem Fernabsatzgeschäft interessierte Verbraucher aber gleichwohl ohne weiteres dazu in der Lage ist, die weiteren Informationen zu lesen und zu reflektieren.
Nicht geklärt zu werden braucht, ob unter Berücksichtigung des Umstands, dass der Unternehmer nicht auf ein gewähltes Fernkommunikationsmittel verzichten muss, der Raum oder die Zeit auch im Sinne von Art. 246a § 3 EGBGB begrenzt ist, wenn im Falle der Erteilung der zusätzlichen Informationen tatsächlich ein anderes Fernkommunikationsmittel vorliegen würde als der Unternehmer eigentlich verwenden wollte, was etwa bei Postkarten in Betracht kommen könnte, und wann konkret ein „anderes“ Fernkommunikationsmittel vorliegt.
Denn bei der Verletzungsform ist dies nicht der Fall. Sie bliebe bei Aufnahme von zusätzlich 1 ½ Seiten Pflichtinformationen unverändert ein Werbeprospekt, der nach Format und Umfang zudem als Beilage zu Zeitschriften oder Zeitungen vertrieben werden könnte, und er würde – selbst wenn sich deren Anteil auf 1/3 beliefe – vom Verbraucher auch weiterhin als Werbebeilage wahrgenommen. Nicht entscheidend ist hingegen nach der gesetzlichen Regelung, ob die Werbebotschaft durch die zusätzlichen Pflichtinformationen verwässert würde."
Das Gericht will den Unternehmer hier also dazu verpflichten ein Drittel (!) seines Werbemediums mit Informationen zu bedrucken, die kein Mensch liest. Je nach Auflage würde der Unternehmer damit schnell 5stellige Summen aufwenden müssen und so würde das Werbemittel wertlos.
Das OLG Düsseldorf hat die Revision zugelassen, sodass sich der BGH mit der Frage beschäftigen wird, wann ein Fernkommunikationsmittel Beschränkungen unterliegt, die zur Erleichterung bei der Informationserteilung führen. Das Gesetz sieht schließlich solche Erleichterungen vor, also muss es auch einen Anwendungsbereich geben.
Heute, am 14. Juni hat der BGH entschieden, dass er wesentliche Fragen zu diesem Fall erst vom EuGH geklärt wissen will.
Den BGH interessiert insbesondere die Frage, ob die Prüfung der Beschränkung der Darstellung abstrakt erfolgen muss oder aber am konkret vom Unternehmer gewählten Werbemedium.
Jetzt heißt es zunächst weiter abwarten auf die Antworten des EuGH und dann auf die abschließende Entscheidung des BGH. Wir werden weiter berichten.
Printwerbung mit Bestellmöglichkeit wurde mit dem Urteil des OLG Düsseldorf schon fast der Todesstoß versetzt - und das völlig ohne Not. Es bleibt zu hoffen, dass der EuGH diese Tendenz in der Rechtsprechung umkehren und etablierte Verkaufskanäle nicht durch so eine Art der Interpretation der Gesetze geschlossen wird. (mr)
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Hinweis: Ursprünglich erschien der Artikel im April 2016 und wurde aufgrund der aktuellen Entwicklungen aktualisiert.
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