Die EU-Kommission hat ein Maßnahmenpaket vorgelegt, mit dem sie den grenzüberschreitenden Handel beflügeln möchte. Es geht um Geoblocking, Versandkosten und Durchsetzung der Verbraucherrechte. Die derzeit vorgelegten Vorschläge fallen aber allesamt durch.
„Allzu oft sind Menschen von den besten Online-Angeboten abgeschnitten oder entscheiden sich gegen Einkäufe im Ausland. Dies hat damit zu tun, dass die Zustellpreise zu hoch sind oder dass sich die Verbraucher Sorgen machen, wie sie ihre Ansprüche geltend machen können, wenn etwas schief geht. Wir streben eine Lösung für diese Probleme an“, sagte Vizepräsident Andrus Ansip.
Aus diesen Gründen hat die EU-Kommission ein Maßnahmen-Paket vorgelegt, mit dem sie den Online-Handel, insbesondere den grenzüberschreitenden, ankurbeln will.
Verbot des Geoblocking
Per EU-Verordnung, d.h. also ohne weitere Umsetzungsakte der Mitgliedstaaten, will die Kommission regeln, dass das sog. Geoblocking verboten wird. Dafür hat die Kommission jetzt von Vorschlag für eine Verordnung über Maßnahmen gegen Geoblocking und andere Formen der Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit, des Wohnsitzes oder des Ortes der Niederlassung des Kunden innerhalb des Binnenmarktes, 2016/0152(COD), vorgelegt.
Dabei wird Personen, die eine Website, also auch z.B. einen Online-Shop, aufgrund ihrer IP-Adresse ein anderer Preis als anderen Kunden oder andere Lieferbedingungen oder ein ganz anderes Angebot angezeigt.
Personen darf nach den aktuellen Plänen aufgrund der Staatsangehörigkeit, des Wohnsitzes oder des Ortes der Niederlassung der Zugang zu einer Website nicht mehr durch technische Mittel oder auf anderem Wege gesperrt oder beschränkt werden.
Dieses Verbot soll aber nicht gelten, wenn zwingende Rechtsvorschriften eine solche Sperre oder Beschränkung vorschreiben.
Unternehmer sollen aber nicht gezwungen werden, mit Kunden aus allen EU-Mitgliedstaaten Verträge schließen zu müssen.
Weiterleitung auf richtige Sprachversion wird verboten
Nach Art. 3 wird es verboten, den Besucher einer Website aufgrund seiner Staatsangehörigkeit, seines Wohnsitzes oder seines Ortes der Niederlassung zu einer Version der Website weiterzuleiten, die sich von der Seite in Sachen Layout, Sprache oder anderen Merkmalen unterschiedet, die der Besucher eigentlich aufrufen wollte.
Beispiel:
Ruft ein Italiener aus Italien amazon.de auf und wird dann automatisch auf amazon.it weitergeleitet, ist dies zukünftig grundsätzlich verboten.
Es sei denn, der Besucher erteilt seine ausdrückliche Zustimmung.
Eine solche Weiterleitung soll auch zulässig sein, wenn zwingende Rechtsvorschriften das erlauben.
In diesem Fall muss der Online-Händler die Weiterleitung “präzise” begründen und zwar in der Sprache der Website, die der Besucher ursprünglich aufrufen wollte.
Bleiben wir bei dem Beispiel:
Ruft ein Italiener aus Italien amazon.de auf und wird dann automatisch auf amazon.it weitergeleitet (weil es dafür einen gesetzlichen Grund gibt – nämlich, dass mit Italienern immer der Vertrag auf Italienisch geschlossen werden muss), dann ist die Weiterleitung zulässig.
In dem Fall muss sich aber auf amazon.it ein kleines Fenster öffnen, in dem präzise der Grund der Weiterleitung begründet wird. Diese Begründung ist in deutscher Sprache zu erteilen.
Es bleibt aber unklar, ob das als Rechtfertigungsgrund schon reichen würde.
Keine verschiedenen AGB
Online-Händler, die nicht in einen anderen Mitgliedstaat liefern, dürfen gegenüber Besuchern aufgrund deren Staatsangehörigkeit, Wohnsitzes oder Ortes der Niederlassung keine unterschiedlichen AGB-Versionen anwenden.
Beispiel:
Ein deutscher Online-Händler, der nicht nach Polen liefert, darf bei einem Kunden aus Polen keine anderen AGB verwenden, als bei einem Kunden aus Deutschland.
Ja, warum sollte der Händler das auch machen? Er liefert ja gar nicht nach Polen!
Liefert ein Online-Händler dagegen nach Polen, darf er bei Verbrauchern aus Polen andere AGB zur Anwendung bringen. Ja, er muss es sogar, weil in Polen andere Gesetze gelten als in Deutschland.
Ein Anwendungsfall für dieses Verbot: Ein deutscher Unternehmer betreibt eine Website, auf der er seine Produkte präsentiert. Ein Verbraucher aus Polen kommt auf diese Website und fährt dann in das Ladengeschäft des Händlers in Deutschland und kauft die Ware dort – bzw. die online gekaufte Ware holt der polnische Verbraucher im Ladengeschäft des deutschen Händlers ab.
Dass in einer solchen Konstellation eine Vielzahl von Händler für den extra aus Polen anreisenden Verbraucher eine eigene AGB-Version überhaupt zur Verfügung haben, darf wohl stark bezweifelt werden.
Warum sollte ein stationärer Händler extra für den Fall, dass mal ein ausländischer Kunde vorbei kommt, andere AGB bereithalten?
Online-Händler, die also ins Ausland liefern, sind von diesem Verbot nicht betroffen.
Die Regelung macht in meinen Augen daher keinen Sinn – so wie der gesamte Verordnungsvorschlag.
Paketzustellung soll billiger werden
Als zweite Maßnahme soll die Paketzustellung günstiger werden, das steht zumindest auf der Website der Kommission. Dies soll ebenfalls per EU-Verordnung geregelt werden, Vorschlag für eine Verordnung über grenzüberschreitende Paketzustellung, 2016/0149(COD).
Wer in dem Vorschlag aber nach einer Regelung sucht, die dafür sorgt, dass die grenzüberschreitende Paketzustellung billiger wird, der wird enttäuscht werden.
In den Vorüberlegungen zu dem Verordnungs-Vorschlag heißt es dann:
“Konkret zielt dieser Vorschlag darauf ab,
1) dass die Märkte besser funktionieren, indem
a) die Regulierungsaufsicht über die Paketzustellmärkte wirksamer und kohärenter gestaltet wird und
b) der Wettbewerb angekurbelt wird, und
2) die Tarife transparenter werden, damit
a) ungerechtfertigte Tarifunterschiede abgebaut und
b) die Tarife für Privatkunden und Kleinunternehmen vor allem in entlegenen Gebieten gesenkt werden.”
Diese Ziele sollen dadurch erreicht werden, Paketzustell-Dienstleister ihre Tarife jedes Jahr an die jeweilige nationale Regulierungsbehörde melden (in Deutschland also an die Bundesnetzagentur).
Diese bewertet dann die “Erschwinglichkeit” der Tarife.
Erschwinglichkeit der Tarife
Die Erschwinglichkeit der Tarife wird anhand verschiedener Kriterien geprüft:
- die Inlandstarife vergleichbarer Paketzustelldienste im Einlieferungsland und im Bestimmungsland
- die Endgebühren (das sind die Gebühren, die z.B. ein deutscher Zusteller bezahlen muss, wenn an der Grenze ein Zusteller-Wechsel stattfindet)
- die etwaige Anwendung eines Einheitstarifes auf zwei oder mehr Mitgliedstaaten.
Meint die Behörde nach der Bewertung, die Tarife seinen nicht “erschwinglich”, muss der Paketdienstleister weitere Informationen übermitteln oder die Höhe der Tarife begründen.
Anschließend übermittelt die Regulierungsbehörde die Tarife und die Informationen bzw. Begründung an die Kommission und an alle anderen Regulierungsbehörden der Mitgliedstaaten.
Die Kommission veröffentlicht diese dann auf ihrer Website.
Welchen Mehrwert dieses Verfahren für den grenzüberschreitenden Handel haben soll, bleibt ein Geheimnis der Kommission. Schon heute hat jeder Zustell-Dienstleister eine Webseite, auf der die Gebühren eingesehen werden können.
Keine Regulierung durch Behörde
Die Regulierungsbehörde hat aber keine Möglichkeit, die Tarife zu untersagen oder zu ändern. Lediglich bei den sog. Endgebühren kann die Regulierungsbehörde ein Mitsprache-Recht haben, wenn es multilaterale Vereinbarungen gibt.
In der Pressemeldung der EU-Kommission heißt es zu diesem Verordnungsvorschlag:
“Verbraucher und Einzelhändler können dadurch von günstigeren Tarifen und praktischen Rücksendemöglichkeiten auch dann profitieren, wenn Sendungen in abgelegene Randgebiete gehen oder aus diesen verschickt werden.”
In dem Verordnungs-Vorschlag selbst findet sich aber kein Wort zu günstigeren Tarifen. Auch “praktische Rücksendemöglichkeiten” für den Verbraucher werden in dem Verordnungs-Vorschlag nicht angesprochen.
Warum ist der Versand so teuer?
Beim grenzüberschreitenden Handel können zwei oder sogar noch mehr Transport-Dienstleister beteiligt sein. Diese wollen natürlich alle an dem Versand des Paketes verdienen.
Hinzu kommen an sich höhere Transportkosten, weil evtl. die Wege ins Ausland weiter sind als eine Lieferung im Inland. Wenn es in ein weiter entferntes Land geht, wird der Transport evtl. mit dem Flugzeug durchgeführt, wodurch weitere Kosten entstehen können.
Andere Vorschriften in Bezug auf Arbeitszeiten, Arbeitssicherheit und andere Sozialstandards können ebenfalls zu einer Erhöhung des Portos für grenzüberschreitende Lieferungen führen.
Verbesserung beim Verbraucherschutz
Als dritte Maßnahme schlägt die Kommission vor, die Durchsetzung von Verbraucherrechten, insbesondere beim grenzüberschreitenden Handel zu verbessern.
Dafür soll die Verbrauchschutzdurchsetzungs-Richtlinie geändert werden. Die dort genannten verantwortlichen sollen in Zukunft
“- überprüfen, ob Verbraucher durch Geoblocking diskriminiert werden oder die für den Kundendienst geltenden Bedingungen (z. B. das Rücktrittsrecht) mit EU-Recht unvereinbar sind;
– anordnen, dass Websites mit betrügerischen Angeboten sofort gelöscht werden;
– Informationen bei den Registrierstellen für Domainnamen und Banken anfordern, um die Identität des verantwortlichen Händlers zu ermitteln.”
Fazit
Das groß angekündigte und nun verkündete Maßnahmenpaket wird wohl nichts am internationalen Online-Handel ändern. Weder der Verbraucher noch der Unternehmer werden Vorteile durch dieses Paket bekommen. Das hätte man sich sparen können.
Anstatt sich ständig neue Regulierungsmöglichkeiten zu überlegen, sollte die EU-Kommission vielleicht einmal darüber nachdenken, bestehende Regulierungen abzubauen, um den grenzüberschreitenden Handel wirklich zu beflügeln. Außerdem sollte die Rechtszersplitterung beseitigt werden. Selbst bei vollharmonisierten Rechtsgebieten wie z.B. durch die Verbraucherrechterichtlinie, gibt es große nationale Unterschiede. (mr)
Viele Änderungen und Gesetze erfreuen ja, aber nicht alles find ich gut durchdacht
die herrschaften sollten mal den alkohol weglassen!
wenn man das liest muss man sich schon überlegen ob man nicht nach china geht und dort ein geschäft aufmacht oder usa!!!
absoluter schwachsinn diese kommisson
Diese ewigen Entscheidungen am grünen Tisch. An die Damen und Herren in Brüssel: holt Euch Praktiker aus dem Mittelstand und noch darunter an den Tisch und lernt von den Erfahrungen derer, die Handel betreiben. Mir stehen die Haare zu Berge nach diesem Bericht. Es ist nicht zum Aushalten.
Sehr geehrte Herr Rätze,
möglicherweise ist die Interpretation des Geoblocking-Vorschlags in Deutschland eine andere. Aus meiner Sicht, die auch von anderen mit der Materie befassten Kollegen bestätigt wurde, geht es nicht nur um unterschiedliche AGB, sondern der VO-Vorschlag schafft in bestimmten Fällen einen Kontrahierungszwang für Unternehmen, auch wenn dies vielleicht in einer nicht ganz so deutlichen Formulierung des Art 4 verschleiert wird. Ein Webshopbetreiber, der zB auch entsprechend der Verbraucherrechte-RL über Lieferbeschränkungen informiert (zB, dass er nur an Kunden in Österreich liefert und sich auch daran hält), dürfte einem Kunden zB aus Italien, der bereit ist, die Ware selbst abzuholen oder sich die Lieferung selbst zu organisieren, den Abschluss des Kaufvertrages nicht verweigern, denn das wäre eine Diskriminierung aus Gründen des Wohnsitzes des Verbrauchers. Dass das der eigentliche „Sinn“ der VO sein würde, macht die Begründung des Vorschlages (S 7 deutlich): „Die Anbieter können weiterhin entscheiden, wo und wann sie den Kunden ihre Waren oder Dienstleistungen anbieten. Ihre Freiheit, eine Kaufanfrage abzulehnen oder unterschiedliche Bedingungen anzuwenden, wird nur durch die Nichtdiskriminierungsvorschriften dieser Verordnung eingeschränkt. Alle anderen Gründe für einen Nichtverkauf oder die Anwendung unterschiedlicher Bedingungen stehen den Anbietern weiterhin offen (z. B. wenn das Produkt nicht mehr auf Lager ist).“. Unter http://europa.eu/rapid/press-release_MEMO-16-1896_en.htm führt die EK folgendes Beispiel an: “Example: A Belgian customer wishes to buy a refrigerator and finds the best deal on a German website. The customer will be entitled to order the product and collect it at the trader’s premises or organise delivery himself to his home.” (jeweilige fette Hervorhebungen von mir). Wenn also der Verbraucher “berechtigt” ist zu bestellen, dann ist der Unternehmer wohl verpflichtet, die Bestellung anzunehmen. Die EK geht davon aus, dass im Falle der Selbstorganisation der Lieferung für den Händler keine Kosten und kein Risiko bestehen (würden). Abgesehen davon, dass es mE im Rahmen der unternehmerischen Freiheit freistehen muss, sein „Verkaufgebiet“ selbst zu bestimmen, können auch bei der Selbstabholungsvariante Risiken entstehen. Ich gebe zu bedenken, dass zB aufgrund der Judikatur des EuGH in der RS Weber/Putz (die nun durch den RL-Vorschlag zum Online-Warenhandel zudem auch noch weitergehender festgeschrieben werden soll) im Falle der Mängelhaftung der Verkäufer bei einzubauenden Sachen (zB Fliesen, Geschirrspüler) der Händler grundsätzlich verpflichtet ist im Rahmen des Austauschanspruches die schadhaften Fliesen auszubauen und mangelfreie Fliesen wieder einzubauen, auch wenn der Einbau nicht Gegenstand des Vertrages war, sondern dieser vom Verbraucher oder einem Dritten durchgeführt wurde. Dieses Risiko bzw die Abwicklung von Gewährleistungsfällen generell ist, wenn die Ware in einen anderen MS verbracht wird, jedenfalls schwieriger zu handhaben. Auch ist davon auszugehen, dass dann, wenn der Vertrag tatsächlich online geschlossen wird (und nicht nur eine Reservierung erfolgt ), und der Kunde die Ware selbst abholt, jedenfalls ein Fernabsatzvertrag vorliegt. Nach Art 6 Abs 1 lit i der Verbraucherrechte-RL müssten auch in diesem Fall vorvertraglich die Kosten der Rücksendung der Ware angegeben (ohnehin in üblichen Fällen schon schwierig) werden, wenn sie nicht auf dem normalen Postweg zurückgeschickt werden können (zB Geschirrspüler). In unserem Beispiel wäre das gar nicht möglich. Wenn aber die Kosten nicht angegeben werden, hätte der Verbraucher sie auch nicht zu tragen. Meines Erachtens ist der Vorschlag ein tiefer Einschnitt in die unternehmerische Freiheit. Jeder Unternehmer möchte so viel wie möglich verkaufen, die Ankurbelung des grenzüberschreitenden E-Commerce durch einen Vertragsabschlusszwang verordnen zu wollen, ist aber der falsche Weg. Beste Grüße Huberta Maitz-Straßnig