Was darf der Verbraucher mit einer Matratze machen, die er online gekauft hat? Darf er darauf schlafen und anschließend widerrufen? Und wenn ja: Muss er dann Wertersatz leisten? Das AG Bremen hat sich zu diesen Fragen jetzt geäußert.
Mal wieder ging es um Matratzen. Nachdem der BGH einem Matratzenhändler klar gemacht hat, dass der Verbraucher sein Widerrufsrecht zur Durchsetzung einer zuvor versprochenen Geld-zurück-Garantie nutzen darf, stritt sich dieser Händler nun vor dem AG Bremen (Urt. v. 15.4.2016, 7 C 273/15) mit einem Verbraucher wegen der Zahlung von Wertersatz wegen der Benutzung zweier Matratzen.
Matratze eine Nacht getestet
Der Online-Händler verklagte seine Kundin. Diese hatte zwei Matratzen bestellt und jeweils eine Nacht darauf geschlafen.
Dafür verlangte der Händler jeweils 15% der Kaufpreissumme (einmal 85,40 Euro und einmal 82,35 Euro) als “Nutzungsentgelt”.
Dass er dies nicht bekommt, war allerdings von vornherein klar, denn einen Nutzungsersatz gibt es überhaupt nicht im Gesetz.
Das Gesetz interpretierte das geforderte “Nutzungsentgelt” dann als Geltendmachung eines Wertersatzanspruchs.
Kein Anspruch auf Wertersatz
Aber auch einen solchen Anspruch habe der Online-Händler nicht, so das Gericht.
“Nach § 357 Abs. 7 BGB hat die Beklagte aber auch keinen (Wert-)Ersatz für einen Wertverlust der Ware, hier der beiden Matratzen, zu leisten.”
Dabei spielte es für das Gericht keine Rolle, ob die Matratze durch das Testschlafen von einer Nacht überhaupt einen Wertverlust erlitten hatte. Denn Ersatz für einen Wertverlust der Ware erhält der Händler nur, wenn der Wertverlust auf einen Umgang mit der Ware zurückzuführen ist, der nicht zur Prüfung der Eigenschaften, Funktionsfähigkeit und Beschaffenheit der Ware notwendig ist.
Das Testschlafen von einer Nacht fällt allerdings, so das Gericht, noch unter das zulässige und nicht zum Wertersatz verpflichtende Prüfungsrecht des Verbrauchers.
“Mit der Nutzung der Matratzen jeweils nur über eine Nacht geht noch keine übermäßige Nutzung im Sinne der vorbenannten Regelung einher.
Die Beklagte als Verbraucherin hat ein Prüfungsrecht. Dieses beinhaltet die Berechtigung des Verbrauchers, die Ware auszuprobieren und zu testen. Dies insbesondere dann, wenn damit eine Ingebrauchnahme verbunden ist.
Solange sich der Verbraucher hier im Rahmen der berechtigten Prüfung bewegt, schuldet dieser auch dann keinen Wertersatz, wenn die Ware einen vollständigen Wertverlust erleidet, wie z.B. beim Aufbau von Möbeln oder beim Befüllen eines Wasserbettes.”
Weiterverkaufswert unerheblich
Im Falle der bloßen Prüfung kommt es auch nicht darauf an, zu welchem Wert der Unternehmer das Produkt möglicherweise weiterverkaufen könne.
“Vor diesem Hintergrund geht daher auch die Argumentation der Klägerin fehl, die im Ergebnis für ihr ‘Nutzungsentgelt’ oder auch anteiligen ‘Wertverlust’ ersichtlich alleine darauf abstellt, dass der Umstand einer erfolgten Nutzung Dritten gegenüber offenbarungspflichtig und dies dann wieder mit erheblichen Einbußen verbunden sei.
Hierauf kommt es im Rahmen der insoweit abschließenden Regelung schlicht nicht an.”
Eins, zwei oder drei Nächte OK?
Das Gericht musste nicht entscheiden, ob auch noch eine “Testdauer” von drei Nächten für eine Matratze OK sei.
“Es kann für den vorliegenden Fall dahingestellt bleiben, ob das dem Verbraucher zustehende Prüfungsrecht noch eine Zeitdauer von 3 Tagen bzw. von 3 Nächten umfasst oder ob nicht mit dem Amtsgericht Köln eine zulässige Nutzung von allenfalls 1 – 2 Nächten anzunehmen ist (Urt. v. 4.4.2012, 119 C 462/11), da im vorliegenden Fall jeweils nur eine Nutzungsdauer von 1 Nacht vorliegt und damit vom berechtigten Prüfungsumfang “auf jeden Fall” umfasst ist.
Aber auch ein Test über jeweils 2 Nächte pro Matratze wäre nach Einschätzung des Gerichts noch vom Prüfungsrecht umfasst.”
Wenn überhaupt: 0,52 Euro Wertersatz
Aber nicht nur, dass dem Händler schon von vornherein kein Wertersatz zustand, das Gericht entschied auch noch, dass sein Berechnungsansatz von pauschal jeweils 15% fehlerhaft war.
“Selbst bei Annahme eines Anspruches auf Wertersatz gem. § 357 Abs. 7 BGB ist vom gesetzgeberischen Willen auszugehen, wonach hier für eine Wertersatzermittlung nach der ‘Wertverzehrtheorie’ auf den Umfang der tatsächlichen Nutzung durch den Verbraucher im Verhältnis zur voraussichtlichen Gesamtnutzungsdauer abzustellen ist.
Hier wäre entsprechend der Berechnung der Beklagten bei einer anzunehmenden Nutzungsdauer einer Matratze von 10 Jahren und dem Kaufpreis für die beiden Matratzen von 939,79 Euro der Umfang der tatsächlichen Nutzung als Grundlage für einen Wertersatz mit 0,52 Euro anzunehmen.”
Hätte die Kunden also z.B. jeweils fünf Nächte getestet, wären nach Ansicht des Gerichts jeweils zwei wertersatzfrei möglich, für die übrigen jeweils drei Nächte hätte der Händler 1,56 Euro Wertersatz erhalten.
Fazit
Pauschal einen Anteil des Kaufpreises als Wertersatz zu verlangen, ist nicht möglich (und war es noch nie). Man muss immer den Einzelfall betrachten und vor allem müssen Online-Händler ihren Anspruch auf Wertersatz auch nachweisen. Wie vor dem AG Köln, welches bereits eine Testphase von zwei Nächten erlaubte, erlitt der gleiche Händler auch vor dem AG Bremen Schiffbruch. Das zeigt einmal mehr, dass das Prüfungsrecht des Verbrauchers bei Fernabsatzgeschäften sehr weitgehend ist. Hatten Sie auch schon Probleme mit dem Wertersatz? Erzählen Sie uns Ihre Geschichte über die Kommentarfunktion. (mr)
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Diente das nicht eigentlich mal der Gleichstellung von On- und Offlinehandel? Wo (offline) kann der Kunde denn mehrere Nächte auf einer Matratze schlafen? Zumal eine Matratze für mich schon in den Bereich Hygieneartikel fällt, ich möchte keine “gebrauchte” Matratze kaufen.
Hallo Herr Estel,
in fast jedem offline Matratzen-Geschäft können Sie Matratzen testen. Außerdem wäre es egal, ob sie das offline dürfen oder nicht, denn der Fernabsatz ist nicht mit dem offline-Geschäft zu vergleichen.
Matratzen gehören mE nicht zu Hygieneartikeln (die EU-Kommission sieht das zwar in ihrer Guideline anders, aber die ist nicht rechtsverbindlich). Ganz einfaches Beispiel: In einem Hotel bekommt auch nicht jeder Gast eine neue Matratze und niemand stört sich daran.
Unabhängig von der Frage, in welchem Umfang Tests erlaubt sind, sträuben sich mir die Nackenhaare, wenn ich lese, wie das Gesetz den Wertverlust nach der Wertverzehrtheorie ermittelt. Wir sprechen hier von Handelsgeschäften und damit vom Verkauf von Waren zu einem Handelspreis. Mit ist schleierhaft ,wieso der Gesetztgeber in solchen Fällen auf einen theoretischen Wertveverzehr auf Basis der Nutzungsdauer abstellt, statt dem faktisch eingetretenen (Handels-)Wertverzehr durch das (übermäßige) Testen und Ingebrauchnehmen Rechnung zu tragen. Aus meiner Sicht eine weltfremde Gesetzgebung, die zu einer eindeutigen Benachteiligung des Verkäufers führt.
Der Gesetzgeber und die Rechtsprechung begründen dies damit, dass das das unternehmerische Risiko des Verkäufers bei Fernabsatzgeschäften sei und diese “Weiterverkaufs-Wertverluste” (so will ich es mal nennen) vom Unternehmer hinzunehmen seien.
Wie weltfremd können Juristen sein?
Wenn ich mit einem Neuwagen vom Hof des Autohändlers fahre, ist der Wagen in dem Moment kein Neuwagen mehr und hat von einem Augenblick auf den nächsten immens an Wert verloren.
Eine benutzte Matratze ist nicht mehr neu. Als Käufer würde ich die nicht mehr als Neuware haben wollen.
Und egal, wie unsere Juristen es sehen: selbstverständlich ist eine Matratze ein Hygieneartikel, denn sie kommt mit Körperflüssigkeit in Berührung:
Durch natürliches Schwitzen verliert jeder Mensch bis zu 0,5 Liter Schweiß pro Nacht. Die Feuchtigkeit des Schweißes sowie im Schweiß enthaltene Salze und Eiweiße dringen zum Teil in die Matratzen ein und verbleiben dort. (Quelle: Wikipedia)
Aus diesem Grunde versenden wir Matratzen nur in Folie eingeschweißt und erwarten sie auch nur so zurück, was wir mit einem entsprechenden Aufkleber kundtun.
@Steinlaus
Verbraucher müssen sich aber nicht an den Aufkleber halten.
Guten Tag Herr Rätze und Steinlaus,
ja der Verbraucher kann im Ladengeschäft die Matratze testen. Allerdings mit Bekleidung und auch keine Nacht. Das ist für mich ein gravierender Unterschied, denn als Online-Händler kann ich im Zweifelsfall nicht prüfen, wie der Test abläuft und was der potenzielle Käufer mit dem Artikel anstellt.
@Steinlaus: Der Neuwagen verliert aber nicht den Wert, weil er vom Hof fährt, sondern weil er eine Zulassung erhalten hat.
Das stimmt so nicht, DaWe. Bei IKEA z.B. kann ich eine Matratze mitnehmen und ebenfalls darauf probeschlafen.
Das ist halt IKEA. Denen ist es egal da sie täglich so eine Masse von Kunden bedienen fällt das nicht groß ins Gewicht.
Ich habe dort schon Leute gesehen die ganz offensichtlich geklaut haben. Unternommen hat dort niemand etwas. Das wird einfach so hingenommen und ist sogar einkalkuliert.
Das kleine Fachgeschäft aber kann dies nicht so handhaben. Die Matratze wurde benutzt, auch wenn es nur eine Nacht war kann diese dann nicht mehr als “neu” verkauft werden und verliert somit an Wert.
Aber das ist nach dem Willen des Gesetzgebers das unternehmerische Risiko. Dem Verbraucher können Sie dafür jedenfalls nichts in Rechnung stellen.
Wie verhält es sich bei Eheringen? Klar muss der Kunde hier auch testen können, ob die Ringe passen. Aber hat er auch das Recht die Ringe einen oder mehrere Tagen wirklich probe zu tragen? Denn gerade durch den Kontakt mit anderen Gegenständen/Chemikalien o.ä. können Kratzer/Tragespuren auf den Ringen entstehen.
Wäre diese Form des Probetragens nach der Auslegung des Gerichts somit auch zulässig? Bzw. ist es dem Händler dann erlaubt Wertersatz zu fordern?
Hallo,
zulässig definitiv! Ob man Wertersatz fordern kann, ist eine Frage des Einzelfalls und kann niemals pauschal beantwortet werden. Zunächst trifft den Händler die Beweislast, dass ein Wertverlust eingetreten ist. Dann muss der Händler die exakte Höhe des Wertverlustes nachweisen und auch, dass der Kunde den Ring nicht nur zu Testzwecken getragen hat.